DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 9/2016 - page 67

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finanzierungszins ergibt sich aus einem vom Kre-
ditgeber angebotenen Zinssatz für eine 10-jährige
Zinsbindung (Anm.: muss als Angebot vorliegen
bzw. dem Unternehmen aktuell bekannt sein).
Damit wird der für das Unternehmen individuel-
le Fremdkapitalzins unter Berücksichtigung der
Bonität sowie der Beleihungssituation herangezo-
gen. Unternehmenwerden den Opportunitätszins
mit Blick auf den Eigen- oder Fremdkapitalcharak-
ter der kumulierten Tilgungsanteile imZeitablauf
individuell auswählen müssen. Damit wird quasi
als notwendige Bedingung (Verfügbarkeit von Li-
quidität) der Opportunitätszins mit Blick auf die
relative Knappheit der Beleihungsreserven eher
„teuren“ Eigenkapitalcharakter oder eben „preis-
werten“ Fremdkapitalcharakter annehmen. Als
hinreichende Bedingung (zukünftige Wirtschaft-
lichkeitsanforderungen) werden Unternehmen
die spezifischen Eigen- und Fremdkapitalanfor-
derungen bei der Wahl des Opportunitätszinses
in Betracht ziehen.
Um eine Vergleichbarkeit von Finanzierungsvari-
antenmit unterschiedlichen Laufzeiten herstellen
zu können, muss zusätzlich eine Festlegung auf
einen einheitlichen Betrachtungszeitraum erfol-
gen. Wird beispielweise eine Finanzierungsvari-
ante mit 10-jähriger Laufzeit mit einer Variante
mit 20- und 30-jähriger Laufzeit verglichen (siehe
Abbildung 1), so sollte auch ein Betrachtungs-
zeitraum von 30 Jahren gewählt werden, da bei
der ersten Variante nach Volltilgung im Jahr zehn
bis zum Jahr 30 weiterhin Opportunitätskosten
berücksichtigt werden müssen.
1
Vgl. Schmalenbach, E.: Kostenrechnung, 1963, S. 6; vgl.
Wöhe, G.; Einführung in die Allgemeine Betriebswirt-
schaftslehre, 2010, S. 926
Weitere Informationen:
un
d
Neubau und Sanierung
Energie und Technik
Rechtssprechung
Haufe Gruppe
Markt undManagement
Stadtbauund Stadtentwicklung
In diesem Modell ist die Finanzierungsvariante
vorzuziehen, die den geringsten wirtschaftlichen
Effektivzins aufweist.
Modell 3: Kapitalwertmethode
In diesem Modell wird eine Kapitalwertmethode
verwandt. Der jährliche Kapitaldienst wird auf
den heutigen Zeitpunkt abgezinst. Der Diskon-
tierungsfaktor basiert auf dem Eigenkapitalzins,
der von dem jeweiligen Unternehmen individuell
anzugeben ist. Somit werden in diesem Modell,
wie im Modell 2, Opportunitätskosten berück-
sichtigt. Der ermittelte Wert ist als „der heutige
Preis für die jeweilige Finanzierungsvariante“ zu
verstehen. Die vorteilhafteste Variante ist diemit
dem geringsten Barwert.
Ergebnisse der GEWOBA-Beispielrechnung
In Tabelle 3 sind die jeweils vorteilhaftesten Finan-
zierungsvarianten der Modelle dargestellt.
ImModell 1 erzeugt die kurze Volltilger-Finanzie-
rungsvariante die niedrigsten Zinsaufwendungen
und ist damit vorteilhafter als die beiden anderen
Alternativen.
ImModell 2 führt der doch eher geringe Opportu-
nitätszins in Höhe von 1,2% (Refinanzierungszins)
zum gleichen Ergebnis wie im Modell 1. Sofern
sich das Unternehmen für einen Opportunitäts-
zins in Höhe einer üblichen Eigenkapitalrendite
(4,0%) entscheidet, würde imModell 2 die Finan-
zierungsvariantemit einer Laufzeit von 30 Jahren
bei Zinsbindungen von 20 und zehn Jahren die
bessere Alternative bieten. Eine steigende Ei-
genkapitalanforderung (Opportunitätszins) führt
demnach zur Wirtschaftlichkeit der langfristigen
Finanzierungsalternative. ImBeispiel der GEWOBA
wechseln die wirtschaftlichsten Finanzierungsal-
ternativen bei Opportunitätszinsen zwischen 2,8%
und 3,7%, was Abbildung 1 zur Sensitivität der
Ergebnisse des Modells 2 in Abhängigkeit von der
Auswahl des Opportunitätszinses zeigt.
