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Aktionäre und andere Eigenkapitalgeber
(Principals) erwarten von ihren Investments,
dass sie sich möglichst gut entwickeln. Dazu
wird von den angestellten Managern (Agents)
gefordert, dass sie unablässig die Aktienkur-
se steigern. Unterstützt werden sie von einer
großen Schar von Analysten, die genau vor-
geben, welche Gewinnziele quartalsweise zu
erreichen sind. Gerade in den USA üben die-
se Vorgaben einen sehr hohen Druck auf die
Manager aus, sodass sie häufig die Spielräu-
me in der Bilanzierung nutzen, um das Soll zu
erreichen.
Solange dies nur die Darstellung der Ergebnis-
se im Rahmen der Gesetze betrifft, kann diese
Vorgehensweise noch verstanden werden.
Aber
wenn Entscheidungen anders getrof-
fen werden als es im langfristigen Interes-
se der Eigenkapitalgeber ist, verliert das
Unternehmen an Wert.
Dies gilt z. B., wenn
langfristig notwendige Investitionen nicht
durchgeführt werden, weil sie kurzfristig das
Ergebnis belasten.
Es soll untersucht werden, welcher Schaden für
die Eigenkapitalgeber angerichtet wird, wenn
Manager sich von kurzfristigen Vorgaben leiten
lassen. Wichtig ist dabei eine dynamische, d. h.
mehrjährige Sichtweise.
Abweichen von der Ideallinie
Das Oberziel eines Unternehmens besteht in
der langfristigen Maximierung des Unterneh-
menswertes, was z. B. über wertorientierte
Größen operationalisiert werden kann. Durch
die Betonung der Langfristigkeit wird sicherge-
stellt, dass auch die Interessen der anderen
Stakeholder (Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten,
Gesellschaft usw.) angemessen berücksichtigt
werden. Denn ihre Vernachlässigung kann nur
zu kurzfristigen Vorteilen führen.
Auf Basis dieser langfristigen Zielsetzung muss
jede Handlungsmöglichkeit daraufhin unter-
sucht werden, ob sie den Unternehmenswert
erhöht. Wenn die Analyse ergibt, dass zwar
kurzfristige Zielgrößen positiv beeinflusst wer-
den, aber langfristig Unternehmenswert ver-
nichtet wird, so sollte die Handlungsmöglichkeit
abgelehnt werden. Investitionstheoretisch kann
diese Forderung z. B. so operationalisiert wer-
den, dass alle Handlungsmöglichkeiten einen
positiven Kapitalwert oder einen positiven End-
wert im vollständigen Finanzplan (vgl. z. B.
Varnholt/Lebefromm/Hoberg, S. 509 ff.) auf-
weisen müssen.
Diese Forderung der Ausrichtung aller Ent-
scheidungen am langfristigen Interesse der
Eigenkapitalgeber ist im Alltag durchaus prob-
Teuflischer Zyklus gegen Aktionäre
Principal-Agent-Theorie dynamisch betrachtet
von Peter Hoberg
CM Mai / Juni 2017