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9|2015
Interview mit Dieter Cordes
„Wir haben wohl damals gemein-
sam vieles richtig gemacht“
Die Aufgaben in den neuen Ländern nach der Wende waren groß. So galt es z. B., in den Städten Sanierungs-
träger aufzubauen, um u. a. die historischen Altstadtbereiche zu sanieren. Ein Rückblick mit Dieter Cordes,
langjähriger Vorstandsvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Sanierungs- und Entwicklungsträ-
ger (ADS) und Vorsitzender des Fachausschusses Stadterneuerung und -entwicklung beim GdW sowie von
2003 bis 2013 Geschäftsführer der kommunalen GBH Hannover.
THEMA DES MONATS
Quelle: GBH
Lieber Herr Cordes, Sie blicken auf eine ereig-
nisreiche wohnungswirtschaftliche Karriere
zurück, waren u. a. Vorsitzender des Fachaus-
schusses Stadterneuerung und -entwicklung
beimGdWsowie 26 Jahre bei der kommunalen
„Bremischen“ tätig, zuletzt als Geschäftsfüh-
rer, und Mitte der 1990er Jahre Chef der kom-
munalen WBG Marzahn in Berlin.
Sie verbrachten auch eine interessante Zeit als
Stadterneuerer in Rostock. Wie kam es dazu,
dass Sie von Bremen an die Ostseewechselten?
Rostock war schon zu DDR-Zeiten Partnerstadt
der Hansestadt Bremen. Nach der Wende wurde
der partnerschaftliche Austausch umaktive Bera-
tungshilfe auf staatlicher und betrieblicher Seite
ergänzt und ausgeweitet. InWestdeutschlandwar
die kommunale Bremische Gesellschaft für Stadt-
erneuerung, Stadtentwicklung und Wohnungs-
bau ein förmlich anerkannter Sanierungsträger
der ersten Stunde. Nach Einführung der Städte-
bauförderung Anfang der 1970er Jahre erwarb
der Träger umfassende Expertise in der Durch-
führung komplexer Stadterneuerungsaufgaben.
Dieses Wissen sollte jetzt der Partnerstadt Rostock
zugänglich gemacht werden.
Zunächst hospitierten Fachleute aus Rostock bei
der „Bremischen“ und lernten deren organisato-
rischen Strukturen und Arbeitsweise kennen. Die
beiden Städte vereinbarten den Aufbau einer ei-
genen kommunalen Sanierungsträgergesellschaft
für Rostock. Dabei galt es zu berücksichtigen, dass
der rasche Wandel auf allen Ebenen und in allen
Bereichenweder lange Einarbeitung noch Aufbau-
zeiten zuließ. Deshalb wurde die neue Rostocker
Gesellschaft für Stadterneuerung zunächst als
Zweigniederlassung der „Bremischen“ gegründet
und war somit direkt arbeitsfähig. Die Bremische
übertrug mir im Einvernehmen mit Rostock die
Niederlassungsleitung in Rostock, die ich paral-
lel zu meinen Bremer Aufgaben übernahm. Von
Montag bis Mittwoch arbeitete ich in Rostock, der
Rest der Woche galt den Aufgaben in Bremen. Das
funktionierte damals mit nur zwei Telefonleitun-
gen, ohne Handys oder Internetverbindungen und
ohne direkten Autobahnanschluss über Lübeck.
Was waren Ihre Aufgaben? War Ihre „Aufbau-
arbeit“ damals strukturierend, organisierend
oder konkret planend, anpackend – in dem
Sinne, dass die historische Altstadt vor dem
Verfall gerettet werden musste?
Die Altstädte der DDR waren zuWendezeiten lan-
desweit in einemdramatischen Zustand. Der Staat
hatte seine ganze Aufbaukraft in die Großwohn-
siedlungen gesteckt. Die öffentliche Infrastruktur
in den Altstädtenwar desolat und die privaten und
kommunalen Altbauwohnbestände waren zu gro-
ßen Teilen kaum noch bewohnbar.
In Rostock bot sich uns westdeutschen Fachleuten
ein differenzierteres Bild. Rostock als ein Haupt-
reiseziel der DDR-Urlauber wurde ähnlichwie Ost-
berlin baulich besser gefördert. Man hatte schon
zu DDR-Zeiten große Anstrengungen zum Erhalt
bzw. zumWiederaufbau in der Altstadt unternom-
men. ImPlanungsamt der Hansestadt waren quali-
fizierte Ingenieure und Altstadtexperten tätig, auf
deren planerische Expertise die neue Trägergesell-
schaft durch deren Übernahme in die privatwirt-
schaftlichen Strukturen der Zweigniederlassung
der „Bremischen“ zurückgreifen konnte.
Die Arbeitsteilung zwischen Bremen und Rostock
sah vor: Bremen leitet, stellt die betriebswirt-
schaftliche Struktur sicher, formuliert die För-
deranträge und hilft bei der Einarbeitung in die
bundesdeutsche Fördergesetzgebung, die neuen
Rostocker Kollegen der „Bremischen“ planen und
bauen; jetzt aber mit moderner Technologie und
ausreichenden Finanzmitteln.
Damals waren ja viele Experten und Berater
aus demWesten im Einsatz. Kamman sich da
nicht in die Quere?
Mecklenburg-Vorpommern wurde nach bundes-
weiter Zuordnung der westdeutschen Partner-
länder von Schleswig-Holstein beraten. Das galt
auch für die Städtebauförderung. Gleich zwei Kie-
ler Sanierungsträger und andere westdeutsche
MARKT UND MANAGEMENT