DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 9/2015 - page 75

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regelmäßig ein Unterschuss, der vom Staat aus-
geglichen wurde. Die Durchschnittsmiete warm
betrug im Juli 1991 1,07 DM/m
2
.
Großer Handlungsbedarf
Schnell wurde klar, dass nicht einmal die Zahlen
des Wohnungsbestands stimmten; das Unterneh-
men hatte seine ganz eigene Zählweise. Auch die
Energieversorgung nebst Betriebskostenabrech-
nung trieb demerfahrenenWohnungswirtschaft-
ler Schweiß auf die Stirn: Nicht nur, dass 60 bis
80% der Energie schon beim Transport durch die
Überlandleitungen verloren ging; imWinter wurde
die Temperatur über die Fenster reguliert, denn
Thermostatventile gab es nicht. „Gekümmert hat
es keinen, denn dieWärme war billig, die Betriebs-
kosten wurden eher nach Gutdünken ermittelt“,
erinnert er sich.
Eine erste Aufgabe bestand darin, die Mieten
stufenweise an denMarkt heranzuführen und Be-
triebskosten verbrauchsabhängig abzurechnen.
„Ein riesiges Arbeitsvolumen“, erzählt Tibutt,
„denn Unterlagen und Mietverträge enthielten
keine brauchbaren Angaben über Wohnflächen.
Wir haben dann die Bauzeichnungen beim Bezirk
in Erfurt aufgespürt, aber die halfen nicht weiter,
denn beimBauwurde häufig spontan umgeplant.“
In monatelanger Arbeit maß ein halbes Dutzend
VEBA-Bauingenieure gemeinsam mit zwei Dut-
zend Studenten der Hochschule für Architektur
und Bauwesen die Wohnungen aus.
„Im Instandhaltungsbereich war der Rückstau
geradezu erschreckend“, so Tibutt. „Viele Immo-
bilien hatten seit mehreren Jahrzehnten keinen
Handwerker gesehen. Wir haben uns mit örtli-
chen Handwerksbetrieben, die sich gerade neu
gegründet hatten, mehr schlecht als recht durch-
gewurschtelt.“
Wendezeit, besondere Zeit
Die Geschäftsführung der Weimarer Wohnstätte
wurde im Herbst 1991 von einem Kollegen über-
nommen. Noch bis Mitte 1994 leitete Günter Ti-
butt inWeimar die Stadtentwicklungsgesellschaft
zusammenmit einemeinheimischen Kollegen und
pendelte zwischenWohnort undWeimar. Gewohnt
wurde zunächst im Russischen Hof in Zwei- und
Dreibettzimmern. „Sehr gewöhnungsbedürf-
tig“, erinnert er sich. Zum Ausgleich gab es die
„Buschprämie“ von 20%Aufschlag auf das Gehalt.
„Meine Frauwar nicht immer begeistert, wenn ich
Sonntagnachmittag wieder los musste und das
Thema Weimar und Ex-DDR die meisten Gesprä-
che dominierte, aber es war eine unvergessliche,
aufregende und erlebnisreiche Zeit.“
Auch Franz-Heinrich Veuhoff, Abteilungsleiter
bei der VEBA Wohnen-Gruppe in Bochum, zöger-
te nicht lange, als ihm der Vorstand das Angebot
machte, kurzfristig „Entwicklungshilfe“ imOsten
zu leisten, wie man damals sagte. „Da hatte ich
allerdings keinen blassen Schimmer, was da auf
mich zukommen sollte und dass ‚kurzfristig‘ fast
zehn Jahre bedeuten sollten“, betont er.
Grundlagenarbeit und große Unterstützung
ImFrühjahr 1990 fuhr der damals 47-jährige Veu-
hoff mit VEBA-Personalchef Klaus Vitzthumnach
Weimar, viele lange Gespräche wurden geführt,
denn die Aufgabe war gigantisch: Veuhoff sollte
die Kommunalisierung des volkseigenen Grund-
und Immobilienvermögens für das Stadtgebiet
Weimar erledigen. Die erste Ernüchterung kam
schnell. „Zugänglich waren weder Grundbücher
noch Katasterkarten, Pläne, Grundakten, also
nichts, was eine normale Recherche der Eigen-
tumsverhältnisse ermöglichte.“ Beispielsweise
sei eine Großsiedlung der Weimarer Wohnstätte
überhaupt nicht kartiert gewesen. Das Karten-
werk hatte die Qualität einer Wanderkarte und
einen Maßstab von 1:4
.
000 – ohne ein einziges
eingezeichnetes Haus.
„Tröstlichwar, dass wir von allen Seiten unterstützt
wurden“, erinnert sich Veuhoff. Der Oberbürger-
meister Dr. Büttner öffnete alle relevanten Dienst-
stellen, darunter Staatsarchiv und Katasteramt,
das Land Thüringen erteilte einen „Persilschein“
für alle Archive im Land und für das Grundbuch-
archiv in Barby. Alle Behördenwie die Oberfinanz-
direktion Erfurt waren auf kurzem Weg zu errei-
chen, genauso wie der damalige „Papst“ für die
Ostgesetze Dr. Jürgen Schmidt-Räntsch.
Das innerstädtische Gebäudeensemble am Zeppelinplatz der Weimarer Wohnstätte wurde
Mitte der 1930er Jahre erbaut und um die Jahrtausendwende herum behutsam saniert
Quelle: Weimarer Wohnstätte GmbH
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