Controller Magazin 3/2019 - page 76

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Kaum ein Thema beschäftigt die Unternehmen
derzeit so stark wie die digitale Transformation
in all ihren Erscheinungsformen. Hierunter wird
die sprunghaft steigende Verwendung von „Er-
möglichertechnologien“ verstanden, die auf
neuen Generationen von Sensorik, dem Inter-
net of Things, künstlicher Intelligenz, selbstler-
nenden Algorithmen, Big Data, Data Mining
und Virtual bzw. Augmented Reality beruhen.
Auf Basis dieser „Ermöglichertechnologien“ ist
eine Reihe von Anwendungstechnologien ent-
standen, die derzeit die digitale Transformation
bestimmen. Hierzu gehören vor allem:
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Industrie 4.0, d. h. sich selbst steuernde
Produktion und Logistik
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Neue physische Roboter sowie virtuelle Bots
(RPA – Robotic Process Automation)
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Auf künstliche Intelligenz gestützte Business
Analytics / Advanced Analytics
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3D-Druck und 3D-Scan
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Autonomes Fahren
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Neue, digital getriebene Mobilitätskonzepte
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Kryptowährungen
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Smart Contracts
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Digitale Lern- und Personalentwicklungs-
Konzepte
Die Digitalisierung birgt dabei weitreichende
Risiken, aber ebenso große Chancen. Vor al-
lem, um die Chancen durch neue Geschäfts-
modelle und durch den Einsatz neuer Techno-
logien nutzen zu können, sind die Fähigkeiten
der Beschäftigten an die Herausforderungen
anzupassen. Die oben genannten Technologi-
en werden dazu führen, dass sich nahezu alle
Beschäftigtengruppen dauerhaft und perma-
nent werden fortbilden müssen. Doch nicht
nur die aufgezeigten technologischen Entwick-
lungen bewirken, dass Personalentwicklungs-
Maßnahmen immer mehr an Bedeutung ge-
winnen. Auch gesellschaftliche Trends, die
sich z. B. im Rahmen des demografischen
Wandels und globaler Migrationswellen erge-
ben, sind hierbei zu beachten.
Fortbildung rückt in den Fokus
des HR-Bereichs
Dies wird dazu führen, dass die Personalent-
wicklung, und hierbei insbesondere das Thema
Fortbildung, in den Fokus des HR-Bereichs
rückt. Bereits heute investieren deutsche Un-
ternehmen jährlich knapp 1.100 € in die Perso-
nalentwicklung eines jeden Mitarbeiters (vgl.
Seyda/Placke, 2017, S. 11). Doch es bleibt in
den meisten Fällen unklar, ob diese Investitio-
nen gut angelegt sind. Angesichts der Höhe der
Personalentwicklungskosten erscheint eine ge-
zielte Evaluation der Maßnahmen als unabding-
bar. Damit rückt der Controllinggedanke in den
Mittelpunkt der Betrachtungen.
Status Quo des Personalentwick-
lungs-Controllings in deutschen
Unternehmen
Eine systematische und tiefgreifende Wir-
kungsanalyse von Fortbildungsmaßnahmen ist
in der betrieblichen Praxis derzeit kaum vorzu-
finden. Fortbildungsmaßnahmen werden nur
oberflächlich evaluiert und analysiert, die Ver-
wendung von Controllingdaten zur verbesser-
ten Steuerung der Personalentwicklung unter-
bleibt jedoch größtenteils. Ein professionelles
Personalentwicklungs-Controlling findet somit
nicht statt. Vielmehr erfolgt die Bewertung an-
gesprochener Maßnahmen mittels sogenann-
ter „Happiness Sheets“. Darunter werden Be-
urteilungsbögen verstanden, die die subjektive
und unmittelbar nach einer Veranstaltung
empfundene Zufriedenheit auf Seiten der Teil-
nehmer erheben. Die Beurteilungsbögen wer-
den den Teilnehmern dabei häufig noch in der
klassischen Papierform vorgelegt. Seltener ist
die Abwicklung in elektronischer Form vorzu-
finden. Eine anschließende Auswertung abge-
gebener Beurteilungen findet in der Mehrzahl
der Fälle entweder gar nicht oder mit Hilfe von
Excel-Sheets statt, indem einfache Durch-
schnittswerte ermittelt werden, die jedoch kei-
nerlei Rückschlüsse auf die tatsächliche Qua-
lität einer Fortbildungsmaßnahme ermögli-
chen. Der Einsatz kausalanalytischer Statistik
oder von Business Analytics zur Generierung
erklärender, prognostizierender oder normati-
ver Aussagen ist noch weitgehend unüblich.
Auch verbale Kommentare, die mit Hilfe von
Beurteilungsbögen erhoben werden, werden
meist nur „implizit“ verwertet, d. h. durchgele-
sen und nur niederschwellig „gedanklich“,
nicht aber systematisch verarbeitet. Somit
wird die Ermittlung der langfristigen, wirt-
schaftlich relevanten Wirksamkeit von Maß-
nahmen derzeit noch gänzlich vernachlässigt.
Betrachtet wird lediglich die subjektive, zeit-
punktbezogene Befindlichkeit der Teilnehmer.
Aufgrund eben genannter Tatsachen ist es
auch nicht ungewöhnlich, dass sich daraus er-
gebende Steuerungsmaßnahmen zu oft darauf
beschränken, einen Trainer zukünftig weiter zu
engagieren oder ihn durch einen anderen zu
ersetzen. Dies verwundert insbesondere des-
halb, da bereits im Jahre 1959 von dem US-
amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler
Donald L. KIRKPATRICK ein umfassendes Eva-
luationsmodell entwickelt wurde, das auf die
differenzierte Erfassung der Wirksamkeit von
Fortbildungsmaßnahmen abzielt (vgl. Kirk­
patrick, 1959a, S. 3-9; Kirkpatrick, 1959b,
S. 21-26; Kirkpatrick, 1960a, S. 13-18; Kirk-
patrick, 1960b, S. 28-32).
Digitalisierung im
Personalentwicklungs-Controlling
von Martin Plag und Jennifer Schnell
Digitalisierung im Personalentwicklungs-Controlling
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