Controller Magazin 3/2019 - page 77

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Das Vier-Stufen-Evaluationsmo-
dell zur ganzheitlichen Evaluation
von Fortbildungsmaßnahmen
In der Literatur werden seit geraumer Zeit weit
mehr als 20 verschiedene Evaluationsmodelle
diskutiert, die sich allesamt mit einer ganzheitli-
chen Evaluation von Fortbildungsmaßnahmen
beschäftigen (vgl. hierzu u. a. Stufflebeam,
2003; Phillips, 1996; Hamblin, 1974). Die grund-
legenden Gedanken dieser Modelle basieren je-
doch alle auf dem Vier-Stufen-Evaluationsmodell
nach KIRKPATRICK, das die Wirkung einer Fort-
bildungsmaßnahme fokussiert (vgl. Kirkpatrick/
Kirkpatrick, 2006, S. 3). KIRKPATRICK schlägt
dabei die Unterscheidung von vier Evaluations-
stufen vor: Zufriedenheit der Teilnehmer, Lerner-
folg, Transfererfolg und Unternehmenserfolg (vgl.
Kirkpatrick/Kirkpatrick, 2006, S. 21). Diese sind
als aufeinanderfolgende Stufen zu betrachten:
Stufe 1 – Zufriedenheit (Reaction)
Eine effektive Evaluation durchgeführter Fort-
bildungsmaßnahmen beginnt bei der Evaluie-
rung der Reaktion der Teilnehmer, deren sub-
jektive Zufriedenheit gemessen werden soll
(vgl. Rädiker, 2013, S. 95; Schöni, 2009, S.
118; Kirkpatrick, 1979, S. 81). Stufe eins des
Evaluationsmodells nach KIRKPATRICK be-
schäftigt sich deshalb mit der Frage „How do
trainees react to the program, or better, what is
the measure of customer satisfaction?“ (Kirk-
patrick/Kirkpatrick, 2005, S. 5). Zur Operatio-
nalisierung der Zufriedenheit wird üblicherwei-
se ein standardisierter Fragebogen herangezo-
gen, der am Ende einer Veranstaltung den Teil-
nehmern ausgegeben wird (vgl. Lohaus/
Habermann, 2011, S. 144; Weiß, 2007, S. 37;
Kirkpatrick/Kirkpatrick, 2006, S. 27). Dies ent-
spricht weitgehend dem bereits genannten
„Happiness Sheet“, das standardisierte Rück-
meldungen zu den Themen Relevanz der Inhal-
te, Gestaltung der Veranstaltung, Kompetenz
des Referenten, Lernatmosphäre etc. erfasst.
Freie Kommentare und Vorschläge von Seiten
der Teilnehmer können hiermit ebenfalls erho-
ben werden (vgl. Rädiker, 2013, S. 95).
Stufe 2 – Lernerfolg (Learning)
„What principles, facts, and techniques were un-
derstood and absorbed by the conferees?“
(Kirkpatrick, 1979, S. 82). Mit der Beantwortung
dieser Frage beschäftigt sich Stufe zwei des
Evaluationsmodells. Fokussiert wird demnach
die Ermittlung des tatsächlichen Lernerfolgs, der
infolge einer Fortbildungsmaßnahme zu ver-
zeichnen ist (vgl. Hölbling/Stößel/Bohlander,
2010, S. 14). Der Lernerfolg beschränkt sich da-
bei nicht auf den Erwerb von Wissen, sondern
kann sich auch auf die Änderung von Einstellun-
gen und/oder die Entwicklung von Fähigkeiten
beziehen (vgl. Kirkpatrick/Kirkpatrick, 2006, S.
22; Kirkpatrick/Kirkpatrick, 2005, S. 5). Die
Operationalisierung von Stufe zwei unterschei-
det sich nach dem jeweiligen Inhalt der Fort­
bildungsmaßnahme. So eignen sich zur Be­
urteilung erlernter Fähigkeiten sogenannte
„Performance Tests“, die Demonstrationen,
Rollenspiele o. Ä. beinhalten. Die Evaluation er-
worbenen Wissens und veränderter Einstellun-
gen dagegen erfolgt meist durch den Einsatz
klassischer Tests (z. B. Klausuren oder mündli-
che Examina), die im Anschluss einer Maßnahme
stattfinden (vgl. Kirkpatrick, 1979, S. 82-85).
Stufe 3 – Transfererfolg (Behavior)
Stufe drei des Evaluationsmodells nach KIRK-
PATRICK evaluiert, ob und inwiefern die vermit-
telten Inhalte einer Fortbildungsmaßnahme in
der täglichen Arbeitssituation Anwendung fin-
den (vgl. Lohaus/Habermann, 2011, S. 143;
Gerlich, 1999, S. 42). Somit steht die Ermitt-
lung des Ausmaßes, in dem Verhaltensände-
rungen infolge einer Maßnahme zu beobachten
sind, im Vordergrund (vgl. Kirkpatrick/Kirkpa-
trick, 2006, S. 22). Die zur Operationalisierung
des Transfererfolgs üblichen Evaluationsinstru-
mente umfassen eine Kombination aus Selbst-
und Fremdeinschätzungen, Gespräche mit den
Teilnehmern selbst, Beurteilungen durch Vor-
gesetzte oder Arbeitsplatzbeobachtungen (vgl.
Hölbling/Stößel/Bohlander, 2010, S. 15).
Stufe 4 – Unternehmenserfolg (Results)
Stufe vier des vorliegenden Evaluationsmodells
versucht die Auswirkungen von Fortbildungs-
maßnahmen auf der Unternehmensebene zu
erfassen (vgl. Hölbling/Stößel/Bohlander, 2010,
S. 15). Als Results sind dabei die endgültigen
Effekte zu verstehen, die sich auf den Unterneh-
menserfolg ergeben. Beispiele hierfür sind die
Steigerung der Umsätze oder sinkende Kosten
(vgl. Kirkpatrick/Kirkpatrick, 2006, S. 25).
Die Ermittlung des Unternehmenserfolgs, der
auf die Teilnahme an einer Fortbildungsmaß-
nahme zurückzuführen ist, gestaltet sich als
extrem komplex, wenn nicht sogar als unmög-
lich, da der Erfolg eines Unternehmens stets
von zahlreichen, sich wandelnden Faktoren ab-
hängig ist. Eine Verbesserung der Resultate ist
deshalb nur bedingt mit einzelnen Maßnahmen
zu begründen (vgl. Kirkpatrick, 1979, S. 89).
Die Wirkungsmessung auf dieser Ebene wird
zudem dadurch erschwert, dass Erfolgsfakto-
ren wie z. B. konjunkturelle Entwicklungen oder
Produktinnovationen eine deutlich höhere Rele-
vanz haben. Stufe vier des vorliegenden Evalu-
ationsmodells ist somit kaum operationalisier-
bar und wird in der nachfolgenden Betrachtung
ausgeklammert. Die übrigen Stufen sind jedoch
in höchstem Maße relevant und bedürfen zu-
künftig der Umsetzung (vgl. Abbildung 1).
KIRKPATRICK im Zeitalter der
Digitalisierung
Insbesondere die von KIRKPATRICK beschrie-
bene Stufe eins kann ohne größere Anstren-
gungen „digitalisiert“ werden. Dazu können die
bestehenden Beurteilungsbögen herangezogen
Abb. 1: Die vier Evaluationsstufen nach KIRKPATRICK
CM Mai / Juni 2019
1...,67,68,69,70,71,72,73,74,75,76 78,79,80,81,82,83,84,85,86,87,...116
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