DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 9/2015 - page 66

MARKT UND MANAGEMENT
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9|2015
raumvergabe zur Wahrnehmung des Mieters als
Kunden kennzeichnet diese Zeit und die mit ihr
verbundenen Umbrüche ebenfalls. Der Übergang
der Wohnungswirtschaft zumodernenWohnungs-
gesellschaften musste rasch vollzogen werden.
Auf die Schnelle wurden Förderprogramme (u. a.
das 100.000-Dächer-Programm) ebenso wie die
Grundmietenverordnungen, die Betriebskosten-
verordnung und das Vergleichsmietensystem
umgesetzt. Die Unternehmen waren dadurch in
der Lage, denWohnungsbestand ordnungsgemäß
zu bewirtschaften.
Restitutionsansprüche
auf rund 70.000 Wohnungen
Mit Blick auf die Entwicklung insbesondere der
Innenstädte muss der im Einigungsvertrag fest-
gelegte Grundsatz „Rückgabe vor Entschädigung“
als großer Fehler gewertet werden.
Tausende Restitutionsanträge blockierten eine
sinnvolle und vor allem schnelle Sanierung von
Wohngebäuden in den Innenstädten. So muss-
ten die kommunalen Wohnungsgesellschaften
(im Laufe der letzten 25 Jahre) insgesamt rund
70.000 Wohnungen an Alteigentümer rücküber-
tragen. Über einige Anträge ist sogar bis heute
noch nicht abschließend entschieden. Wären diese
Objekte in der Bewirtschaftung der kommunalen
Wohnungsgesellschaften geblieben, sähe heute
manche Innenstadt anders aus und eine große
Anzahl an Neubauten auf der „grünen Wiese“ vor
den Städten und Gemeinden hätte nicht gebaut
werden müssen.
Das Fördergebietsgesetz und die Eigenheimzulage
verschärften diesen Effekt. Letztlich entstandwe-
gen der Steuervorteile – und trotz des erkennbar
beginnendenWohnungsleerstandes – zu viel Neu-
bau, meist auch mit zu hohen Baukosten. Je nach
Lage standen diese Neubauten später vielfach leer.
Privatisierung im Rahmen
der Altschuldenhilfe
Die Kurzformel „Altschuldenhilfe nur gegen Priva-
tisierung und Modernisierung der Bestände“ war
bezüglich der Modernisierungsumlage für die
Wohnungswirtschaft kein Problem. Allerdings
verlangte das Altschuldenhilfegesetz (AHG) auch
die Privatisierung von 15%der Wohnungsbestän-
de – zunächst vorrangig anMieter. Da dies nicht so
recht funktionierte – nur wenige Mieter wollten
z. B. ihre Plattenwohnungen kaufen –, wurden
weitere Regelungen geschaffen.
Sie sahen die Bildung von sog. „Neu-Genossen-
schaften“ (auch als Herausgründungen aus be-
stehenden Genossenschaften), Zwischenerwer-
bermodelle oder den paketweisen Verkauf an
Finanzinvestoren vor und wurden als „Privatisie-
rung“ im Sinne des Gesetzes gewertet. Aber auch
über Veräußerungen an Zwischenerwerber war das
15%-Ziel nicht erreichbar. Die sog. Nichtvertre-
tensregelung (eine Privatisierung insbesondere
an Mieter war trotz intensiven Bemühens des
Wohnungsunternehmens nicht erreichbar) er-
möglichte dann, Altschuldenentlastung doch zu
gewähren.
Insgesamt wurden rund 30.000Wohnungen durch
die kommunalenWohnungsgesellschaften privati-
siert. Allerdings traten damit neue Eigentümer auf
den regionalen Märkten auf, die oft nicht im Sin-
ne der bei kommunalen Wohnungsunternehmen
üblichen Standards der Bewirtschaftung und Be-
standshaltung arbeiteten. Ihre Geschäftsmodel-
le und ihr nur kurzfristig ausgerichtetes Agieren
führten zu erheblichen Problemen in den Quartie-
ren. Manche abgewirtschafteten Bestände sind bis
heute sichtbare Beispiele dafür – und es ist zu be-
fürchten, dass sich eines Tages die Allgemeinheit
bzw. die Kommunen dieser annehmen müssen.
Abriss im Rahmen des Stadtumbaus
Der Verbandstag 1996 der kommunalen Woh-
nungsgesellschaften Sachsen-Anhalts trug das
folgerichtige Motto „Der Mieter als Kunde“. Der
infolge der Abwanderungstendenzen und vieler-
orts stattfindenden Neubauaktivitäten drohende
Anstieg der Wohnungsleerstände war jedoch be-
reits greifbar. Als infolge vieler Konferenzen und
der Ergebnisse der Kommission „Wohnungswirt-
schaftlicher Strukturwandel in den neuen Bundes-
ländern“ (Lehmann-Grube-Kommission) im Jahr
2002 das Städtebauförderungsprogramm„Stadt-
umbau Ost“ wirksamwurde, war der Leerstand in
Sachsen-Anhalt bereits auf 61.600 Wohnungen
angestiegen.
Die demografische Entwicklung machte nicht
nur den Abriss von Wohnungen erforderlich, um
verödete Wohnquartiere zu verhindern, sondern
ermöglichte auch die gezielte und strategische
Entwicklung und Aufwertung von Stadtteilen und
Städten – eine Aufgabe, die ohne die verlässlich
agierenden Unternehmen der bestandshaltenden,
professionellen Wohnungswirtschaft als Partner
der Kommunen nicht möglich gewesenwäre. Diese
Unternehmen trugen eine Hauptlast des Stadt-
Demografischer Wandel
Herausforderungen
Quelle: VdW Sachsen-Anhalt
Wohnungsbestand 2014
185.000 WE
Abriss 2002-2014
ca. 45.000 WE
Leerstand 2014
14,9%
Investitionen 2014
206,7 Mio. €
Anteil voll- bzw. teil-
modernisierter WE 2014
90%
VDW SACHSEN-ANHALT
Quelle: VdW Sachsen-Anhalt
Weitere Informationen:
Neubau und Sanierung
Energie und Technik
Rechtssprechung
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Stadtbauund Stadtentwicklung
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