IMMOBILIENWIRTSCHAFT 06/2016 - page 68

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SERIE
GEDÄCHTNISTRAINING
zeitig über die Errungenschaften freuen
und beachten, wie wir sie nutzen. Eine ak-
tuelle Studie untersucht die Auswirkungen
intensiver Smartphone-Nutzung auf die
Studienleistung bei amerikanischen Stu-
denten, von denen die meisten als von
einer Smartphone-Sucht bedroht gelten.
Bei solchen Studien sollte aber auch ein
kritischer Blick beibehalten werden. Eine
Sucht hat negative Auswirkungen auf
Studienleistungen, das ist wahrlich keine
Überraschung. Bei Alkohol-, Spiel- oder
anders Suchterkrankten ist das auch zu
finden. Zugleich hilft es wenig, jedem,
der sein Smartphone viel benutzt, allein
deshalb eine Sucht zu unterstellen.
Die braucht es aber auch gar nicht, um
Effekte zu finden. Das kennenwir aus dem
Alltag. Wir erinnern uns kaum noch an
Telefonnummern, folgen blind dem Navi
und merken im Zweifel erst auf der A 2,
dass wir nach Frankfurt am Main und
nicht an die Oder wollten. Auch die Wis-
senschaft bestätigt, dass dies keine Einbil-
dung ist. Umfragen zeigen, dass weniger
als die Hälfte der Befragten die Telefon-
nummern vom Partner oder den Kindern
auswendig weiß. Dagegen wissen fast 60
Prozent aller befragten Erwachsenen heu-
M
acht es im Jahr 2016 noch Sinn, mit
2000 Jahre alten Lerntechniken zu
lernen? Ist mein Handyspeicher
nicht sowieso viel besser geeignet, Dinge
abzuspeichern? Längst schreibt manch
amerikanischer Autor vom iBrain. Andere
machen sich Sorgen darüber, was moder-
ne Technik mit uns anstellt. Wie Handy,
Computer und Bildschirme aller Art unser
Gehirn und unser Gedächtnis beeinflus-
sen. „Das neueMediummacht süchtig. Es
schadet langfristig dem Körper und vor
allem dem Geist. [...] Wenn wir unsere
Hirnarbeit auslagern, lässt das Gedächtnis
nach“, schreibt etwa Manfred Spitzer 2012
in seinem viel diskutierten Buch „Digitale
Demenz“. Ein anderer Gedanke: „Das
neue Medium ist höchst gefährlich, weil
es das Gedächtnis schwächt, [...] von der
Realität ablenkt und dazu verführt, Reali-
tät und ihr mediales Abbild zu verwech-
seln.“ Auch von Spitzer? Nein, das ist, frei
übersetzt, Platon, griechischer Philosoph,
etwa 400 Jahre vor Christus, mit seiner
Sorge über die Einführung der Schrift.
Zugegeben ein etwas unfairer Vergleich.
Aber er zeigt: Entwicklung hört nicht auf.
In den nicht einmal 2500 Jahren zwischen
den beiden Zitaten von Platon und Spitzer
hat die Evolution unser Gehirn nicht we-
sentlich verändern können.
BEEINDRUCKENDE LERNFÄHIGKEIT
Es ist
die beeindruckende Lernfähigkeit unseres
Gehirns, die es uns ermöglicht, uns an die
sich verändernde Welt anzupassen, die
Schrift zu erlernen ebenso wie ein Smart-
phone zu benutzen. Vor allem was wir
schon als junge Menschen kennenlernen,
integriert sich in unsere Wissensnetze.
Ich dachte, dass ich mein Smartphone
viel nutze und schnell denken kann. Bis
ich gesehen habe, wie Teenager dutzende
Snapchats in einer Stunde austauschen.
Aber können die sich nach der Stunde
noch an die einzelnen Nachrichten erin-
nern? Kaum. Daher solltenwir uns gleich-
Serie –
Teil 6
Die Immobilienbranche hängt
am Smartphone: Alle wich-
tigen Informationen sind
heutzutage mobil abgespei-
chert und damit überall ab-
fragbar. Viele spicken deshalb
vor einem Kundentermin nur
schnell aufs Handy, um den
Namen des Geschäftspart-
ners parat zu haben. Doch
ist das wirklich klug?
Gedächtnis? Ich habe doch ein Smartphone!
Dr. Boris Nikolai Konrad
(31) ist
Deutschlands Gedächtnisexperte.
Der Gedächtnistrainer, Autor und
Neurowissenschaftler hält den
Weltrekord im Namenmerken und
drei weitere Einträge im Guinness-
Buch der Rekorde. Am Donders In-
stitut in Nijmegen erforscht er die
neuronalen Grundlagen außerge-
wöhnlicher Gedächtnisleistungen
und ist einem breiten Publikum
durch seine zahlreichen Fern-
sehauftritte bekannt. In seinem
Buch „Superhirn – Gedächtnistrai-
ning mit einem Weltmeister“ und
in seinen regelmäßigen Vorträgen
erklärt er Techniken, mit denen
sich das Gedächtnis erheblich
verbessern lässt.
ZUR PERSON
Aufwändige Lerntechniken scheinen im Jahr
2016 nicht mehr aktuell zu sein.
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