MARKT UND MANAGEMENT
72
9|2015
25 Jahre Wiedervereinigung
„Die Unsicherheit war riesengroß, alles war neu“
Nach der Wiedervereinigung mussten die Wohnungsunternehmen im Osten neu strukturiert werden.
Unterstützung kam von vielen westdeutschen Wohnungsunternehmen in Form fachlicher und kollegialer
„Aufbauhilfe“. Drei Zeitzeugen aus dem Gebiet des VdW Rheinland Westfalen erinnern sich an eine
schöne, anstrengende und aufregende Zeit. Ein sehr persönlich geprägter Rückblick.
Die Wiedervereinigung änderte die rechtlichen
und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für
die Wohnungsunternehmen im Osten abrupt,
eine vollkommene Neustrukturierung stand an.
Viele westdeutsche Wohnungsunternehmen
leisteten „Aufbauhilfe“. Ein Blick zurück auf die
große partnerschaftliche, kollegiale, fachliche
Unterstützung lohnt – und z. B. ein Gespräch mit
Zeitzeugen über ihren Einsatz bei der Kommuna-
len Wohnungsverwaltung Weimar, der heutigen
Weimarer Wohnstätte GmbH.
Günter Tibutt, Niederlassungsleiter der VEBA
Immobilien AG in Bochum und damit für 22.000
Wohnungen verantwortlich, hatte nicht gerade
einen langweiligen Job. Dennoch griff er sofort
zu, als das Angebot kam, nach Weimar zu gehen,
um dort die Kommunale Wohnungsverwaltung in
westdeutsche Arbeitsweisen und Rechtsnormen
zu überführen. „Etwas Abenteuerlust war dabei,
ich hatte Spaß daran, in dieser einmaligen Situa-
tion etwas völlig Neues zu machen“, sagt Tibutt
rückblickend.
Am 2. Weihnachtstag 1990 ging es mit Sack und
Pack von Gladbeck nach Weimar, das Auto bis un-
ters Dach vollgestopft mit Büromaterialien. Für
die 420 kmbrauchte er sehr lange, eine Erfahrung,
die Tibutt und seine Kollegen noch häufigmachen
sollten: „Alle Welt verspürte damals den Drang in
den Osten, umGeschäfte zumachen. Häufig stan-
denwir stundenlang festgekeilt imStau und haben
sogar auf der A 4 gewendet – die Mittelstreifen
waren noch offen – um uns über die Dörfer nach
Weimar durchzuschlagen.“
Unsicherheit am Anfang,
große Kollegialität später
Der erste Arbeitstag begann mit dem Kennen-
lernen der Belegschaft. „Alle waren angespannt
und unsicher“, erinnert sich Tibutt. Wenig später
wurde der Betriebsdirektor abgerufen und Günter
Tibutt wurden die Geschäfte übertragen. Dann
hat er sich eingearbeitet in das Unternehmen, in
das Zahlenwerk, in Arbeitsvorgänge, Mitarbei-
terschaft, die Zusammenarbeit mit anderen Un-
ternehmen. „Ein 12-Stunden-Tag und mehr – das
war normal. Die Unsicherheit war riesengroß, fast
alles war neu. Und mit der Sondergesetzgebung
für die neuen Länder gab es überhaupt keine Er-
fahrungen.“
Die Personalchefin führte ihn in das Abrechnungs-
systemgegenüber demZentralstaat ein. In einem
großen Journal waren dieMieteinnahmen notiert,
denen die Kosten gegenübergestellt waren. We-
gen der stark subventionierten Mieten entstand
THEMA DES MONATS
Sabine Richter
freie Immobilienjournalistin
Hamburg
Der Vorstand von VEBA-Immobilien, Hanns Wilhelm Große-Wilde (l.),
und Franz-Heinrich Veuhoff (r.) in den 1990er Jahren
Quelle: privat
Günther Tibutt in einer fast fertig gestellten Ladengalerie eines (nicht-wohnungs-
wirtschaftlichen) Bauvorhabens der VEBA Immobilien AG am Markt in Weimar
Quelle: privat