Controller Magazin 3/2017 - page 85

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noch im Rahmen der Legalität durchgeführt
werden können, müssen später immer härtere
Maßnahmen ergriffen werden, um die ge-
wünschten Ergebnisse zumindest auf dem Pa-
pier zeigen zu können. Besonders bedenklich
sind Umfragen, die zeigen, dass Manger sich in
ihren betrieblichen Entscheidungen wesentlich
von den Vorgaben der Analysten leiten lassen,
auch wenn dies langfristig für die Unternehmen
nicht gut ist (vgl. Brealey/Myers/Allen, S. 319
ff.). Selbst wenn die Unternehmen dabei nicht
bankrottgehen, werden die Aktionäre schwer
geschädigt. Ein frühzeitigeres Zugeben von
Problemen würde häufig die Möglichkeit zu
einem schnelleren Gegensteuern eröffnen, was
den Aktionären als Principals sicher helfen
würde. Allerdings müssen dann die Anreize für
Manager zum „Ausreiten der Welle“ vermieden
werden. Auch muss vermieden werden, dass
ein Agieren gegen das Unternehmen als üblich
angesehen werden kann.
Entwicklung der Probleme
im Zeitablauf
Die beschriebenen Möglichkeiten werden leider
nicht selten eingesetzt, wobei häufig eine be-
stimmte Reihenfolge bzw. ein Zyklus beobach-
tet werden kann, der im Folgenden beschrieben
werden soll.
Phase 1: Feuern des alten und Anwerben
eines neuen Managements
Die Betrachtung des Zyklus sei mit der Phase
des Einstellens eines neuen Managements be-
gonnen. Der Grund für den Austausch liegt
häufig darin, dass das alte Management nicht
mehr in der Lage war, die Gewinne zu erhöhen.
Ob das objektiv nicht mehr möglich war, wird
und noch Deckungsbeiträge zu generieren,
was erst in den Folgeperioden bestraft wird.
Gesetzesbruch zum Schaden
der Anteilseigner
Noch schlimmer sieht es für den Eigenkapital-
geber im Fall (4) aus, weil dann sein Manager
(Agent) sogar bereit ist, gegen Gesetze zu ver-
stoßen, um die Illusion eines erfolgreichen Ge-
schäftsverlaufes möglichst lange aufrechtzuer-
halten. Die Bandbreite der Betrügereien ist er-
schreckend groß. Sie geht von der Aktivierung
nicht vorhandener Wirtschaftsgüter (Beispiel
nicht existierender Bohranlagen von Flowtex)
über das Auslagern von Problemen in SPEs
(Special Purpose Entities) bei Enron bis hin zur
Nichtbildung von notwendigen Rückstellungen.
Auch das Vorziehen von Umsätzen oder Ge-
schäfte zwischen Tochterfirmen können genannt
werden. All diesen Maßnahmen ist gemeinsam,
dass sie im betrachteten Geschäftsjahr das Er-
gebnis viel besser zeigen als es war. Es ist of-
fensichtlich, dass Manager schon sehr verzwei-
felt und/oder skrupellos sein müssen, wenn sie
zu solchen Maßnahmen Zuflucht nehmen.
Ge-
nauso klar ist, dass der Hauptschaden
meistens bei den Aktionären anfällt. Denn
diese müssen sich als Externe auf die Zah-
len des Rechnungswesens verlassen kön-
nen.
Sobald klar wird, dass die Zahlen viel zu
gut dargestellt wurden, bricht zumindest der
Aktienkurs ein. In den oben erwähnten Fällen
von Flowtex und Enron kam es sogar zum Ban-
krott, so dass die Aktionäre ihren gesamten
Einsatz verloren haben.
Wie gezeigt wurde, bestehen durch erfolgsab-
hängige Boni leider auch hohe Anreize für Ma-
nager, möglichst lange Gewinnwachstum zu
zeigen. Während die ersten Maßnahmen häufig
Marken nicht aktiviert werden, sodass sie sofort
ergebnisreduzierend wirken. Solche Unterlas-
sungen sind kaum zu entdecken, weil fast nur
die Manager als Agents beurteilen können, wel-
ches Investitionsniveau langfristig richtig wäre.
Das Nichteinstellen von Spezialisten für R&D
(Research and Development = Forschung und
Entwicklung) wird ja nicht dokumentiert. Glei-
ches gilt für den verschobenen Austausch alter
Maschinen. Auch die Förderung von Mitarbei-
tern lohnt sich meistens nur langfristig.
Anreiz zu risikoreichen Handlungen
Zudem besteht für den Manager in einigen Fäl-
len der Anreiz zu sehr risikoreichen Investitionen.
Wenn er glaubt, seine Ziele mit dem normalen
Geschäft nicht mehr erreichen zu können, kann
er es durch das Eingehen von hohen Risiken
eventuell doch noch schaffen. Denn üblicher-
weise profitiert er, wenn positive Szenarien
eintreten. Die Folgen seiner Entscheidungen bei
unsicheren Erwartungen seien in der Abbildung 2
aufgezeigt.
Es besteht ein hoher Anreiz, übermäßige Ri-
siken einzugehen. Denn bei Gelingen erhält
er einen großen Bonus. Scheitert dagegen
die risikoreiche Investition (rechte Spalten in
Abb. 2), dann bekommt er zwar keinen Bo-
nus, aber den er hätte er auch im Normalge-
schäft nicht oder nur im geringen Umfang er-
halten (vgl. zu diesen risikoreichen Anreizen
mit ihren Folgen Brealey/Myers/Allen, S.
304). Und da es keine negativen Boni gibt, ist
die Versuchung in einigen Situationen groß,
risikoreiche Entscheidungen zu treffen, zu-
mal im Fall (3) auch keine expliziten Gesetze
gebrochen werden. Anders sieht das Ergeb-
nis für die Eigenkapitalgeber aus. In den ne-
gativen Szenarien (rechte Spalte der Abbil-
dung 2) bricht der Wert ihrer Beteiligungen
ein. Hier liegt somit eine typische Variante
des Principal-Agent-Problems vor. Eine Ge-
genmaßnahme bestünde darin, dass Boni
nur dann gezahlt werden, wenn mehrjährige
Ziele erreicht werden. Ein weiteres Beispiel
für den Fall (3) in Abbildung 1 – Treffen kurz-
fristig motivierter Entscheidungen – lässt
sich in der Automobilbranche finden. Hier
sind Eigenzulassungen üblich, um die Ab-
satzzahlen des laufenden Jahres zu schönen
Abb. 2: Anreiz zu übermäßigem Risiko
CM Mai / Juni 2017
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