DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 6/2019 - page 57

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Immobilienwirtschaft können in drei Thesen zu-
sammengefasst werden:
1. Die Immobilienwirtschaft benötigt mehr Pro-
zessbewusstsein, -wille und -disziplin.
2. Führungskräfte müssen über IT-Know-how
verfügen, um die richtigen Entscheidungen im
Hinblick auf eine zukunftsfähige Digitalisie-
rungsstrategie treffen zu können.
3. Die Mitarbeiter eines Unternehmens sind ein
zentraler Faktor für den Erfolg einer Soft-
wareeinführung. Deshalb sollten sie frühzeitig
in IT-Projekte einbezogen und in der Einfüh-
rungsphase aktiv begleitet werden.
Prozessbewusstsein, Prozesswillen und
Prozessdisziplin
In verschiedenen Projekten zeigte sich bei ersten
Gesprächen über die inhaltliche und systematische
Ausgestaltung der einzuführenden Software im-
merwieder, dass Immobilienunternehmenmitunter
über keine oder nur eine mangelhafte Dokumen-
tation ihrer Prozesse verfügen. Dazu kommt: Pro-
zessabläufe, die einmal festgelegtwurden, werden
nicht immer aktiv gelebt, weiterentwickelt und an
Veränderungen angepasst. Vor allem bei großen
Unternehmen mit mehreren Niederlassungen gibt
es deshalb häufig keine übergreifenden Standard-
abläufe. Jeder Mitarbeiter erledigt seine Arbeit so,
wie es ihm am sinnvollsten erscheint.
Um dies zu ändern, benötigt die Branche das Be-
wusstsein, dass klar definierte Prozesse zentral
für effektive Arbeit und gleichbleibend gute Ar-
beitsqualität sind, den Willen, Standardabläufe
zu etablieren, sowie die Disziplin, einmal festge-
legte Prozesse konsequent durchzusetzen. Denn
die Ausarbeitung der künftigen Unternehmens-
prozesse ist nur möglich, wenn detailliert über
die bestehenden gesprochen werden kann. Eine
Softwareeinführung kann wiederum nur disku-
tiert werden, wenn festgelegt ist, wie die Abläufe
aussehen, die sie unterstützen soll. Und sie kann
nur funktionieren, wenn die Arbeitsschritte, die
sie betreffen, unternehmensweit vereinheitlicht
und konsequent befolgt werden.
Strategie braucht Know-how
Auch an anderer Stelle bieten sich Ansatzpunkte:
Der Aufwand und die Veränderungen, die umfang-
reiche Softwareeinführungen mit sich bringen,
nehmen maßgeblich Einfluss auf den Erfolg der
Software, also die Optimierung und Effizienzstei-
gerung. Immobilienwirtschaftliche Führungskräf-
te haben i. d. R. zwar enorme branchenspezifische
Kompetenzen und tiefgreifendes Wissen, jedoch
meist weniger stark ausgeprägte IT-Kompetenzen.
Trotzdemmüssen sie die zukunftsweisenden Ent-
scheidungen, die sie imRahmen der Digitalisierung
treffen, verstehen und langfristige Konsequenzen
in teils äußert komplexen Zusammenhängen beur-
teilen können. Nur so sind sie in der Lage, optima-
le Entscheidungen zu treffen. Während es heute
schon äußerst nützlich ist, wird das grundlegende
Verständnis von IT und ERP-Systemen deshalb zu-
künftig einewichtige Qualifikation von Führungs-
kräften der zweiten und dritten Ebene sein.
Die Mitarbeiter sind der Schlüssel
Der vielleicht wichtigste Erfolgsfaktor für eine
neue Software wird viel zu häufig nur am Ran-
de beachtet. Die tägliche Arbeit der Mitarbeiter
ist der eigentliche Gegenstand der betrieblichen
Optimierung durch Digitalisierung: Sie soll ihre
Arbeit effizienter, weniger fehleranfällig und an-
genehmer machen. Sie soll die Prozesse des Un-
ternehmens überprüfbar verbessern, Arbeitszeit
einsparen und neue Potenziale erschließen.
