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Tradition bei uns haben die sogenannten kol-
legialen Fallbesprechungen. Nach bestimmter
etablierter Vorgehensweise haben wir uns ge-
genseitig beraten in schwierigen Kundensitu-
ationen. Allerdings war der Bedarf für solche
Beratungen sehr viel höher als die Möglich-
keit, uns regelmäßig zu treffen. Und so began-
nen wir zum Beispiel die
digitale Fallbera-
tung
. D. h., wir haben den Schritt gemacht
und unsere Fallberatung digital realisiert. So
war die Notwendigkeit nicht mehr gegeben,
dass wir alle zur gleichen Zeit am selben Ort
sind. Sondern wir konnten eine Fallberatung
über 2 oder 3 Tage ziehen (länger nicht, sonst
geht die Energie verloren) und konnten so
auch Leute beteiligen und zurate ziehen, die
nicht anwesend sind.
Biel:
Warum war Ihre Kommunikations-App
die Lösung?
Anderl/Reineck:
Wir hatten das eine Zeit
lang per Mail gemacht, haben aber festge-
stellt, dass wir über eine App
sehr viel
schneller agieren
und es sehr viel einfacher
ist, schnell was ins Handy rein zu sprechen
oder zu schreiben, als das über Mail zu ma-
chen. So entstand dann die Idee, eine eigene
Kommunikations-App zu entwickeln, die uns
Anderl/Reineck:
Wir meinen damit zweierlei.
Es geht bei der Arbeit immer um die Gestaltung
und die Qualität von
Beziehungen
, aber wir
haben uns eben auch als Berater einen neuen
Anspruch gegeben: Wir wollen
da sein
. Am
besten immer. Wir wollen dafür sorgen, dass
immer eine Möglichkeit der Reflexion, der Re-
sonanz auf kurzem Weg möglich ist. Das muss
nicht immer unbedingt ein Profiberater sein.
Eine gute Peergruppe tut es eben auch. Genau
dafür brauchen wir Digitalität. Wir waren als
Unternehmensberatung die, die sich vor allem
der Tradition der Prozessberatung (Umset-
zungsberatung) verpflichtet fühlt, der Digitali-
sierung gegenüber eher kritisch eingestellt. Die
Face-to-Face-Kommunikation
erschien und
erscheint uns immer noch als die wichtigste
Bedingung für ein gelingendes Gespräch.
Biel:
Wo liegt jetzt der springende Punkt, das
Kernproblem, das Sie nach einem digitalen
Lösungsansatz suchen ließ?
Anderl/Reineck:
Das Problem, das wir in der
heutigen Zeit haben, ist, dass die Notwendig-
keit besteht,
dass alle immer zur selben
Zeit am gleichen Ort sein müssten
. Und
das gelingt uns allen immer seltener, vor allem
uns als Unternehmensberatern. Eine wichtige
Menschen gefragt werden und ins Ge-
spräch gehen
, Plattformen bekommen, sich
zu äußern und zu reden und Ideen und neue
Strategien zu entwickeln.
Biel:
Was ist dabei besonders neu oder an-
ders?
Anderl/Reineck:
Wahrscheinlich – das ist un-
sere Erfahrung – kommen neue Ideen, neue
Praktiken, neue Arbeitsformen nur dann zu-
stande,
wenn Menschen miteinander reden,
die sonst nicht in Kommunikation sind
. D. h.
dass es neben den klassischen Gremien, Mee-
tingstrukturen usw. andere Kombinationsstruk-
turen braucht, in denen gedacht, geredet, ent-
wickelt und verändert wird.
Neues schaffen
mit digitalen Mitteln
Biel:
Bei diesem Bemühen, Menschen anders
bzw. neu kommunikativ zu vernetzen, kann die
Digitalisierung helfen?
Anderl/Reineck:
Ja.
Das Digitale muss at-
traktiver sein
,
größer oder schneller sein als
„das Analoge“ – dann wird es auch von den
„Analogfreunden“ genutzt. Das ist eine wich-
tige Maßgabe für die Arbeit mit der Digitalisie-
rung. Wir experimentieren – je nach Unter-
nehmen gemeinsam mit den Menschen – in
verschiedenen Kommunikationsdesigns und
irren uns empor. Wir schließen zum Beispiel
Chefs mit allen Mitarbeitern in App-Gruppen
zusammen und helfen durch digitale Modera-
tion.
Wir müssen also einen „digitalen
Mehrwert“ schaffen.
Biel:
Als klassisch systemische Beratung stand
oder steht bei Ihnen die persönliche Beratung
und damit die Face-to-Face-Kommunikation im
Vordergrund. Bedeut die Digitalisierung der
Kommunikation für Sie einen großen Bruch?
Anderl/Reineck:
Die Face-To-Face-Beratung
wird weiterhin im Vordergrund stehen. Wir sind
Menschenversteher und -experten. Wir haben
den Slogan gewählt:
„You never work alone.“
Biel:
Das klingt nach Werbung, muss daher kri-
tisch hinterfragt werden.
Autoren
Mirja Anderl, Juristin
ist Beraterin bei MAICONSULTING GmbH & Co. KG, Berlin.
E-Mail:
Tel.: 06221-6502470
Fachjournalist (DFJS) Dipl.-BW Alfred Biel
ist Autor, Interviewer und Rezensent verschiedener Medien.
Betriebswirtschaftlicher und journalistischer Abschluss. Reich-
haltige praktische Erfahrungen aus verantwortlichen Tätigkei-
ten in Rechnungswesen und Controlling, Projekt- und Metho-
denarbeit. Ehrenmitglied des Deutschen Fachjournalisten Ver-
bandes DFJV und des Internationalen Controller Vereins (ICV).
E-Mail:
Uwe Reineck
ist Geschäftsführender Gesellschafter der MAICONSULTING
GmbH & Co. KG, Berlin.
E-Mail:
Tel.: 06621-6502470
CM Juli / August 2017