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          Controller sollen (und wollen!) immer mehr
        
        
          Rollen übernehmen. Eine erst kürzlich hinzu-
        
        
          gekommene ist die des Change Agents. Im
        
        
          WHU Controller Panel können wir einen deut-
        
        
          lichen Anstieg der Bedeutung der Rolle über
        
        
          die Zeit feststellen. Diese Entwicklung reflek-
        
        
          tiert ein Umfeld, in dem sich Unternehmen
        
        
          immer schneller und stärker verändern müs-
        
        
          sen, um mit den Veränderungen in den Märk-
        
        
          ten Schritt zu halten. Wer Business Partner
        
        
          des Managements sein will, kann vor diesen
        
        
          Herausforderungen nicht die Augen ver-
        
        
          schließen.
        
        
          Wenn Controller die Rolle von Change Agents
        
        
          spielen wollen, müssen sie das entsprechende
        
        
          Handwerkszeug beherrschen. Ein zentraler Teil
        
        
          davon ist Wissen, wie man Veränderungspro-
        
        
          zesse erfolgreich gestaltet. Wer sich damit be-
        
        
          schäftigt, kommt an zwei Namen nicht vorbei:
        
        
          Kurt Lewin und John P. Kotter. Ersterer ist der
        
        
          Pionier des Themas und formulierte sein Modell
        
        
          Mitte des letzten Jahrhunderts. Er unterschei-
        
        
          det drei Phasen einer erfolgreichen Verände-
        
        
          rung: Das „Auftauen“ der bisherigen Struktu-
        
        
          ren, die eigentliche Veränderung und anschlie-
        
        
          ßend die Phase der Verfestigung der neuen
        
        
          Strukturen. Diese sozialwissenschaftliche Pers-
        
        
          pektive berücksichtigt u. a., dass sich Men-
        
        
          schen ungern verändern, dass Ängste beim
        
        
          Verlassen des Gewohnten eine wichtige Rolle
        
        
          spielen und dass ein Vertrauen darauf fehl am
        
        
          Platze ist, dass die doch so offensichtlichen
        
        
          Vorteile der neuen Lösung die Menschen quasi
        
        
          automatisch zur Veränderung ihres Verhaltens
        
        
          bringen.
        
        
          Kotter differenziert diese drei Stufen dann auf
        
        
          Basis seiner umfassenden praktischen Erfah-
        
        
          rung weiter aus und kommt zu einem 8-Stufen-
        
        
          Modell, das ganz pragmatische Hilfestellungen
        
        
          gibt (z. B.: Größere Veränderungsprozesse ohne
        
        
          aktive Unterstützung des Top-Managements
        
        
          sind zum Scheitern verurteilt; auch bei lang an-
        
        
          dauernden Veränderungen sind kurzfristige Er-
        
        
          folge wichtig, um zu zeigen, dass man auf dem
        
        
          richtigen Weg ist; eine intensive Kommunikati-
        
        
          on der hinter der Veränderung stehenden Idee
        
        
          ist unverzichtbar).
        
        
          Wer als Change Agent wirken will, muss in
        
        
          dieser Rolle die zentrale Bedeutung psycholo-
        
        
          gischer und soziologischer Erkenntnisse aner-
        
        
          kennen und das eigene Handeln entspre-
        
        
          chend prägen lassen. Ängste und Reaktanz
        
        
          sind dann kein zu eliminierendes Fehlverhal-
        
        
          ten einzelner Mitarbeiter, sondern der Normal-
        
        
          fall, auf den man sich im Prozess ausrichten
        
        
          muss. Das Denken bei solchen Veränderun-
        
        
          gen muss weit von dem normalen analyti-
        
        
          schen Denken abweichen, in dem Menschen
        
        
          dem Bild des homo oeconomicus entsprechen.
        
        
          Wer Veränderungen erfolgreich vorantreiben
        
        
          will, muss überzeugend kommunizieren kön-
        
        
          nen, genügend Empathie besitzen, diverse So-
        
        
          zialtechniken beherrschen und mehr prozess-
        
        
          denn inhaltsgetrieben sein.
        
        
          Können Controller das? Jeder von Ihnen soll-
        
        
          te die Frage ehrlich für sich selbst beantwor-
        
        
          ten. Change Agent ist eine Rolle, die im Set
        
        
          der Business Partner-Aufgaben einen beson-
        
        
          deren Charakter besitzt, die weit von den üb-
        
        
          lichen analytischen Themen entfernt ist. Fällt
        
        
          die Eignungsfrage negativ aus, sollten Sie
        
        
          sich aber zumindest fragen, wie Sie in Verän-
        
        
          derungsprozessen helfen können, dass die
        
        
          Veränderung gelingt. Hier Antworten zu fin-
        
        
          den, fällt nicht schwer. Controller können
        
        
          Aufklärung leisten, eine sachliche Argumen-
        
        
          tation beitragen, die hilft, dass Vorurteile zu
        
        
          Urteilen werden, dass Ängste reduziert wer-
        
        
          den, dass Weichenstellungen in der Verände-
        
        
          rung eher gesehen und besser entschieden
        
        
          werden können. Eine wichtige Hilfestellung
        
        
          ist aber auch die, nicht implizit einem mecha-
        
        
          nistischen Verständnis von Veränderungs-
        
        
          prozessen zu folgen, z. B. nicht ungeduldig zu
        
        
          sein, wenn es etwas länger dauert, wenn
        
        
          noch eine zusätzliche Kommunikations-
        
        
          schleife erforderlich ist, um die Botschaften
        
        
          zu vermitteln. Wie gesagt, eine rein ökono-
        
        
          misch-rationale Perspektive reicht nicht, um
        
        
          Veränderungen erfolgreich zu bewältigen.
        
        
          Wir sind halt Menschen ...
        
        
          
            Controller als Change Agents?
          
        
        
          von Jürgen Weber
        
        
          
            Autor
          
        
        
          Prof. Dr. Dr. h. c. Jürgen Weber
        
        
          ist Direktor des Instituts für Management und Controlling (IMC)
        
        
          der WHU – Otto Beisheim School of Management Campus
        
        
          Vallendar, Burgplatz 2, D-56179 Vallendar; 
        
        
        
          controlling. Er ist zudem Vorsitzender des Kuratoriums des
        
        
          Internationalen Controller Vereins (ICV).
        
        
          E-Mail:
        
        
        
          
            CM Mai / Juni 2017