Controller Magazin 3/2019 - page 69

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samt weniger beansprucht zu fühlen und aus
einer verbesserten Fähigkeit zur Selbstregula­
tion Kraft zu schöpfen.
Körperliche Auswirkungen
von Stress
Stress kann sich auf mehreren Ebenen auswir-
ken, so z. B. auf kognitiver, emotionaler und
physiologischer Ebene, aber auch im Bereich
des Verhaltens. Konzentrationsschwierigkeiten,
Schlafstörungen oder Nervosität erscheinen als
mögliche Symptome und führen nicht selten zu
letztlich frustranen Kompensationsversuchen
(erhöhter Koffein- und Nikotin- oder auch Alko-
holkonsum). Gelingt der physiologische Rhyth-
mus zwischen Wachen und Schlafen nicht
mehr, versuchen wir „nachzuhelfen“, indem wir
das „Aufwachen“ durch vermehrte Stimulanti-
en und das „Einschlafen“ durch Alkohol oder
Schlaftabletten erzwingen wollen. Während wir
kurzfristig „Erfolge“ mit solchen Maßnahmen
erzielen, scheinbar konzentrierter und wacher
am Tag sind und durch Sedativa zunächst wie-
der schneller einschlafen, zeigen sich die Aus-
wirkungen des Stresses im weiteren Verlauf je-
doch eine Stufe tiefer: chronische Erschöp-
fungszustände, schließlich kardiovaskuläre
Erkrankungen, Magen-Darm-Beschwerden,
Rückenschmerzen, psychische Erkrankungen
wie Angststörungen oder Depressionen können
die Folge sein.
„Controllers“ physiologischer
Regelkreis
Ein komplexes Zusammenspiel von zentralem
und vegetativem Nervensystem hilft uns, kör-
perliche Regulationen in Stresssituationen zu
controllen. Dabei unterscheiden wir verschie-
dene Regelkreise. Unter Stress laufen zunächst
viele Informationen im sogenannten Thalamus
zusammen, der zum „Limbischen System“ des
Gehirns zählt. Das limbische System ist u. a. für
emotionale Bewertungen von Reizen verant-
wortlich und kann z. B. Wut, Trauer oder Angst
auslösen. Vom Thalamus gelangen Informatio-
nen entweder über den Neo-Kortex oder auch
direkt zu den Amygdalae (Mandelkerne), die
ebenfalls zum limbischen System zählen. Über
absteigende Nervenbahnen werden nun Areale
des Stammhirns aktiviert, das – wie der Name
schon vermuten lässt – zu den entwicklungs-
geschichtlich ältesten Anteilen unseres Gehirns
gehört und Funktionen mitreguliert, die für das
„blanke Überleben“ verantwortlich sind. In den
Nervenkernen des Stammhirns wird ein wichti-
ger Neurotransmitter gebildet, Noradrenalin,
der schließlich die
Sympathikus-Nebennie-
renmark-Achse
aktiviert. Damit kommt ein
Organ ins Spiel, das für die Stressregulation es-
sentiell ist, die sogenannte Nebenniere, eine
kleine Hormondrüse, die dem oberen Ende der
Niere wie eine Schaltzentrale aufsitzt. Wenn
der Volksmund sagt „Das geht mir an die Nie-
ren!“, so wird damit eine tiefe physiologische
Wahrheit angesprochen. Das Nieren-Neben-
nierensystem ist ein hoch sensibles Organsys-
tem. Nieren und Nebennieren sind direkt an der
Blutdruckregulation beteiligt und damit an dem
Tonus, der Anspannung unserer Blutgefäße.
Fassen wir die bisher dargestellten pysiologi-
schen Prozesse zusammen, könnte man sagen:
Wir sind vom Thalamus ausgehend nun endgül-
tig in den „innersten Kammern“, im „Wohnzim-
mer“ unseres Körpers angelangt, dem Herz-
Kreislaufsystem. Ein Zuviel an Sinneseindrü-
cken, nervaler und psychischer Stress hinter-
lassen Fingerabdrücke im Innersten des
Körpers, wir bewegen uns im Risikobereich.
Denn eine anhaltende Anspannung der Blut­
gefäße resultiert in einem erhöhten Blutdruck,
der wiederum das Risiko für Schlaganfälle und
Herzinfarkte steigert.
Wie reagiert ein Controller,
wenn er Risiken erkennt?
Bevor wir dieser Frage nachgehen, wenden wir
uns zunächst nochmals den Control-Mechanis-
men unseres Körpers zu. Bei anhaltendem
Stress werden weitere Regelkreise aktiviert.
Unterhalb des Thalamus, von dem bereits die
Rede war, liegt der sogenannte Hypothalamus,
eine Schaltzentrale wichtiger übergeordneter
Hormone. Dort wird das Corticotropin-Relea-
sing-Hormon (CRH) ausgeschüttet, das über
das Blutgefäßsystem zur Hypophyse (Hirnan-
hangsdrüse) gelangt und dort die Sekretion des
Adrenokortikotropen Hormons (ACTH) anregt.
ACTH wiederum gelangt über das Blut zur Ne-
bennierenrinde. Diesmal wird also nicht das
Nebennierenmark aktiviert (in dem die Kate-
cholamine Adrenalin und Noradrenalin gebildet
werden), sondern die Nebennierenrinde, in der
Cortisol, das sogenannte „Stress-Hormon“, ge-
bildet wird. Cortisol gehört zu den Glukokortiko-
iden (Kortex = lateinisch die Rinde, Kortikoide
= „Rinden-Hormone“). So wie eine Rinde den
Baum schützt, so schützen uns unsere „Rin-
den-Hormone“. Gerät jedoch die Ausschüttung
der Kortikoide in ein Übermaß und ist nicht
mehr controlled, so treten Nebenwirkungen auf
und wir laufen ins Risiko. Die Glukokortikoide
verbinden die
Hypothalamus-Hypophysen-
Nebennieren-Achse
u. a. mit dem Immunsys-
tem und können dadurch das Immunsystem
hemmen. Somit führen vermehrte Cortisol-
Ausschüttungen (un-controlled) im Dauerstress
schließlich auch zur Schwächung unseres Ab-
wehrsystems.
Controlling durch Sympathikus
und Parasympathikus
Neben den beiden bisher dargestellten Control-
Mechanismen unseres Körpers, der Sympathi-
kus-Nebennierenmark-Achse (Thalamus ->
Amygdala -> Stammhirn -> Nebennierenmark
-> Katecholamine wie Adrenalin und Noradre-
nalin) und der Hypothalamus-Hypophysen-
Nebennierenrinden-Achse (Hypothalamus ->
Hypophyse -> Nebennierenrinde -> Glukokorti-
koide wie Cortisol), sei nun zuletzt ein weiterer
Regelkreis des autonomen Nervensystems
vorgestellt, der den großen Vorteil hat, dass er
bewusst besser beinflusst werden kann und
uns damit die Möglichkeit gibt, uns auch auf
leiblicher Ebene besser zu controllen.
Beim vegetativen Nervensystem unterschei-
den wir zwei große „Gegenspieler“, den Sym-
pathikus und den Parasympathikus. Verein-
facht gesagt steht der Sympathikus für alle ak-
tivierenden, „wach“ und „alert“ machenden,
der Parasympathikus dagegen für beruhigen-
de, regenerierende Prozesse. Der angelsäch-
Dieser Artikel beruht auf einem
Vortrag
zum
gleichnamigen Thema, den der Autor beim
Controller Congress
des Internationalen
Controller Vereins eV am
13. Mai 2019
in
München hält.
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