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JR:
All das anzustoßen und erfolgreich zu be-
gleiten, vielleicht auch gerade dann, wenn es
dem Unternehmen nicht schlecht, sondern sehr
gut geht, benötigt nicht nur Methode, sondern
auch Persönlichkeit und Kraft. Wie gelingt es
denn, die Führungskräfte im Unternehmen mit-
zunehmen?
Watz:
Wenn ich es einmal ein bisschen flapsig
sagen darf, Führungskräfte sind auch Mitarbei-
ter, wenn auch in einer etwas exponierteren
Position. Sie haben die gleichen Vorbehalte
bezüglich Veränderungen, nämlich Ängste, Un
sicherheiten und ggf. Verständnisprobleme be-
dingt durch unterschiedliche Rollen und
Perspektiven. Auch hier ist es natürlich so,
dass, wenn man neue Wege geht, diese erar-
beitet und damit Verständnis schafft, dadurch
Ängste abbaut und aus meiner Sicht so viele
Kollegen/Innen mitnimmt, wie es überhaupt nur
geht.
Veränderungskompetenz sollte nicht
nur siloartig im Controlling aufgebaut wer-
den, sondern im gesamten Unternehmen,
bei jedem Mitarbeiter. Im Idealfall unterstützt
die GF einen Kompetenzaufbau vom Führungs-
kreis bis zur Sachbearbeiterebene. So kann
man jeden Mitarbeiter mit auf die Reise neh-
men. Dann wird es, glaube ich, rund.
JR:
Das heißt, es gilt eine Haltung im Unterneh-
men zu erzeugen, die Menschen diesen Verän-
derungsprozessen offen gegenüberstehen und
Impulse dazu liefern lässt?
Watz:
Ja genau. Wenn ich von großen Projek-
ten betroffen bin, die vielleicht meinen Arbeits-
platz und mein Umfeld komplett verändern,
dann ist das nicht einfach. Aber dieser Change
kommt sowieso. Die Frage ist, wie gehe ich
damit um? Mit welcher inneren Haltung, mit
welcher Einstellung? Und wenn ich Change als
etwas Konstantes begreife, das schon immer
passiert ist und auch zukünftig immer passie-
ren wird und ich genau das als positive Mög-
lichkeit sehe, etwas aktiv und zukunftsorientiert
zu entwickeln, dann bin ich auf einem guten
Weg. Es geht immer darum, Ängste und Be-
findlichkeiten abzubauen.
JR:
Herr Rauch, jetzt haben wir über die
Change-Kompetenzen etwas gehört. Die Ver-
änderungen für Führungskräfte im Unterneh-
men werden auch von Schlagworten wie Self
der Vermittlung zwischen Menschen von hoher
Bedeutung, nicht nur die Expertise. Wir setzen
uns zum Beispiel mit Mikrobiologen zusammen,
die uns natürlich in ihrem Wissensgebiet mei-
lenweit überlegen sind. Wir versuchen aber, ein
Miteinander zu finden. Wir versuchen zu verste-
hen, was treibt den Fachbereich, und umgekehrt
versuchen wir zu vermitteln, was treibt uns und
warum sind gewisse finanzielle Aspekte und
Sachverhalte jetzt notwendig.
JR:
Haben Sie ein konkretes Beispiel von Ver-
änderungsprozessen für uns?
Watz:
Da gibt es eine ganze Reihe. Eines da-
von betrifft im Moment das ganze Unterneh-
men Vetter. Wir arbeiten an einem zentralen,
bereichsübergreifenden Projekt-Portfolio-An-
satz. Dieser soll einheitlich für alle Vetter-Pro-
jekte gelten, mit einer klaren Priorisierung, Ka-
pazitätsplanung und finanziellen Bewertung
der Projekte. Darin spiegeln sich alle Aspekte,
die in jedem klassischen Change-Prozess auf-
tauchen, wider. Man kann die Chancen sehen
und die neuen Wege, die man gehen muss.
