Controller Magazin 4/2017 - page 57

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der einschlafen. ... Es zeigt sich, dass wir
noch unterwegs sind.
Biel:
Und was beobachten Sie in und bei den
Unternehmen? Welchen Zugang haben Sie?
Anderl/Reineck:
Wir nehmen natürlich nur
einen Ausschnitt wahr. Wir kennen einige gro-
ße Konzerne ganz gut und tummeln uns ab
und zu in der Berliner
Start-up-Szene
, weil
wir als Umsetzungsberater bei Veränderungs-
prozessen unterstützen und Lernreisen für
Konzernmanager organisieren und die mit der
Start-up-Szene in Berlin unter verschiedenen
Zielsetzungen in Kontakt bringen. Außerdem
beschäftigen wir uns seit drei Jahren mit Fra-
gen der digitalen Führung und Beratung,
schreiben an einem Buch und recherchieren
in den Dingen.
Biel:
Verlässliche und belastbare Antworten,
wie auch die Vorbereitung auf dieses Interview
zeigte, sind offenbar schwer zu geben. Aber es
interessiert uns Ihre Sichtweise, auch wenn
diese subjektiv geprägt ist.
Anderl/Reineck:
Alle wissen, dass die großen
Internetunternehmen, die sich der Digitalisie-
rung widmen,
nicht in Deutschland
oder Eu-
ropa zu Hause sind, sondern woanders. Die Old
Economy versucht zwar, Digitales in ihre Pro-
dukte zu integrieren, das wirkt manchmal oft
eher gemusst als gewollt. So nehmen wir teil-
weise auch die Haltung und das Handeln der
Menschen wahr, wenn es um neue Arbeitsfor-
men wie Agilität usw. geht, da gibt es ja so et-
was wie eine Familienähnlichkeit zur
Digitali-
tät:
Man spielt beim Neuen mit, man nutzt Be-
griffe, Formate, ist aber nicht richtig überzeugt
und noch nicht richtig dabei. Man kann wohl
sagen, wir spielen in Deutschland bei dem The-
ma nicht ganz vorne mit.
Biel:
Was fehlt nach Ihrem Verständnis?
Anderl/Reineck:
Plakativ ausgedrückt man-
gelt es nach unserem Eindruck vielfach an der
Lust, es fehlen der Biss und
die Neugier
.
Aber es mangelt
wohl auch an einer
Kultur
,
die das Experimentieren befördert. Natürlich
richten Unternehmen jetzt Kommunikations-
zonen ein – was für ein schrecklicher Begriff
–, weil man bei Ausflügen ins Silicon Valley
gesehen hat, wie viel die Innovativen mitein-
ander reden … aber gleichzeitig haben deut-
sche Mitarbeiter Sorgen, solche Zonen zu
nutzen, weil andere denken könnten, sie hät-
ten nichts zu tun. Unsere Kultur in den Unter-
nehmen ist oft einfach nicht cool genug, und
manchmal bleibt ja auch wirklich keine Zeit
zum Reden und Denken.
Biel:
Und wenn Sie einen Blick über den Teller-
rand werfen, was fällt Ihnen dort auf?
Anderl/Reineck:
Ein anderer Aspekt ist sicher-
lich, dass
asiatische Kunden
, beispielsweise
Japaner und Koreaner, sehr viel offener mit
dieser Entwicklung umgehen und den neuen
Techniken freundlicher gesonnen sind als wir
hier in Deutschland und Europa. Es würde zur
Problematik passen, mehr deutsche Verspielt-
heit zu fordern, vielleicht waren wir die, die ger-
ne dicke schnelle Autos gebaut und gefahren
haben – und jetzt kommen die anderen dran.
Biel:
In der gesellschaftspolitischen Debatte
unserer Zeit ist viel von Spaltung und Auseinan-
derdriften die Rede. Erleben wir in den Unter-
nehmen im Umgang mit den Phänomenen der
Digitalisierung, vielfach auch Digitalität ge-
nannt, auch eine Aufspaltung?
Anderl/Reineck:
Ja, durchaus. In den Unter-
nehmen und vielleicht auch darüber hinaus
kann man eine
Trennung wahrnehmen
. Und
zwar zwischen denen, die viel über Digitalität
wissen und sich damit befassen, und eben den
vielen anderen. Das hat natürlich einerseits mit
Aufgaben und Produkten zu tun, aber anderer-
seits auch mit der Generationsfrage und
schließlich auch damit, wie ausgeprägt die Lust
auf Neues ist.
Biel:
Ihre Antworten lassen den Schluss zu, dass
wir es mit einem vielschichtigen und komplexen
Thema zu tun haben. Sehen Sie dies auch so?
Anderl/Reineck:
Ja, das Thema hat viele Fa-
cetten. Es geht um die Digitalisierung und Ver-
netzung von Produkten und Kundenzugängen.
Es geht um den Einsatz moderner Techniken
und Methoden in der Fertigung (Stichwort In-
dustrie 4.0), die kluge Nutzung von Daten und
die Gestaltung einer internen Kommunikation,
die schneller informiert und beteiligt.
Digitale Kommunikationskultur
Biel:
Sie sind auch bei diesem „Spiel“ dabei,
daher führen wir dieses Interview. Was ist Ihr
digitales Thema?
Anderl/Reineck:
Wir beschäftigen uns, als
„Unternehmenskulturschaffende“
mit dem
Aufbau und der Pflege einer internen
digitalen
Kommunikationskultur
, Möglichkeiten und
Grenzen der digitalen Führung, Kommunika-
tionsdesigns in Veränderungsprozessen usw.
Biel:
Sie haben eine Portion Skepsis und auch
eine kritische Distanz, vielleicht eine gesunde
Distanz, zur „digitalen Revolution“ zu erkennen
gegeben. Daher interessiert es uns, was ist Ihr
Antrieb, was motiviert Sie?
Anderl/Reineck:
Wir haben ein heimliches
Motto: Die Digitalisierung ist zu wichtig, um
sie allein den Nerds zu überlassen. Wir als
„Digital Immigrants“
(Begriff für jemanden,
der die digitale Welt erst im Erwachsenenalter
kennengelernt hat) wollen die Technik auch
für uns nutzbar machen. Sie soll
in unsere
Denke passen
, wir wollen uns nicht an die
Technik anpassen.
Biel:
Seht dahinter auch ein „digitaler Genera-
tionskonflikt“.
Anderl/Reineck:
Ja, ein Aspekt ist dabei si-
cherlich die
Generationen-Frage
.
Dreiviertel
der Menschen, die in den Unternehmen arbei-
ten, sind über 40. Also keine Digital Natives
(Personen, die in der digitalen Welt aufgewach-
sen sind), sondern Digital Immigrants. Der
Migrationshintergrund wird wahrscheinlich im-
mer spürbar bleiben. Das Digitale wird ihre Hei-
mat nicht – und das ist vielleicht gut so.
Biel:
Was folgt aus diesem Unterschied der di-
gitalen Generationen?
Anderl/Reineck:
Weil das so ist, haben Im-
migrants ganz andere Forderungen an das Di-
gitale. Um sie
vom Digitalen zu überzeu-
gen
, (überzeugen heißt in unserer Sprache:
sie wenden es an) müssen die digitalen Platt-
formen besser sein als die analogen. Das
merken wir an unserer App und an unseren
Erfahrungen als Berater.
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