Controller Magazin 4/2017 - page 68

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Deutlich mehr als die Hälfte der Controller ver-
fügt über einen Hochschulabschluss. Dabei do-
minieren von den akademischen Fächern her
zwei Disziplinen: Betriebswirtschaftslehre und
Ingenieurswissenschaften. In beiden Studien-
gängen herrscht ein naturwissenschaftliches,
„objektivistisches“ Denken vor. Auch deshalb
ist Controlling eine zutiefst analytische Diszip-
lin. Ein erzieltes Ergebnis ist z. B. ebenso eine
objektiv messbare Größe wie eine geleistete
Auszahlung.
Dieses Bild verändert sich gerade. Der han-
delnde Akteur wird zunehmend nicht mehr als
homo oeconomicus, sondern als ein kognitiv
begrenztes Wesen gesehen („homo psycholo-
gicus“). Ich habe dies schon mehrfach in mei-
ner Kolumnenreihe angesprochen.
Wenn die Perspektive in diese Richtung ge-
öffnet wird, dann ist nicht nur die Psychologie
eine spannende Quelle von neuen Einsichten
und Erkenntnissen, sondern auch die Soziolo-
gie. Letztere geht z. B. davon aus, dass die
von einem Betriebswirt oder Ingenieur so
hoch geschätzte Objektivität bei näherem
Hinsehen häufig eine unzulässige Vereinfa-
chung darstellt, dass die Realität vielmehr so-
zial konstruiert wird. Dem Objektivismus wird
eine
subjektivistische Perspektive
gegen-
übergestellt. Die Soziologie ruft so zu einem
vorsichtigen Umgang mit scheinbar objekti-
ven Tatbeständen auf („Rationalität als My-
thos“). Eine solch kritische, zur Vorsicht mah-
nende Einstellung müsste einem Controller
eigentlich gefallen.
Soziologen sehen – um ein weiteres Feld neuer
Einsichten und Erkenntnisse zu nennen – Un-
ternehmen und die sie prägenden Akteure nicht
primär nach höchster Effizienz und Effektivität
streben, sondern vorrangig dem Ziel der
Legi-
timität
ihres Handelns folgen. Unternehmen
wollen also in erster Linie den Erwartungen ge-
nügen, die die Gesellschaft an sie stellt. Auf die
Unternehmen wirken dabei unterschiedliche
Einflüsse ein (Formen von „Druck“), die sich in
drei Typen differenzieren lassen.
Bei einem
regulativen Druck
geht es um kon-
krete rechtliche Regeln oder vergleichbare Vor-
schriften, etwa Compliance-Anforderungen
oder neue Accounting-Bestimmungen. Hand-
lungsspielräume bestehen hier nicht oder nur in
geringem Maße.
Von einem
normativen Druck
spricht man,
wenn es für ein bestimmtes Problem eine
herrschende Meinung gibt. Eine solche
stammt z. B. aus Lehrbüchern oder von Be-
rufsverbänden. Ein Beispiel hierfür ist die For-
derung an Controller, Business Partner zu
werden. Sie findet sich in den einschlägigen
Textbüchern ebenso wie auf der Website des
ICV. Heute fällt es jedem Controller schwer,
sich zu einem sehr zahlenorientierten Control-
Was können Controller von Soziologen lernen?
von Jürgen Weber
Was können Controller von Soziologen lernen?
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