IMMOBILIENWIRTSCHAFT 06/2016 - page 48

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VERMARKTUNG & MANAGEMENT
I
RECHT
Wohnungseigentumsrecht
– Aktuelle Urteile
FAKTEN:
Im Rahmen der Eigentümerversammlung wurde vom Verwalter eine „Jahres-
kostenaufstellung“ präsentiert. Anschließend stand die Entlastung des Verwalters und
des Verwaltungsbeirats zur Beschlussfassung. Beide Beschlüsse wurden mehrheitlich
gefasst. Ein Eigentümer hat nun gegen die Entlastungsbeschlüsse Anfechtungsklage
erhoben. Er ist der Auffassung, die „Jahreskostenaufstellung“ sei fehlerhaft, weshalb die
Entlastung des Verwalters und des Beirats den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwal-
tung widerspreche. Die Klage des Eigentümers war erfolgreich.
In dem Beschluss über die Entlastung des Verwalters kann aufgrund des inneren Zu-
sammenhangs auch stillschweigend eine Beschlussfassung der Eigentümer über die
Jahresabrechnung enthalten sein, auch wenn der Beschluss über die Jahresabrechnung
und der über die Entlastung des Verwalters zwei rechtlich unterschiedliche Gegenstände
betreffen. Diese Annahme ist jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn die Abrechnungs-
unterlagen der Eigentümerversammlung im Zeitpunkt der Beschlussfassung vorlagen.
Bestehen insoweit Zweifel, ist die Reichweite des Beschlusses durch Auslegung zu er-
mitteln. Vorliegend konnte dies jedoch nicht festgestellt werden.
FAZIT:
Nur in seltenen Fällen kann angenommen werden, dass die Beschlussfassung
nur über das eine auch das andere umfassen soll. Ob man von einer stillschweigenden
Beschlussfassung auch über die Jahresabrechnung im Beschluss über die Entlastung
von Verwalter und Beirat ausgehen kann, wenn die Jahresabrechnung den Eigentümern
bereits im Vorfeld der Eigentümerversammlung übersandt wurde, ist zumindest nach
diesseitiger Ansicht zweifelhaft.
VERWALTERENTLASTUNG
Führt Entlastung zu Genehmi-
gung der Jahresabrechnung?
In dem Beschluss über die Entlastung
des Verwalters kann aufgrund des
inneren Zusammenhangs stillschwei-
gend eine Beschlussfassung der
Eigentümer über die Jahresabrech-
nung enthalten sein, auch wenn der
Beschluss über die Jahresabrechnung
und der über die Entlastung des Ver-
walters zwei rechtlich unterschiedliche
Gegenstände betreffen. Diese Annah-
me ist jedoch nur dann gerechtfertigt,
wenn die Abrechnungsunterlagen der
Eigentümerversammlung im Zeitpunkt
der Beschlussfassung vorlagen.
AG Oldenburg, Urteil v. 19.06.2015, 10 C 2/15
VERJÄHRTE ANSPRÜCHE
Ersatz kann ordnungs-
mäßig sein
Haben die Eigentümer im Vertrauen
auf die Gültigkeit eines nichtigen
Beschlusses Instandhaltungs- und
Instandsetzungsmaßnahmen an
Fenstern inklusive Fensteraustausch
durchgeführt, widerspricht eine
entsprechende Kostenerstattung auch
dann nicht ordnungsmäßiger Verwal-
tung, wenn bereits verjährte Ansprü-
che der Eigentümer hiervon umfasst
sind. Allerdings gibt es Grenzen bei
sehr lange (hier: bis zu 30 Jahren)
zurückliegenden Investitionen und
einer sehr großzügigen Kostenrege-
lung.
AG Offenbach, Urteil v. 16.11.2015, 310 C 93/13
VERFAHRENSKOSTENBELASTUNG
Beschlussnichtigkeit und feh-
lerhafte Beschlussverkündung
Gemäß § 49 Abs. 2 WEG können dem
Verwalter die Prozesskosten auferlegt
werden, soweit die Tätigkeit des Ge-
richtes durch ihn veranlasst wurde und
ihn ein grobes Verschulden trifft. Dies
ist insbesondere dann der Fall, wenn
der Verwalter einen fehlerhaften
Beschlussantrag zur Abstimmung
stellt, der zur erfolgreichen Anfech-
tung des gefassten Beschlusses führt.
Elementare Fehler stellen insoweit ein
willkürlicher Umgang mit Vollmachten
und die Initiierung eines nichtigen
Beschlusses dar.
AG Hamburg, Urteil v. 13.07.2015, 102d C 126/13
SCHRIFTLICHES VERFAHREN
Kein Anspruch auf
„Umlaufbeschluss“
Im Umlaufverfahren setzt ein Be-
schluss nach § 23 Abs. 3 WEG die
schriftliche Zustimmung aller Eigen-
tümer sowohl zum Verfahren als auch
zum Beschlussantrag voraus. Ver-
weigert ein Eigentümer die Zustim-
mung zum Beschluss im schriftlichen
Verfahren nach § 23 Abs. 3 WEG, ist
das schriftliche Verfahren gescheitert.
Enthält sich auch nur einer, ist ein
Beschluss nicht zustande gekommen.
Einen Anspruch auf Abgabe einer
Stimme im schriftlichen Verfahren
haben die Eigentümer untereinander
nicht.
LG München I, Urteil v. 20.4.2015, 1 S 12462/14 WEG
1...,38,39,40,41,42,43,44,45,46,47 49,50,51,52,53,54,55,56,57,58,...76
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