DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 9/2015 - page 78

MARKT UND MANAGEMENT
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9|2015
Bilanz- und Steuerwissen –
Aktuelles aus den Prüfungsorganisationen des GdW
Mietrechtliche Fragen
bei der Unterbringung von Flüchtlingen
Die Zahl derjenigen, die in Deutschland Zuflucht und Schutz suchen, ist sprunghaft angestiegen.
Notwendig ist daher häufig ein Rückgriff auf bestehende Wohnungen der wohnungswirtschaftlichen
Unternehmen. Daraus ergeben sich einige, vor allem auch mietrechtliche Fragestellungen.
Nach 2008 ist die Zahl der Asylanträge in Deutsch-
land sprunghaft gestiegen. Wurden im Jahr 2008
lediglich 28.018 Asylanträge gestellt, waren es
2014 schon 202.834. Im Jahr 2015 wird die
Zahl der Asylanträge erneut stark ansteigen.
Geschätzt wird, dass Deutschland in diesem Jahr
rund 400.000 Flüchtlinge unterbringen muss.
Verteilt werden sie nach dem sog. Königsteiner
Schlüssel auf die Bundesländer. Dieser Schlüssel
berücksichtigt neben der Einwohnerzahl des Lan-
des das Steueraufkommen. Asylbewerber müs-
sen i. d. R. mindestens drei Monate in der ihnen
zugeteilten Erstaufnahme-Unterkunft wohnen.
Nach dieser Zeit entscheiden die Behörden, wo sie
leben dürfen –meist in Gemeinschafts- oder auch
Obdachlosenunterkünften. Vielfach reichen die
Kapazitäten in den zentralen Erstaufnahmestellen
(ZEA) sowie der Folgeunterbringung nicht aus.
Notwendig ist dann ein Rückgriff auf bestehende
Wohnungen. Hier können gerade Wohnungsun-
ternehmen eine größere Rolle einnehmen. Dies
stellt die Frage nach den rechtlichen, insbesondere
mietrechtlichen Rahmenbedingungen für die Un-
terbringung von Flüchtlingen.
Die Sonderregelung des
§ 549 Abs. 2 Nr. 3 BGB
Asylbewerber und Flüchtlinge sind auf demallge-
meinenWohnungsmarkt benachteiligte Gruppen.
Vermieter wissen nicht, wie lange das Mietverhält-
nis andauert und ob die Miete auch rechtzeitig in
voller Höhe gezahlt werden kann. Natürlich gilt
es auch, sprachliche und kulturelle Barrieren zu
überwinden.
Zur Überwindung der mietrechtlichen Hürden
hilft die Vorschrift des § 549 Abs. 2 Nr. 3 BGB.
Nach dieser Norm gelten die Vorschriften über
die Mieterhöhung und über den Mieterschutz bei
Beendigung des Mietverhältnisses sowie bei der
Begründung von Wohnungseigentum nicht für
Mietverhältnisse über Wohnraum, den eine ju-
ristische Person des öffentlichen Rechts oder ein
anerkannter privater Träger der Wohlfahrtspflege
angemietet hat, um ihn Personenmit dringendem
Wohnbedarf zu überlassen, wenn sie den Mieter
bei Vertragsschluss auf die Zweckbestimmung des
Wohnraums und die Annahme von den genann-
ten Vorschriften hingewiesen hat. Die rechtliche
Konstellation ist die, dass der Vermieter nicht an
den Asylbewerber bzw. Flüchtling vermietet, son-
dern Partei des Mietverhältnisses allein die Per-
son des öffentlichen Rechts oder der Träger der
Wohlfahrtspflege als Hauptmieter ist. Der Asylbe-
werber ist also Untermieter und steht allein mit
demHauptmieter in einer rechtlichen Beziehung.
Mietparteien im Sinne des § 549 Abs. 2 Nr. 3 BGB
Hauptmieter können zunächst die Körperschaf-
ten und Anstalten des öffentlichen Rechts sein.
Dies sind Gemeinden und Gemeindeverbände,
die Landkreise, die Landeswohlfahrtsverbän-
de, die Kirchen und kirchlichen Organisationen
sowie die Stiftungen des öffentlichen Rechts.
Entscheidend ist, dass diese nicht privatrechtlich
organisiert sind. Die anerkannten privaten Träger
der Wohlfahrtspflege sind unabhängig von ihrer
Rechtsform einer juristischen Person gleichge-
stellt. Hierzu zählen in erster Linie die Verbände
der freien Wohlfahrtspflege im Sinne von § 10
BSHG. Genannt seien das Diakonische Werk der
Evangelischen Kirche in Deutschland e.V., der
Deutsche Caritasverband e.V., der Deutsche Pa-
ritätische Wohlfahrtsverband e.V., das Deutsche
Rote Kreuz e.V., die Arbeiterwohlfahrt – Bun-
desverband e.V., die Zentralwohlfahrtsstelle der
Juden in Deutschland e.V., der Deutsche Blinden-
verband e.V. und v. a. m. Die Ausnahmevorschrift
gilt nur für Wohnräume, die von den genannten
Organisationen angemietet sind. Die Vorschrift
gilt nicht für eigenen Wohnraum. Hier ist es je-
dochmöglich, dass eine Gemeinde eine Wohnung
Carsten Herlitz
Justiziar
GdW
Berlin
RECHTLICHE KONSTELLATION
Eigentümer/Vermieter
(Wohnungsunternehmen)
Hauptmieter/Zwischenvermietung
(z. B.: Kommune)
Untermieter (Flüchtling)
1...,68,69,70,71,72,73,74,75,76,77 79,80,81,82,83,84,85,86,87,88,...100
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