DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 9/2015 - page 81

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einer allgemein üblichen Vermietung am freien
Markt unter seriösen Partnern vereinbart wer-
den könnte, und
• wenn der für die Unterbringung von Asyl-
suchenden und Kriegsflüchtlingen genutzte
Anteil in dem jeweiligen Wohngebäude nicht
überproportional hoch ist (Orientierungswert
je nach Objekttyp 10 bis 25%).
Es ließen sich weitere Positionen und Kriterien
benennen. Für die Zwecke dieses Beitrags dürfte
die Arbeitsdefinition hinreichend sein.
Wie funktioniert es in Pirna?
Träger der hoheitlichen Aufgabe der Unterbrin-
gung von Asylsuchenden und Kriegsflüchtlingen
ist der Landkreis; dieser hat die Aufgabe auf ein
spezialisiertes Unternehmen als Betreiber über-
tragen. Dieser Betreiber, der auch zentrale Unter-
künfte unterhält, hat bei der WGP ein Kontingent
von Wohnungen zur dezentralen Unterbringung
angemietet. Die Vermietung erfolgt zu marktüb-
lichen Konditionen und Rahmenbedingungen. Die
WGP hat sich vertraglich weitgehende Kontroll-,
Informations- sowie Interventionsrechte gesi-
chert. Aufgrund guter Erfahrungen mit dieser
Lösung und der erfolgreichen Zusammenarbeit
mit dem Betreiber hat die WGP das Kontingent
bereits mehrfach aufgestockt. Die WGP ist dabei
Jeden Mai findet in Pirna der „Markt der Kulturen“ statt, zu dem Migranten und Asylbewerber eingeladen und in dessen Durchführung sie eingebunden
sind. Ziel ist es, Verständigung und interkulturellen Austausch im Landkreis zu fördern sowie die Zivilgesellschaft zu stärken
ausschließlich Vermieter und erbringt keine Be-
treiber- und/oder Betreuungsleistungen. Es wird
ferner keine Ausstattung mit vermietet.
Zu denwesentlichen Bedingungen der WGP für das
Zustandekommen des Vertrages mit dem Betrei-
ber gehörte die Begrenzung der Belegung für jede
einzelne der bereitgestellten Wohnungen (siehe
Kasten auf S. 81). Die Unterbindung von Überbele-
gungen ist ein zentraler Aspekt für eine erfolgrei-
che Umsetzung einer dezentralen Unterbringung.
Die Grundlage ist – und nur in diesem Fall ist dies
hilfreich – „ausreichender“ Leerstand. Die Asyl-
suchenden und Kriegsflüchtlinge „nehmen also
niemandem etwas weg“ und verursachen keine
Verknappung von kostengünstigem Wohnraum.
Dieses Thema wird in angespannten Wohnungs-
märkten mit Nachfrageüberhang sicher deutlich
schwieriger zu lösen sein als in Pirna.
Zurzeit sind bei der WGP ca. 200 Asylsuchende
und Kriegsflüchtlinge in 54 Wohnungen mit ca.
3.500 m
2
Wohnfläche untergebracht. Je nach ak-
tueller Belegung stehen pro Bewohner imDurch-
schnitt ca. 17 m
2
Wohnfläche zur Verfügung. Eine
weitere Wohnung wird als Büro genutzt.
Welche Probleme gibt es?
Es gibt eine Reihe von Themen, die einer beson-
deren Aufmerksamkeit bedürfen:
• die Vielfalt der Nationalitäten, Ethnien und
Religionen,
• das Verbrauchsverhalten bei Wasser und Hei-
zung,
• Langeweile und abweichender Tageszyklus,
• (Groß-)Familien versus einem hohen Anteil
junger Männer
• und die Frage, ob und inwieweit der günstige
Wohnraum in einem sog. sozialen Brennpunkt
liegt.
Diese Themen sind, wenn man von dem erstge-
nannten Punkt absieht, überwiegend die gleichen
Probleme, die auch mit einer Reihe anderer Mie-
ter bestehen, unabhängig davon, ob sie nun als
Deutsche geboren wurden und in Deutschland
aufgewachsen sind oder nicht.
Die eigene Belegschaft mitnehmen!
In der WGP gab es bereits Erfahrungen zu Fragen
der interkulturellen Zusammenarbeit, da schon
seit längerer Zeit Wohnungen an Asylsuchen-
de, Aussiedler etc. vermietet werden. Deutlich
gestiegen sind zwischenzeitlich die Anzahl der
bereitgestellten Wohnungen und die Vielfalt der
Nationalitäten, Ethnien und Religionen bei den
untergebrachten Personen. Eine große Anzahl
von Mitarbeitern wurde geschult, um sich auf die
neuen Anforderungen einstellen zu können.
Quelle: Aktion Zivilcourage e.V. Pirna, Foto: Benjamin Jenak
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