Der denkbar ungünstigste Fall ist, wenn für viel
Geld eine Software eingeführt wird, dieMitarbei-
ter sie aber nicht nutzen und stattdessenweiterar-
beiten wie bisher. Um dies zu vermeiden, müssen
sie die neue Softwarelösung als wirklichen Mehr-
wert sehen, die die Arbeit signifikant erleichtert,
und nicht als Bedrohung, die die Arbeit verändert,
neue Fähigkeiten erfordert oder gar Arbeitsplätze
gefährdet.
Da in vielen Unternehmen bisher allein die IT-
Abteilung für digitale Themen verantwortlichwar,
haben Mitarbeiter sehr unterschiedliche digitale
Kompetenzen (die Bandbreite reicht vomdigitalen
Verweigerer bis zum Hobby-Programmierer) und
tun sich teils sehr schwer, eine neue Software zu
verstehen und zu akzeptieren. UmKenntnisstände
anzugleichen, Ängste abzubauen und Begeisterung
zu erzeugen, müssen Mitarbeiter die Vorteile der
Software erleben können, sowie von Beginn anmit-
genommen, intensiv geschult und langfristig bei
der Stange gehalten werden. Es reicht nicht, zum
Start der Softwareeinführung eine Initialschulung
abzuhalten, die neue Funktionen nur grundlegend
vermittelt: Laufende Schulungen, Nachschulungen
oder Kontrollen in anderer Form sind zentral. Nur
Mobile Anwendun-
gen wie ein Mieter-
cockpit steigern die
Servicequalität und
reduzieren Anzahl
und Bearbeitungszeit
von Mieteranfragen
so wird verhindert, dass Softwarelösungen „ver-
kommen“ und schon nach kurzer Zeit nicht mehr
oder nur in Teilen genutzt werden – und in der Kon-
sequenz für das Unternehmen eine Großinvestition
ohne jeglichen Nutzwert sind.
Die Bedeutung laufender Schulungen und gemein-
samer Weiterentwicklungsinitiativen für den Er-
folg einer Softwareeinführung sind daher nicht zu
unterschätzen. Kosten- und Zeitaufwand können
dabei mit einfachen Mitteln reduziert werden,
indem Nachschulungen z. B. in kleiner Form oder
sogar nur innerhalb regelmäßiger Teambespre-
chungen stattfinden. Wichtig ist nur, dass die Ver-
wendung der Software regelmäßig besprochen,
reflektiert und weiterentwickelt wird.
Betreuung, Unterstützung, Schulung
Anbieter und Dienstleister unterstützen ihre Kun-
den dabei, Softwarelösungen langfristig erfolg-
reich und profitabel einzuführen. So gilt es, allen
Beteiligten die enorme Bedeutung von Prozessbe-
wusstsein, Prozessdisziplin und Prozesswillen zu
verdeutlichen, bestehende Abläufe genau zu über-
prüfen, ggf. neue Standards zu entwickeln und die
Ergebnisse fest imUnternehmen zu verankern. Die
verantwortlichen Führungskräftemüssen intensiv
geschult, für mögliche Probleme und schwierige
Entscheidungen sensibilisiert und während der
gesamten Einführung unterstützt werden.
Um auch die Mitarbeiter, die faktischen Umset-
zer der Digitalisierung, von Anfang an ins Boot zu
holen, empfiehlt es sich, sie in Vorgesprächen, in
der Projektarbeit und bei Testanwendungen aktiv
an der Ausgestaltung der künftigen Software zu
beteiligen. Regelmäßige Workshops und (Nach-)
Schulungen garantieren, dass sie die neue Technik
bis ins Detail verstehen und auch über die Einfüh-
rungsphase hinaus noch ihr Potenzial ausnutzen.
All dies sorgt dafür, dass die notwendigen Verän-
derungen gelebt und die richtigen strategischen
Entscheidungen umgesetzt werden. So wird die
Großinvestition „Softwareeinführung“ amEnde ein
Plusgeschäft, das denArbeitsalltag derMitarbeiter
erleichtert und die Prozesse effizienter macht.
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