ImModell 3 ist die Finanzierungsvariantemit einer
30-jährigen Laufzeit und Zinsbindungen von 20
und zehn Jahren aus heutiger Sicht amwirtschaft-
lichsten einzuschätzen. Dies resultiert daraus,
dass der Barwert der zukünftigen Kapitaldienste
durch eine Verschiebung der entsprechendenMit-
telabflüsse in spätere Jahre zunehmend geringer
ausfällt und damit aus Unternehmenssicht zu
bevorzugen ist.
Die Unternehmen können sich entweder für ein
präferiertes Modell entscheiden oder mit Blick
auf die Empfehlungen aller drei Modelle unter
Berücksichtigung z. B. alternativer Opportunitäts-
zinssätze eine Entscheidung treffen.
Fazit
In Wohnungsunternehmen erfolgt die Auswahl
einer Finanzierungsvariante meist anhand des
günstigsten Angebots der abgefragten Bank. Ne-
ben immobilienwirtschaftlichen Investitionser-
fordernissen unterliegt die Entscheidungsfindung
zur Auswahl der besten Finanzierungsalternative
jedoch weiteren bestimmten Annahmen über
Zinsentwicklung und Opportunitätskosten, die in
denwenigsten Fällen analytisch substantiiert sind
und allein auf den Erfahrungen der handelnden
Personen beruhen. Eine Alternativen umfassende
Systematik zur Auswahl der betriebswirtschaft-
lich sinnvollsten Finanzierungsvariante existiert
hingegen kaum. Die Ableitung einer vom „Bauch-
gefühl“ abstrahierten Zinsmodellierung aus ak-
tuellen und historischen Marktdaten sowie die
Berücksichtigung steuerungsrelevanter unterneh-
mensindividueller Parameter durch den Opportu-
nitätskostensatz werden in dem Modell genutzt,
um unterschiedliche Finanzierungsalternativen
vergleichbar zu machen und eine klare Empfeh-
lung auszusprechen. Damit leistet das vorgestellte
Tool in Zeiten der zunehmenden Bedeutung von
Faktorenwie Transparenz und Nachvollziehbarkeit
finanzwirtschaftlicher Entscheidungsprozesse ei-
nenwesentlichenWertbeitrag imFinanzmanage-
ment deutscher Wohnungsunternehmen.
ABB. 2: SPEZIFISCHE VOR- UND NACHTEILE DER EINGESETZTEN MODELLE
Modell 1:
Vorteile
Nachteile
Modell 3:
Modell 2:
• Simple Methodik
• Keine zusätzlichen Annahmen
vom Unternehmen erforderlich
• Simple Methodik
• Berücksichtigung von Opportuni-
tätskosten
• Gewichtung der Zahlungsströme in
der Zukunft
• Wirtschaftliche Effektivverzinsung
als nachvollziehbare wertorientierte
Steuerungsgröße
• Berücksichtigung von
Opportunitätskosten
• Berücksichtigung der unternehmens-
individuellen Finanzierungssituation
im Opportunitätszins
• Keine Berücksichtigung von
Opportunitätskosten
• Keine Gewichtung der Zahlungs-
ströme in der Zukunft
• Stets Auswahl der Alternative mit
kürzester Laufzeit
• Komplexe Herleitung des Diskon-
tierungsfaktors (Eigenkapital-
rendite)
• Statischer Diskontierungsfaktor
• Komplexes Verfahren zur Auswahl
des Opportunitätszinses
• Starke Abhängigkeit der Ergeb-
nisse vom gewählten Opportuni-
tätszins
1...,57,58,59,60,61,62,63,64,65,66 68,69,70,71,72,73,74,75,76,77,...96
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