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Knapp 70 Prozent der globalen Führungskräfte
und Finanzexperten gehen davon aus, dass ihr
Unternehmen schon einmal eine wichtige
Geschäftsentscheidung auf Basis ungenauer
Finanzdaten getroffen hat. Das hat im letzten
Jahr eine globale Untersuchung
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des Markt
forschungsinstituts Censuswide ans Licht ge-
bracht. Zudem gaben 39 Prozent der befragten
Führungskräfte und Finanzexperten an, dass die
Fehlerakzeptanz in unserer technologiegetrie-
benen Welt abnehme. Was bedeutet das für das
Controlling und Accounting in Unternehmen?
Zum einen lässt es vermuten, dass der Prozent-
satz der Entscheidungen, die von falschen Zah-
len ausgehen, in früheren, analogen Zeiten
noch höher gewesen sein dürfte. Zum anderen
macht es deutlich, dass der Erwartungsdruck
auf den Controller zunehmend wächst – nicht
nur von Seiten des CFO. Mit dem alten Control-
ler-Sprichwort „lieber ungefähr richtig als haar-
genau falsch“
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wird man im Controlling des 21.
Jahrhunderts kaum noch argumentieren kön-
nen. Schließlich ist die digitale Transformation
inzwischen auch im Finanz- und Rechnungs
wesen angekommen. Und das hat Folgen.
Der Technologiefortschritt hat das Controlling
schon heute auf vielen Ebenen verändert und
steckt dabei dennoch in den Anfängen. Viele
CFOs, Chief Controller und Chief Accountants
müssen heute nicht nur mehr verfügbare Daten
verarbeiten. Sie haben darüber hinaus auch viel
mehr und ganz neues Datenmaterial, das sie in
ihre Controlling-Prozesse einbinden müssen.
Das liegt daran, dass andere Abteilungen, be-
dingt durch die Digitalisierung, zusätzliche Daten
und Kennzahlen erzeugen, die der moderne
Controller einordnen und auswerten muss.
Schon allein durch diese zunehmende Daten-
menge, sowie deren Vernetzung untereinander,
ergibt sich eine Komplexität, die sich mit den
althergebrachten Arbeitsweisen nicht mehr be-
wältigen lässt.
Infolge dessen ändert sich auch das Selbstver-
ständnis und Rollenbild des Controllers. Immer
mehr kommt ihm eine strategische und vor al-
lem gestaltende Rolle zu – und die klassischen,
administrativen Aufgaben treten in den Hinter-
grund. Umso wichtiger ist es, dass der Control-
ler sich nicht nur mit seinen Zahlen befasst,
sondern auch über den Tellerrand hinwegsieht
und Einblick in andere Abteilungen nimmt. Erst
dann ist es leichter, die Zahlen, die er vom
Accounting bekommt, einzuordnen und zu in-
terpretieren. Jens Ropers von der Controller
Akademie folgt dieser Vorstellung und unter-
scheidet drei mögliche Rollenbilder: den Data
Engineer, Data Scientist und Data Analyst
3
. In
welche dieser Richtungen sich ein Controlling-
Mitarbeiter entwickeln wird, hängt aus Ropers‘
Sicht von verschiedenen Faktoren ab. Grund-
sätzlich aber sieht er, wie viele andere auch, ei-
nen dahingehenden Trend, dass das Controlling
weit darüber hinausgeht, was in der Vergan-
genheit gemacht wurde: Controlling blickt nicht
mehr nur zurück, sondern fokussiert sich zu-
nehmend mehr auf die Gestaltung der Zukunft.
Eine Studie von PwC unterstreicht die verän-
derte Rolle des Finanzwesens. Demnach glau-
ben 86 Prozent der befragten Finanzchefs,
dass die datengestützte strategische Beratung
der Geschäftsführung bis zum Jahr 2025 der
größte Wertbeitrag des Finanzbereichs sein
wird. Uwe Rittmann, Leiter Familienunterneh-
men und Mittelstand bei PwC glaubt sogar,
dass die Finanzexperten durch die Digitalisie-
rung noch mehr zum Sparringspartner der
CEOs werden und wahrscheinlich sogar ein
festes Tandem mit dem CEO bilden.
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Datenvalidität hat höchste Priorität
Der zentrale, wichtigste und immer weiter zu-
nehmende Treiber dieser Veränderung ist Big
Data – also die Zahlen, die sich aus den ver-
schiedenen Unternehmenssystemen ziehen
lassen und deren Analyse Grundlage für Ent-
scheidungen ist. Gleichzeitig nimmt aber auch
das Bewusstsein hinsichtlich ihrer Validität zu.
Ergo: Wenn es darum geht, aus diesen Daten
noch mehr Schlüsse für die Zukunft zu ziehen,
dann müssen Unternehmen klare Strukturen
schaffen, die konsequent die Richtigkeit der In-
formationen als oberste Maxime haben. Dem-
entsprechend hoch sind die Qualitätsanforde-
rungen an das Daten- und Zahlenmaterial,
welches das Controlling vom Accounting be-
zieht. Unternehmen, die dabei weiter nach ei-
ner Art Werkzeugkastenprinzip
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verfahren und
für jedes Problem im Rechnungswesen oder
Controlling auf eine einzelne isolierte Lösung
setzen, werden mit ihrem Ansatz scheitern. Sie
müssen sich öffnen und auf eine zentrale Platt-
form setzen, die sowohl für das Accounting als
auch für das Controlling der Dreh- und Angel-
punkt ihrer Arbeit ist.
Um einen echten Mehrwert zu schaffen, muss
diese Plattform sowohl Transaktionen als auch
Analysen abdecken. Sie sollte verschiedenste
Dateitypen unterstützen und alle notwendigen
Schnittstellen haben, damit die Daten automa-
tisch und korrekt im Accounting bzw. Control-
ling eingehen. Die größte Herausforderung ist,
dass diese Plattform, trotz aller Komplexität,
die Daten in verständliche Informationen um-
Smarte Prozesse, valide Zahlen und
neue Erkenntnisse
Controlling und Accounting der nächsten Generation
von Ulrich Müller
CM Mai / Juni 2019