Controller Magazin 4/2017 - page 60

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deren so bewegt, und schnelle Hilfe für eine
Methode oder Einschätzung zu bekommen.
Alle schauen mal zwischendurch auf ihre Han-
dys – das ist in diesem Zusammenhang sehr
hilfreich. Aus unserer Sicht fallen Telefonge-
spräche dafür weg und Mails.
Biel:
Sie haben den Eindruck vermittelt, in ei-
nem Entwicklungsprozess zu stehen. Wohin
könnte die weitere Entwicklung gehen?
Anderl/Reineck:
Ja, wir sind erst am Anfang.
Es gibt ja bereits die Möglichkeit, das Avatare
(virtuelle Kunstfigur) gemeinsam in einem
Raum sitzen und die Menschen sich ganz wo-
anders befinden. Hier wäre eine zusätzliche
körperliche Präsenz wohl auch manchmal
spannend für Gruppenkonflikte und -dynami-
ken. Ferner glauben wir, dass
Moderation ir-
gendwann von Computern übernommen
werden kann.
Fragen zu stellen und zu struk-
turieren und zu helfen, ist ja kein Hexenwerk.
Das betrifft allerdings die reine Moderation. Wir
sind sehr gespannt, was uns die Zukunft bringt.
Dabei wird auch weiterhin unsere Kreativität
sehr gefragt sein.
Biel:
Frau Anderl, Herr Reineck, besten Dank
für diesen Dialog und die kooperative Zusam-
menarbeit bei der Interviewführung einschließ-
lich der Planung und Vorbereitung. Vielen
Dank für Ihre Bereitschaft, Klartext zu spre-
chen. Ihre Antworten zeigen, dass wir es bei
der „digitalen Revolution“ mit einem
facette-
reichen und recht anspruchsvollem The-
ma
zu tun haben. Die Folgen der Digitalisie-
rung sind beachtlich. Ihr Beispiel zeigt aber
auch, dass es auch außerhalb der klassischen
Anwendungsgebiete der Digitalisierung mög-
lich ist,
Neues mit Mehrwert mit digitalen
Mitteln zu schaffen
, wenn Kreativität und
Motivation zusammentreffen.
gut und sicher fühlen, wenn sie ihr Handy ver-
gessen haben.
Biel:
Und wie fügt sich nun Ihre Plattform in
dieses Konzept ein?
Anderl/Reineck:
Wir haben auch mithilfe un-
serer App eine Change-Plattform realisiert, in
der Change Berater sich austauschen und eine
Art von permanenter Fallbesprechung machen,
wir nennen das „Mai-Express“. Es entsteht eine
Art von Expertise für die Fälle von schwierigen
Situationen bei Kunden.
Biel:
Wenn wir Sie richtig verstehen, gestal-
ten Sie die Kommunikation und richten eine
Basis, eine Plattform, ein als Ausgangspunkt
für weitere Überlegungen, Absichten und
Handlungen.
Anderl/Reineck:
Ja, es ist eine
Kommunika-
tions- und Beratungsplattform
. Dialoge kön-
nen in zeit- und ortsunabhängigen Situationen
erfolgen, wo sie vorher nicht stattfanden. Wir
sind auch sehr individuell: Dabei passen wir die
Dialogform an die Kunden-Bedürfnisse an. Ein
Einzel-Coaching ist ebenso möglich wie eine
kollegiale Fallberatung in der Gruppe oder die
Beantwortung einer Wissensfrage. Das können
z. B. Impulse zu einem bevorstehenden Mitar-
beitergespräch sein, die Erarbeitung passender
Methoden für einen Workshop oder die Reflexi-
on eines schwierigen Teamprozesses. Statt
sich durch einen automatisierten Vorgang zu
klicken, hat jeder ein echtes Gegenüber.
Biel:
Bedeutet dies, dass Sie Technologien der
Digitalisierung nutzen, um die klassische Kom-
munikation zu ergänzen und nicht zu ersetzen,
durch sie einen Mehrwert, einen Zusatznutzen
anstreben?
Anderl/Reineck:
Wir dürfen nicht vergessen,
dass die Gespräche genauso in der analogen
Welt stattfinden. Durch die digitale Zusam-
menarbeit
kommt nur eine Ebene hinzu
.
Menschen informieren sich mehr und versu-
chen prägnanter Themen zusammenzufassen.
Virtuelle Teams
rücken mehr zusammen –
am eigenen Leib erleben wir in unserer Mai-
consulting ein anderes Teamgefühl. Wir Bera-
ter sind ja auch verstreut in ganz Deutschland
und es ist immer mal gut zu hören, was die an-
erst mal intern bei der Fallberatung hilft, aber
dann eben auch Kunden in verschiedenen Si-
tuationen unterstützen kann.
Biel:
Offenbar hatte dieser Schritt bei Ihnen
eine gewisse Dynamik ausgelöst. Bitte schil-
dern Sie uns kurz die weitere Entwicklung?
Anderl/Reineck:
Diese Erfahrung intern hat
dann dazu geführt, dass wir eben auch im
Kontakt mit Kunden in der Arbeit versuchten,
immer mehr analoge Angebote durch digitale
zu erweitern. Wenn man gemeinsam einen
Workshop macht oder eine Qualifizierung,
dann erzeugt das in der Art und Weise, wie wir
arbeiten eine
dichte Arbeitsatmosphäre
. Es
entsteht ein Beziehungsgeflecht, in dem mehr
möglich ist als vielleicht in vielen anderen Be-
ziehungen.
Biel:
Wie wirkt sich die Digitalisierung der Kom-
munikation auf die Qualität der Beziehungen aus?
Anderl/Reineck:
Wir haben festgestellt, dass
wir mit der App weitgehend die vertrauensvol-
len und offenen Beziehungen aufrechterhalten
können. Gleichzeitig haben wir festgestellt,
dass es ohne eine Art von
Animation
nicht
geht. D. h. wir als Berater, Moderatoren, Frage-
steller müssen als Animateure präsent sein,
und dann können Lernerfolge und Umset-
zungserfolge des Gelernten in einem Workshop
sehr viel besser realisiert werden.
Biel:
Bitte geben Sie uns noch einige prakti-
sche Beispiele zur Nutzung Ihrer App?
Anderl/Reineck:
Wir nutzen die Vernetzung
über die App auch
im Vorfeld von Workshops
und Meetings und haben uns sogar neulich da-
bei ertappt, das, wenn wir es nicht machen,
uns etwas fehlt. Die Terminbekanntgabe und
Einladung
zu einem Termin ist das eine, aber
Beziehungsaufbau
das andere. Wenn man
die Menschen noch nicht kennt, ist die Hürde
über die App, sich vorzustellen und schon mal
einen Einblick zu gewähren, viel kleiner. Die
Kommunikation fällt vielen leichter, sie schrei-
ben persönlicher – das Smartphone ist ja mitt-
lerweile eine „verlängerte Person“. Gemeint ist
eher, dass Persönlichkeit in der analogen Welt
gelebt wird, aber nun auch verstärkt in der digi-
talen Welt. Vielen geht es so, das sie sich nicht
Digitalisierung von Changeprojekten
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