DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 9/2015 - page 70

MARKT UND MANAGEMENT
Aktivitäten in den neuen Bundesländern
Selber wirtschaftlich aktiv wurde die Baugenos-
senschaft ›Wiederaufbau‹ eG in den neuen Bun-
desländern erst in den Jahren 1994 und 1995. Es
war für Aufsichtsrat und Vorstand relativ schnell
klar, dass die ›Wiederaufbau‹ als eine der größten
Wohnungsgenossenschaften in Norddeutschland
und in der Region beim Aufbau Ost nicht abseits
stehen konnte. Der Bereich der eigenen Investi-
tionen wurde genau festgelegt: ein Halbkreis von
Harzburg bis Quedlinburg, von Wolfenbüttel bis
Halberstadt und von Braunschweig bis Magde-
burg. Die neuen Immobilien in diesem Bereich
konnten von den Standorten Helmstedt und Goslar
mit betreut werden.
Der damalige Aufsichtsratsvorsitzende Dietrich
Fürst sagt: „Es gab nur eine einzige Ausnahme,
das war Calbe. Da ein damaliges Vorstandsmit-
glied aus Calbe stammte, wäre uns der Vorstand
fast ‚ausgebüchst‘“, erinnert er sich. Jedoch sei
Hilfe der besonderen Art angemessen gewesen.
„Es wurde dann doch alles schnell abgesprochen
und genehmigt. Und Calbe hat uns sehr viel Freude
gemacht, das war ein gutes Investment.“
Für das Engagement in Sachsen-Anhalt war die
Gründung der ›Wiederaufbau‹ Immobilien GmbH
im Nachhinein ein Glücksfall. Sie konnte dort das
operative Geschäft betreiben, was sich als sehr
erfolgreich erwies. Der Bestand der ›Wiederauf-
bau‹ in Quedlinburg, Halberstadt, Blankenburg,
Calbe und Magdeburg belief sich in den Folgejah-
ren auf bis zu 721 Wohnungen und 28 Garagen.
Das Unternehmen investierte 8,7Mio. € in seinen
Wohnungsbestand in Sachsen-Anhalt.
Dabei hat sich die Baugenossenschaft ›Wiederauf-
bau‹ eG immer vor den Entwicklungen schützen
können, die durch die Politik der Unterstützung
und der Zuschüsse ausgelöst wurde und die zu
vielen Fehlinvestitionen führte. Auchwenn es ver-
einzelt zu Irrtümern kam - etwa bei Einschätzung
der von den Bürgern in den neuen Bundesländern
gewünschtenWohnformen: Während bei imWes-
ten damals wie heute große Altbauwohnungenmit
hohen Decken dem Mieterwunsch entsprachen,
wollten die Mieter in Sachsen-Anhalt Neubau-
wohnungen. Eine Erkenntnis, auf die man sich
strategisch schnell einstellte.
Erfolge und Herausforderungen
So sieht JoachimBlätz, der heutige Vorstandsvor-
sitzende der Baugenossenschaft ›Wiederaufbau‹
eG, die Unternehmensstrategie seiner Vorgänger
im Rückblick durchaus positiv. Für ihn sind die
Neubauaktivitäten sehr erfolgreich umgesetzt
worden und bis heute habe die Baugenossenschaft
nahezu keinen Leerstand in ihren Wohnungen in
Sachsen-Anhalt. Natürlich seien die Auswirkungen
der demografischen Entwicklung zu spüren. Auch
fändenmanche damals erworbenen und teilsanier-
ten Immobilien aus den verschiedensten Gründen
Meine Herren, wie haben Sie den Mauerfall
sowie die Monate davor und danach erlebt?
Wedekin:
Der überraschende Mauerfall war zu-
erst einmal politisch aufregend, aber auch eine
sehr emotionale Zeit, voller Hoffnung und voller
Freude. Wir sind ja noch die Generation, die Besat-
zungszeit und Teilung miterlebt haben. Die Wie-
dervereinigung war dann eine wunderbare Zeit.
Wirtschaftlich war ich von Anfang an skeptisch,
skeptischer als die Politik, die wahrscheinlich aus
gutem Grund nach außen hin sehr optimistisch
auftrat.
Fürst:
Ich denke, es hat damals niemand von uns
daran geglaubt, dass es noch einmal eineWieder-
vereinigung gebenwürde. Wir als Braunschweiger
Interview mit Joachim Blätz, Dietrich Fürst und Werner Wedekin
„Obwohl nicht alles immer optimal gelaufen ist, wird uns
niemand die Freude an der Wiedervereinigung nehmen können“
Als vor 25 Jahren die Mauer fiel, sahen sich der damalige Aufsichtsratsvorsitzende der Braunschweiger
Baugenossenschaft ›Wiederaufbau‹ eG Dietrich Fürst und der Vorstandsvorsitzende Werner Wedekin vor
ganz neue unternehmerische Entscheidungen gestellt. Wie kann die ›Wiederaufbau‹ ihrem Namen gerecht
werden und sich am Wiederaufbau des Wohnungswesens in der ehemaligen DDR beteiligen? Ein Gespräch
mit den beiden Zeitzeugen und dem aktuellen Vorstandsvorsitzenden Joachim Blätz.
Dietrich Fürst und Joachim Blätz
Werner Wedekin
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9|2015
Quelle: Wiederaufbau
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