IMMOBILIENWIRTSCHAFT 06/2016 - page 58

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TECHNOLOGIE, IT & ENERGIE
I
DIGITALISIERUNG
Gesetzliche Vorgaben, wie das Bestellerprinzip oder der Sachkundenach-
weis, verändern derzeit die Rahmenbedingungen für die Ausübung des
Maklerberufs, zudem sprießen Wohnungsvermittlungsportale im Internet
wie Pilze aus dem Boden. Zusätzlich zu dieser Transformation treten nun
Neuerungen durch die fortschreitende Digitalisierung in Kraft, die Start-ups
– mit schlanken Geschäftsmodellen auf Branchensegmente reduziert – auf
den Plan rufen. Im Zuge dieser Veränderung mag sich manch einer die
Frage stellen, ob die Digitalisierung den echten Makler aus Fleisch und Blut
verdrängt.
Viele erfolgshungrige Start-ups, die sich im Zuge dieses Wandels gegründet
haben, scheinen davon überzeugt, dass die Digitalisie-
rung zukünftig über den Geschäftserfolg oder Misserfolg
entscheidet. Eine Verunsicherung durch diese These bei
traditionsreichen Maklerhäusern ist meiner Meinung nach
jedoch fehl am Platz. Auch in einer digital getriebenen
Welt bedarf es qualifizierter, kompetenter Menschen,
die Kundenbedürfnissen mit gewachsener Expertise
nachkommen, und nicht allein komplexer Algorithmen,
die Profile abgleichen und nach vorgefertigten Kriterien
matchen.
Grundsätzlich stehe auch ich der Digitalisierung absolut
positiv gegenüber und wir fühlen uns in keiner Weise
bedroht, vielmehr in diversen Geschäftsfeldern berei-
chert: Die Digitalisierung ermöglicht zum Beispiel die
Präsentation eines Lebensgefühls und die Darstellung
ganzheitlicher Lebenswelten in Gestalt von 360-Grad-
Visualisierungen und 3D-Wohnungsbesichtigungen, auch
von Objekten, die noch in der Bauphase sind und real
noch nicht existieren. Das bedeutet für unsere Kunden
erhebliche Zeitersparnis, erhöhten Komfort und eine
Erleichterung bei der Entscheidungsfindung.
Von uns ist jetzt eine differenzierte Auseinandersetzung
mit den Möglichkeiten der Technik gefordert, denn es
besteht nicht die Frage, ob die Immobilienbranche sich digitalisiert, son-
dern nur, wie die einzelnen Unternehmen am Markt die technologischen
Neuerungen einsetzen.
Die Nutzung digitaler Hilfsmittel erfordert eine eigene Strategie, die im Un-
ternehmen implementiert wird. Synergieeffekte spielen dabei eine große
Rolle. So ändert sich beispielsweise auch der Kommunikationsweg mit
den Kunden. Als modernes und professionelles Unternehmen berät und
informiert man seine Kunden heute nicht mehr nur via Post, Telefon oder
Website, sondern zunehmend über weitere Kanäle wie YouTube, News-
letter oder Online-PR. Um diese Kanäle sinnvoll und effizient einzusetzen,
ist man auch bei einer Contentmarketing-Strategie gut beraten, wenn
man sich moderner technologischer Hilfsmittel bedient und Synergien
mit Redaktionen und Fachprofis schafft. Und auch unternehmensintern
gilt es, die Neuerungen strategisch zu nutzen und seine Mitarbeiter via E-
Learning, Filmen und Wikis über rechtliche Neuerungen oder Fachthemen
zu unterrichten. Das Leistungsspektrum unserer oftmals auf Klischees redu-
zierten Branche kann über die Erschließung neuer digitaler Kanäle besser
dargestellt werden. Kompetenz wird transparent, beispielsweise durch die
Nutzung von Bewertungssystemen oder Empfehlungsmarketing.
Es geht im Zuge des Schlagworts Digitalisierung nicht darum, eine voll-
ständige Neuausrichtung vorzunehmen oder sich einem Trend zu unter-
werfen, sondern aktiv neue „Werkzeuge“ für das eigene Unternehmensziel
sinnvoll einzusetzen. Für unser Unternehmen wird eine vollständige Ver-
lagerung der Dienstleistungen in die digitale Welt nicht zielführend sein,
da unsere Kunden im Premiumsegment den direkten Kontakt schätzen
und eine individuelle Beratung einfordern. Für sie wäre es nicht denkbar,
anonym über eine Plattform eine Immobilie auszuwählen und zu mieten,
und erst recht nicht zu kaufen. Reale Treffen, Gespräche
und auch Diskussionen sind unabdingbar. Das Gefühl der
Sicherheit, welches ein Kunde gewinnt, wenn er vor Ort
beraten und in seiner Entscheidungsfindung begleitet
wird, lässt sich nicht durch Apps, Online-Angebote
oder Technik erzeugen. Und auch unsere Auftraggeber
erwarten, dass wir sie in dem gesamten Prozess der
Immobilienvermarktung individuell beraten und ihnen
vielfältige Aufgaben abnehmen.
Doch auch im hochpreisigen Segment bringt die Digi-
talisierung Vorteile, die wir bewusst nutzen. Natürlich
schauen wir uns dabei auch junge, auf das Online-Seg-
ment spezialisierte Unternehmen gezielt an und lernen
von ihnen. Zum Beispiel die Effizienzsteigerung durch die
Digitalisierung von Abläufen ist ein Punkt, der für alle
Unternehmen gleichermaßen sinnvoll ist. Die Nutzung
digitaler Mittel bietet uns zudem die willkommene Gele-
genheit, unsere Kunden und potenzielle Kunden künftig
noch besser, anschaulicher und effizienter mit interes-
santen, wegweisenden Informationen rund um das
Thema Wohnen, Umbauen, Einrichten, Finanzieren und
Investieren zu versorgen.
Im Endeffekt geht es ausschließlich um zwei Dinge:
Expertise und Service. Nur wer das versteht und ernst nimmt und sich
somit als besonders kundenfreundlich und nützlich erweist, wird den
Herausforderungen der Zukunft gewachsen sein. Immobilienmakler, denen
dies gelingt und die es mit Pionier- und Unternehmergeist schaffen, sich
immer wieder neu zu erfinden und so die Vorzüge der realen und der
digitalen Welt – online und offline – miteinander zu verbinden, müssen
sich um ihre Existenzberechtigung keine Sorgen machen. Insbesondere
die Gruppe der Besserverdienenden wird sich auch in Zukunft den „Luxus“
einer individuellen Beratungs- und Serviceleistung erlauben. Vor dem
Hintergrund dieser Überzeugung ist es für uns eine Selbstverständlichkeit
und ein Anliegen, unsere Marke mit Mut und Innovationskraft dynamisch
weiterzuentwickeln. Wenn jetzt neben herkömmlichen Tugenden digitale
Fitness von unserer Branche gefordert wird, werden wir diese trainieren,
um auch in Zukunft Höchstleistungen zu bringen.
Björn Dahler,
Geschäftsführer Dahler & Company GmbH, Hamburg
„Eine Verunsiche-
rung durch die fort-
schreitende Digita-
lisierung ist fehl
am Platz.“
KOMMENTAR
Eine Traditionsbranche im Wandel
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