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9|2016
MARKT UND MANAGEMENT
die Akademien, die entsprechendeWeiterbildungs-
angebote insbesondere für ältere Arbeitnehmer
entwickeln müssen, die bekanntermaßen anders
lernen als junge Menschen.
Die Branche verzeichnet in den letzten
Jahren eine deutliche Akademisierung.
Macht das Sinn? Es gibt ja nur eine über-
schaubare Anzahl von Führungspositionen.
Dacol:
Eine Führungsposition erfordert nicht un-
bedingt eine akademische Ausbildung und eine
akademische Ausbildung führt nicht zwangs-
läufig zu einer Führungsposition. Das müssen
wir auch den Studenten deutlich machen. Die
fachlichen Anforderungen an die Mitarbeiter
steigen in den Unternehmen aber exponentiell
an; je höher die Funktion im Unternehmen ist,
desto steiler ist die Kurve. Die Unternehmen ha-
ben perspektivisch einen erheblichen Bedarf an
akademisch gebildeten Arbeitnehmern. Analog
zur Weiterbildung zum Fachwirt gilt aber: Akade-
misch ausgebildete Mitarbeiter sind nicht nur in
Führungsfunktionen gefragt. Auch auf fachlicher
Ebene kann eine entsprechende Ausbildung not-
wendig sein. Das müssen die Unternehmen von
Fall zu Fall prüfen.
Eichner:
Wir sollten die akademische Aus- und
Weiterbildung in der Branche auch nicht im Hin-
blick auf eine vermeintlich begrenzte Zahl von
Einsatzmöglichkeiten klein reden. Wenn man
jungen Leuten signalisiert, dass man sie trotz
akademischen Abschlusses möglicherweise nicht
benötigt, werden sie sich eine Tätigkeit in einer
Branche suchen, in der sie meinen, Karriere ma-
chen zu können. Im Zuge des schon laufenden
Generationenwechsels benötigt die Branche
mittelfristig eine erhebliche Zahl akademisch
ausgebildeter junger Menschen. Die Wohnungs-
wirtschaft bietet jungen Menschen hier mehr
Chancen als Risiken.
Gedaschko:
Man sollte nicht zu scharf zwischen
akademischer und nicht-akademischer Aus- bzw.
Weiterbildung trennen. Das ist nicht mehr zeit-
gemäß. Wir müssen Aus- und Weiterbildung als
geschlossenes stufenloses System sehen und die-
ses – wo noch notwendig – dorthin entwickeln. Es
muss einen nahtlosen Weg vom Ausbildungsbe-
ginn bis zum Masterabschluss geben. Auf diesem
Weg kann es auch Abzweigungen – wie z. B. den
Fachwirt – geben. Ein solches System ist attraktiv
und bietet jungen Leuten alle Möglichkeiten, ggf.
schrittweise, ihren beruflichen Weg zu gehen. Es
muss die Möglichkeilt geschaffen werden, auch
nach einer Aus- und Weiterbildungspause wieder
einzusteigen. Das käme der Lebensplanung junger
Leute entgegen und wäre für Mitarbeitergewin-
nung und -bindung heute und in Zukunft wichtig.
Wo sehen Sie noch Verbesserungsbedarf bei
der Aus- und Weiterbildung?
Dacol:
Die Branche verfügt über eine gute Aus-
und Weiterbildung. Die Rechtsverordnungen zur
Ausbildung und zur Fortbildung zumFachwirt sind
eine gute Basis. Die Akademien sind gut aufge-
stellt. Eine noch etwas engere Zusammenarbeit
und eine Harmonisierung der Standards wären
aber wünschenswert.
Das größteManko ist, dass dieWeiterbildungsbe-
darfe aus den Unternehmen nicht schnell und um-
fassend genug bei den Akademien ankommen, so
dass diese schnell und punktgenau durch Aus- und
Weiterbildungsangebote darauf reagieren können.
Das gilt gleichermaßen für die akademische Aus-
bildung. Die Kommunikation zwischen Unterneh-
men und Akademienmuss intensiviert werden. Die
Unternehmen müssen ihre Bedarfe ermitteln und
den Akademien so zeitnahmitteilen, dass diese in
ihren Angeboten darauf schnell reagieren können.
Dann wären wir perfekt.
Eichner:
Dem kann ich nur zustimmen! Wir müs-
sen Prozesse und Mechanismen entwickeln, um
den Informationsfluss zwischen Unternehmen und
Aus- und Weiterbildungsinstitutionen stetig zu
verbessern. Hier sind zunächst einmal die Unter-
nehmer gefragt. Wir müssen unsere Anforderun-
gen identifizieren und zu Papier bringen, damit wir
sie an die notwendigen Stellen richten können. Es
wäre zielführend, wenn Vertreter der Arbeitsebe-
nen in den Unternehmen mit den maßgeblichen
Projektleitern der Akademien in einen stetigen,
institutionalisierten Austausch treten würden. Es
sind die kleine Dinge, die für große Fortschritte
sorgen können ...
Bohleber:
Ich schließe mich an: Gerade für die
Genossenschaften ist es wichtig, an einem solchen
Austausch teilzunehmen. Ein Unternehmen mit
mehreren hundert Mitarbeitern kann einen nicht
so gut ausgebildeten Mitarbeiter eher „durch-
schleppen“ als eine kleine oder mittelgroße Ge-
nossenschaft. Umgekehrt muss auch eine kleine
und mittlere Genossenschaft einem entwick-
lungswilligen jungen Mitarbeiter entsprechende
Entwicklungschancen anbieten. Da die Genos-
senschaften dies regelmäßig nicht in Eigenregie
bewerkstelligen können, ist ein enger Kontakt zu
den Akademien erforderlich.
Was wird das Thesenpapier letztlich
bewirken?
Dacol:
Es führt auf wenigen Seiten die vielen As-
pekte, die wir gerade ansatzweise angesprochen
haben, zusammen und zeigt den Unternehmens-
leitungen den Weg auf, den die Branche bei der
Aus- und Weiterbildung, die wesentlicher Teil
der Personalentwicklung jedes Unternehmens
ist, gehen will. Wir laden die Unternehmen ein,
diesen Weg mit uns zu gehen und zu gestalten.
Das wäre ein wichtiger Beitrag dazu, dem sich
abzeichnenden Fachkräftemangel in der Branche
entgegenzuwirken.
Gedaschko:
Das Thesenpapier macht mit recht
einfachen Worten deutlich, wo wir alle hin müs-
sen. Ich danke denMitgliedern des Personalleiter-
kreises des AGV für die Erarbeitung!
Vielen Dank für das Interview!
Die Antworten notierte Olaf Berger.
Weiterbildung und Qualifizierung sind Schlüssel zum Erfolg. An der sog. Lerninsel, einer Veranstaltung des
VNW, vdw Niedersachsen Bremen und der Aareon AG zur Förderung talentierter Nachwuchskräfte, nahmen
2016 auf der Nordseeinsel Juist 19 angehende Immobilienkaufleute teil
Quelle: Janis Bailitis, Carsten Ens