IMMOBILIENWIRTSCHAFT 06/2016 - page 28

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INVESTMENT & ENTWICKLUNG
I
WOHNUNGSUNTERNEHMEN
Viele Unternehmen glauben, es handle
sich um ein Naturgesetz, dass je größer
der Betrieb ist, desto effizienter könne er
seine Arbeitsabläufe gestalten und desto
billiger könne er einkaufen. Deshalb, so
die gängige Weisheit, bringe jede Über-
nahme oder Fusion unmittelbar positive
Skaleneffekte.
GRÖSSE STÖSST AN GRENZEN
Doch wer
genauer hinschaut, der sieht, wie schnell
man damit an Grenzen stößt. In der Be-
triebswirtschaftslehre nennt sich das
„Grenzertrag“: Mit wachsendem Einsatz
eines Produktionsfaktors, in diesem Fall
Wohneinheiten im Bestand der Immobi-
liengesellschaften, sinkt der zusätzliche
Nutzen, den jede zusätzliche Einheit er-
zielen kann. Peter Papadakos vom Kapi-
talmarktberater Green Street Advisors, der
die Studie durchgeführt hat, kann diesen
Effekt sogar beziffern.
Eine relativ kleine Wohnimmobili-
engesellschaft, die etwa 20.000 Wohn-
einheiten in ihrem Bestand hat, profitiert
noch stark von der Zusammenlegung mit
einer anderen Gesellschaft. Die Aufsto-
ckung um 50.000 weitere Wohnungen
spart ihr ganze 400 Euro proWohneinheit
und Jahr. Eine deutlich größere Immobi-
liengesellschaft, deren Anfangsbestand
schon bei 100.000 Wohneinheiten liegt,
hat nur noch ein Sparpotenzial von 150
Euro pro Jahr und Einheit, wenn sie eine
Vergrößerung um dieselbe Anzahl an
Wohnungen vornimmt. Bei den Riesen,
die oftmehrere 100.000Wohneinheiten in
ihrem Bestand haben, sind die Effekte so
gering, dass Papadakos nicht einmal mehr
Zahlen nennen kann.
Das mag auf den ersten Blick überra-
schend sein, hört man doch immer wieder,
dass das Heil auch der ganz Großen im
Wachstum liegt. Betrachtet man jedoch,
woher die gewünschten Skaleneffekte
kommen sollen, wird schnell deutlich,
warum die Kurve so rasant abflacht. Der
G
rößer, stärker, besser – das scheint das
MottomancherWohnimmobilienge-
sellschaften zu sein. Wo organisches
Wachstum nicht mehr möglich ist, liefern
sie sichÜbernahmeschlachten. Eine große
Hoffnung dabei sind Einsparungen bei
denVerwaltungskosten, die sich durch das
Zusammenlegen der Wohnportfolios er-
geben sollen. Dieses Heilsversprechen er-
füllt sich jedoch keinesfalls zwangsläufig –
imGegenteil: Je größer die Gesellschaften
vor ihrer Vereinigung sind, desto weniger
Nutzen ziehen sie daraus, wie eine neue
Studie gezeigt hat. Statt der Skaleneffekte,
auf die man durch die Zusammenlegung
großer und immer größerer Wohnim-
mobiliengesellschaften hofft, erzielt man
vielmehr einen Sättigungseffekt. Kleine
und mittlere Unternehmen haben dage-
gen einige spezifische Stärken, die bisher
in der Diskussion wenig beachtet wurden.
Ein Verlust für die gesamte Branche, denn
von ihnen können auch die ganz Großen
noch einiges lernen.
Was große Gesellschaften von kleinen
lernen können
Wachstum um jeden Preis?
Dass dies bei Wohnimmobili-
engesellschaften nicht immer
die beste Taktik ist, beweist
eine aktuelle Studie. Denn je
größer ein Unternehmen ist,
desto weniger profitiert es
von Fusionen – und verliert
gleichzeitg wichtige Kom-
petenzen, über die kleinere
Gesellschaften verfügen.
Hochhaus in Köln-Chorweiler: In dem „Problemviertel“ sind andere Sanierungs- und Moderni-
sierungsstrategien gefragt als in gehobenen Wohnlagen.
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