Aber es gibt natürlich auch eine Menge Be-
findlichkeiten oder Bedenken. Ein weiteres
Thema von zentraler Bedeutung ist ein strate-
gisches Projekt bei Vetter. Es geht um die Fra-
ge, wie die Kultur von Vetter im Jahr 2025
aussehen soll. Hier kommen verschiedene As-
pekte zusammen. Wir diskutieren über Digita-
lisierung, Innovation, Arbeitgeberattraktivität
und Führungsverhalten. All das prägt natürlich
im Unternehmen die Kultur. Allein durch das
Hinzukommen neuer junger Mitarbeiter und
die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt ver-
ändert sich die Kultur zwangsläufig, ob wir
wollen oder nicht. Hier können erhebliche
Spannungen zwischen dem „Neuen und dem
Alten“ entstehen. Daher wird es sehr interes-
sant und ein Thema über Jahre, weil es Zeit
braucht, bis sich eine neue Unternehmenskul-
tur entwickelt. Es ist schlicht nicht möglich,
hier ein Projekt aufzusetzen und es z. B. 2021
abzuschließen. Ein weiteres aktuelles Thema
ist der Punkt Werttreiber. Hier möchten wir die
wesentlichen Treiber identifizieren und ein dy-
namisches Modell aufbauen. Im Idealfall hof-
fentlich auch einmal durch unser BI-System
unterstützt. Das sind Themen, an denen wir im
Moment arbeiten und die sehr wichtig für das
Unternehmen sind.
suchen, Problemlösungen oder Lösungsan-
sätze zu finden. Das ist das Grundverständnis,
wie wir als Business Partner agieren. Das
heißt also, es geht nicht darum, als isolierter
Analytiker zu denken, sondern als Teil des
Management Teams zu agieren. Dazu berei-
ten wir Business-Partner-Entscheidungen auf.
Von mir bekommt bereits jeder Junior-Con
troller vermittelt,
dass eine Analyse ohne
eine Handlungsempfehlung oder einen
Lösungsansatz nicht denkbar ist
. Natürlich
ist es auch so, dass ein Fokus dieser Beratung
auf der Vermittlung von relativ komplexen fi-
nanziellen Sachverhalten liegt oder Erforder-
nissen aus finanzieller Perspektive des Unter-
nehmens. Das heißt also, ein zentrales Thema
im Controlling ist die Kommunikation. Dieser
kommt eine ganz erhebliche Bedeutung zu.
Das ist eigentlich unser Kerngeschäft und
führt zu Verständnis und Akzeptanz auf Ma-
nagementebene und umgekehrt. Ein Change
ergibt sich dann durch den Willen und auch
die Notwendigkeit der permanenten Optimie-
rung und Verbesserung von Prozessen. Das
ist nicht neu. Der Controller war hier schon
immer aktiv. Ich glaube, was im Moment das
Thema Change Agent treibt, ist, dass versucht
wird, Akzeptanz für notwendige Veränderun-
gen zu schaffen. Die bringt oftmals Ängste mit
sich. Wir versuchen Akzeptanz durch Verste-
hen zu erzeugen, warum wir neue Wege ge-
hen müssen, welchen Mehrwert diese bieten
und was das für die Organisation, die Mitar-
beiter oder die Führungskräfte bedeutet. Die
Bedeutung des sinnvollen Umgangs mit Ver-
änderungen ist durch das hohe Tempo und die
hohe Dynamik der Digitalisierung gestiegen.
Das führt dazu, dass man hier einfach stärker
erklären muss. Es ist natürlich leicht zu sagen
„das ist der technische Fortschritt“, aber es
nützt nichts, wenn ich die Menschen, die Or-
ganisation dahinter nicht mitnehmen kann.
Wir sind mit unserem Change-Prozess auf ei-
nem vielversprechenden Weg angekommen,
weil wir versuchen, die Chancen zu sehen,
ohne die Risiken auszublenden.
JR:
Das heißt, insbesondere die Qualifikation
in Soft Skills ist für Ihre Mitarbeiter von hoher
Bedeutung?
Watz:
Die ist elementar wichtig. Das Fachliche
wird quasi vorausgesetzt. Soft Skills sind bei
Differenzierte Rollen im Controlling