Controller Magazin 3/2017 - page 73

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Controller sollen (und wollen!) immer mehr
Rollen übernehmen. Eine erst kürzlich hinzu-
gekommene ist die des Change Agents. Im
WHU Controller Panel können wir einen deut-
lichen Anstieg der Bedeutung der Rolle über
die Zeit feststellen. Diese Entwicklung reflek-
tiert ein Umfeld, in dem sich Unternehmen
immer schneller und stärker verändern müs-
sen, um mit den Veränderungen in den Märk-
ten Schritt zu halten. Wer Business Partner
des Managements sein will, kann vor diesen
Herausforderungen nicht die Augen ver-
schließen.
Wenn Controller die Rolle von Change Agents
spielen wollen, müssen sie das entsprechende
Handwerkszeug beherrschen. Ein zentraler Teil
davon ist Wissen, wie man Veränderungspro-
zesse erfolgreich gestaltet. Wer sich damit be-
schäftigt, kommt an zwei Namen nicht vorbei:
Kurt Lewin und John P. Kotter. Ersterer ist der
Pionier des Themas und formulierte sein Modell
Mitte des letzten Jahrhunderts. Er unterschei-
det drei Phasen einer erfolgreichen Verände-
rung: Das „Auftauen“ der bisherigen Struktu-
ren, die eigentliche Veränderung und anschlie-
ßend die Phase der Verfestigung der neuen
Strukturen. Diese sozialwissenschaftliche Pers-
pektive berücksichtigt u. a., dass sich Men-
schen ungern verändern, dass Ängste beim
Verlassen des Gewohnten eine wichtige Rolle
spielen und dass ein Vertrauen darauf fehl am
Platze ist, dass die doch so offensichtlichen
Vorteile der neuen Lösung die Menschen quasi
automatisch zur Veränderung ihres Verhaltens
bringen.
Kotter differenziert diese drei Stufen dann auf
Basis seiner umfassenden praktischen Erfah-
rung weiter aus und kommt zu einem 8-Stufen-
Modell, das ganz pragmatische Hilfestellungen
gibt (z. B.: Größere Veränderungsprozesse ohne
aktive Unterstützung des Top-Managements
sind zum Scheitern verurteilt; auch bei lang an-
dauernden Veränderungen sind kurzfristige Er-
folge wichtig, um zu zeigen, dass man auf dem
richtigen Weg ist; eine intensive Kommunikati-
on der hinter der Veränderung stehenden Idee
ist unverzichtbar).
Wer als Change Agent wirken will, muss in
dieser Rolle die zentrale Bedeutung psycholo-
gischer und soziologischer Erkenntnisse aner-
kennen und das eigene Handeln entspre-
chend prägen lassen. Ängste und Reaktanz
sind dann kein zu eliminierendes Fehlverhal-
ten einzelner Mitarbeiter, sondern der Normal-
fall, auf den man sich im Prozess ausrichten
muss. Das Denken bei solchen Veränderun-
gen muss weit von dem normalen analyti-
schen Denken abweichen, in dem Menschen
dem Bild des homo oeconomicus entsprechen.
Wer Veränderungen erfolgreich vorantreiben
will, muss überzeugend kommunizieren kön-
nen, genügend Empathie besitzen, diverse So-
zialtechniken beherrschen und mehr prozess-
denn inhaltsgetrieben sein.
Können Controller das? Jeder von Ihnen soll-
te die Frage ehrlich für sich selbst beantwor-
ten. Change Agent ist eine Rolle, die im Set
der Business Partner-Aufgaben einen beson-
deren Charakter besitzt, die weit von den üb-
lichen analytischen Themen entfernt ist. Fällt
die Eignungsfrage negativ aus, sollten Sie
sich aber zumindest fragen, wie Sie in Verän-
derungsprozessen helfen können, dass die
Veränderung gelingt. Hier Antworten zu fin-
den, fällt nicht schwer. Controller können
Aufklärung leisten, eine sachliche Argumen-
tation beitragen, die hilft, dass Vorurteile zu
Urteilen werden, dass Ängste reduziert wer-
den, dass Weichenstellungen in der Verände-
rung eher gesehen und besser entschieden
werden können. Eine wichtige Hilfestellung
ist aber auch die, nicht implizit einem mecha-
nistischen Verständnis von Veränderungs-
prozessen zu folgen, z. B. nicht ungeduldig zu
sein, wenn es etwas länger dauert, wenn
noch eine zusätzliche Kommunikations-
schleife erforderlich ist, um die Botschaften
zu vermitteln. Wie gesagt, eine rein ökono-
misch-rationale Perspektive reicht nicht, um
Veränderungen erfolgreich zu bewältigen.
Wir sind halt Menschen ...
Controller als Change Agents?
von Jürgen Weber
Autor
Prof. Dr. Dr. h. c. Jürgen Weber
ist Direktor des Instituts für Management und Controlling (IMC)
der WHU – Otto Beisheim School of Management Campus
Vallendar, Burgplatz 2, D-56179 Vallendar;
controlling. Er ist zudem Vorsitzender des Kuratoriums des
Internationalen Controller Vereins (ICV).
E-Mail:
CM Mai / Juni 2017
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