DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 9/2015 - page 77

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9|2015
Diese Zeit hat meinen Horizont
sicherlich erweitert
Nach der Wende entwickelten sich oftmals rasch Patenschaften
und Partnerschaften zwischen ost- und westdeutschen Institutionen
und Unternehmen, i. d. R. aus den Partnerstädten, -regionen und
-ländern. In der Wohnungswirtschaft wurde meist im Rahmen von
Personaltransfers in die ostdeutschen Unternehmen Unterstützung
und Aufbauarbeit geleistet. Erinnerungen von Klaus Graniki.
Als Klaus Graniki im Jahr 1975 das erste Mal auf einem Aussichtsturm
an der Bernauer Str. im französischen Sektor des geteilten Berlins
stand, war der Grund noch eine Schulabschlussfahrt.
20 Jahre später stand der inzwischen zum Immobilienfachmann ge-
wordene junge Mann dann exakt auf der anderen Seite der ehemaligen
Berliner Mauer im vormals russischen Sektor. Dieses Mal allerdings
hatte es ihn aus anderen Gründen nach Ostdeutschland verschlagen:
Als Prokurist der WIP Wohnungsbaugesellschaft im Prenzlauer Berg
mbH übernahm er 1995 als Leiter der Hausbewirtschaftung genau
die Bestände, die er als Jugendlicher von der anderen Seite der Mauer
wahrgenommen hatte. „Aufgrund der Zusammenführung der Bestände
der ehemaligen kommunalen Wohnungsverwaltungen in Berlin waren
wir für 75.000 Wohneinheiten zuständig. Im Osten der Stadt haben wir
fachliche und personelle Aufbauarbeit geleistet und die Umwandlung
der KWV in funktionsfähige Wohnungsgesellschaften unterstützt“,
erinnert er sich.
Doch diese Aufgabe stand am Ende einer Entwicklung. Begonnen
hatte es ganz anders – nämlich am 20. Juli 1991, dem Tag, als Berlin
zur Bundeshauptstadt wurde.
Zu dieser Zeit war Graniki als Mitarbeiter von VEBA-Immobilien bei der
damaligen Treuhand-Anstalt eingesetzt. Die Trennung von Vermögens-
werten wie Wohnungen, Parteien- und Gewerkschaftsvermögen,
Kasernen und alte Industrieflächen waren Herausforderungen, die beim
schwierigen Übergang vom alten ins neue Wirtschaftssystem zu leisten
waren. Graniki, der den Beruf des Kaufmanns der Grundstücks- und
Wohnungswirtschaft bei VEBA-Immobilien erlernt und sich dort
empfohlen hatte, wurde kurzerhand zu der 1992 in Gründung befind-
lichen Weimarer Wohnstätte abgeordnet.
Die Zusammenstellung des Anlagevermögens für die Eröffnungsbilanz
und die Einführung der Datenverarbeitung waren die ersten Heraus-
forderungen zur Gründung des Unternehmens, die von Hanns Wilhelm
Große-Wilde, dem damaligen Vorstand von VEBA-Immobilien, initiiert
und begleitet wurden.
Für Klaus Graniki war es eine anstrengende, aber spannende Zeit:
Er pendelte zwischen Düsseldorf und seiner neuen Arbeitsstelle hin
und her, lebte mehr im Zug und seiner Gästewohnung in Berlin als in
seinem eigentlichen Zuhause.
„Es fehlte damals vor allem der Überblick. Die Bestände mussten wir
erst einmal kennenlernen und uns überlegen, wie der Übergang hin
zu einer ordentlichen Tätigkeit als Wohnungsunternehmen nach den
neuen Regeln funktionieren konnte“, erinnert er sich. Welche Zäsur
die Wiedervereinigung für Ostdeutschland bedeuten würde, sei ihm
erst damals wirklich klar geworden. „Wir haben von den Menschen
erwartet, dass sie sich mal schnell auf unsere Denkweise umstellen“,
so Graniki. Schnell habe man jedoch erkannt, dass die Dinge im Osten
nach einem großem System funktionierten und auf ihre eigene Art
organisiert und durchdacht waren. Beide Seiten konnten voneinander
lernen.
„Ein schönes Beispiel war der sog. Territoriale Grundschlüssel (TGS)“,
erklärt er. Der eigentliche TGS bestand seit 1976 aus 10 Ziffern:
Drei Ziffern standen für den Wohnbezirk. Die folgenden zwei Ziffern
bezeichneten die Straße bzw. den Straßenabschnitt im Wohnbezirk.
Danach folgten drei Ziffern für die Haus-/Grundstücksnummer und
eine Ziffer für die alphabetische Unterteilung der Haus-/Grundstücks-
nummer (so stand z. B. 004 2 für die Hausnummer 4 b). „Wenn man
das ‚Aufeinander zugehen‘ verstanden hatte, konnte man mit großer
Anerkennung zielorientiert und schnell zu beachtlichen Ergebnissen
kommen“, betont er.
Weiter ging es für Graniki kurz darauf in die Lutherstadt-Wittenberg,
wo er auf Fritz-Peter Schade, den späteren Verbandsratsvorsitzenden
des Verbandes der Wohnungswirtschaft Sachsen-Anhalt, traf, den er
noch zu DDR-Zeiten im Hause VEBA-Immobilen kennengelernt hatte.
Nun unterstützte Klaus Graniki für jeweils einige Monate die Witten-
berger Wohnungsbaugesellschaft mbH und die Weimarer Wohnstätte
GmbH beim Aufbau einer wohnungswirtschaftlichen IT.
Heute ist Klaus Graniki längst wieder in den Westen zurückgekehrt
und Geschäftsführer des kommunalen Dortmunder Wohnungsunter-
nehmens DOGEWO21. An seine Zeit in Ostdeutschland erinnert er sich
gerne: „Spannende Jahre mit vielen Herausforderungen, viele neue
Bekanntschaften und Kontakte sowie neue Eindrücke. Diese Zeit hat
meinen Horizont sicherlich erweitert.“
RÜCKBLICK
Quelle: DOGEWO21
Andreas Winkler
Pressesprecher
Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft
Rheinland Westfalen e. V.
Düsseldorf
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