Controller Magazin 3/2017 - page 57

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Auch am ERP-System-Markt werden die Sys-
teme in externe Rechenzentren ausgelagert,
dort von den
Cloud-Service-Providern
(CSP)
betrieben, gewartet und über das Inter-
net als SaaS bereitgestellt. Die
Migration von
ERP-System-Anwendungen in die Cloud
bietet neue Chancen
, birgt aber naturgemäß
auch neue Risiken. Angesichts der steigenden
Relevanz der SaaS und der seit den 1990er
Jahren ungebrochenen Bedeutsamkeit der
ERP-Systeme kann angenommen werden,
dass sich ERP-Systeme aus der Cloud wohl zu
einer der bedeutendsten SaaS-Applikationen
für Unternehmen und im Speziellen für KMU
entwickeln könnten
(„ERP-as-a-Service“
(ERPaaS))
, wodurch auch Chancen und Risi-
ken für das Controlling entstehen (vgl. Peng/
Gala (2014), S. 23). Vorliegender Beitrag be-
schäftigt sich deshalb mit den Chancen und
Risiken von ERPaaS gegenüber on-premise
ERP-System-Lösungen.
Chancen von ERPaaS gegenüber
on-premise Lösungen
Bei der
Implementierung klassischer on-
premise ERP-Systeme
müssen erhebliche
finanzielle, personelle und zeitliche Ressour-
cen sowohl für die Implementierung, als auch
für den Betrieb und die Wartung von ERP-Sys-
temen sowie die notwendige Betriebsausstat-
tung (z. B. Hardware, Räumlichkeiten für Re-
chenzentren) aufgebracht werden (vgl. Elragal/
Kommos (2012), S. 2; Makkar/Meenakshi
(2012), S. 141). Vor allem für KMU sind die ho-
hen
Total Cost of Ownership
(TCO) und der
zeitaufwändige Implementierungsprozess oft-
mals ausschlaggebend für die Nichteinführung
von on-premise ERP-Systemen. Demgegen-
über bietet
ERPaaS als on-demand-Benut-
zungsservice von Soft- und Hardware Un-
ternehmen zumeist kurzfristige Kosten-
einsparungspotenziale und eine verein-
fachte Implementierung
(vgl. Arnesen
(2013), S. 48; Benlian et al. (2009), S. 14). Bei
ERPaaS entfällt die Entrichtung der einmaligen
Lizenzgebühr für die Anschaffung der Soft-
ware, da die ERP-Systeme ausschließlich on-
demand über das Internet benutzt werden und
die CSP im Besitz der Software bleiben. Die
Vergütung der Services erfolgt in Abhän-
gigkeit von Nutzungsumfang
, -intensität,
und -dauer (z. B. genutzte Module) (vgl. Jose-
fiok/Göring/Rohde (2014), S. 28; Kleinert/
Sontow (2010), S. 24). Die Gebühren für die
Nutzung werden dabei
üblicherweise mo-
natlich abgerechnet, wodurch sie für das
Controlling besser planbar und die TCO
meist geringer
als die von intern gehosteten
ERP-Systemen sind (vgl. Arnesen (2013), S.
48; Elragal/Kommos (2012), S. 7; Johansson/
Ruivo (2013), S. 95). Die geringeren TCO kön-
nen damit begründet werden, dass durch das
Outsourcing und die gemeinsame Nutzung vir-
tueller IT-Ressourcen eine
Aufteilung der
Kosten auf eine Vielzahl an Nutzern erfolgt
,
wodurch die finanziellen Aufwendungen für die
Hardware wesentlich reduziert werden können
(vgl. Gill (2011), S. 45; Kleinert/Sontow (2010),
S. 25). Zunächst sind weniger oder gar keine
zusätzlichen Server nötig, da die CSP die ge-
samte IT-Infrastruktur als SaaS über das Inter-
net zur Verfügung stellen und darauf die ent-
sprechenden ERP-Systeme betreiben. Infolge
der geringeren notwendigen Hardwareausstat-
tung fallen für die Unternehmen weniger Tätig-
keiten hinsichtlich Implementierung, Administ-
ration und Wartung der IT-Systeme an, wo-
durch Personalressourcen (auch im Control-
ling) geschont werden können.
Da die Kernkompetenz der CSP in der Bereit-
stellung zuverlässiger, möglichst fehlerfreier
Services besteht und die Implementierungen
zahlreich erprobt sind, ist von einer geringeren
Ausfallswahrscheinlichkeit auszugehen. Soll-
ten dennoch Probleme auftreten, ist eine
schnellere Behebung derartiger Ausfälle im
Vergleich zur Wiederherstellung durch die ei-
gene IT-Abteilung anzunehmen (vgl. Bitkom
(2009), Internet, S. 71). Dadurch können Un-
terbrechungen des operativen Geschäfts, die
erhebliche Kosten nach sich ziehen können,
verkürzt bzw. minimiert werden. Des Weiteren
entfällt für die Unternehmen das Erstellen re-
gelmäßiger Backups. Deren Daten sind auf
den Servern der CSP abgespeichert und da-
her
übernehmen diese auch die Sicherung
der Daten
(vgl. Arnesen (2013), S. 49; Benli-
an et al. (2009), S. 15; Makkar/Meenakshi
(2012), S. 143). Das Betriebsrisiko wird durch
hohe Wartungsfrequenzen, regelmäßige Da-
tensicherungen und umfangreiche Recovery-
Services zusätzlich vermindert (vgl. Kleintert/
Sontow (2010), S. 26).
Eine weitere Chance von ERPaaS bietet die
Verkürzung der Implementierungsdauer
, da
der Implementierungsprozess weitgehend von
den CSP durchgeführt wird. Neben der Zeitein-
sparung bei der Implementierung kann der
Zeitaufwand auch bei der Suche nach externen
Partnern, Schulungen sowie Minimierung pro-
visorischer Schnittstellen reduziert werden, wo-
durch KMU profitieren können. Darüber hinaus
erlaubt die zeitliche Reduktion bzw. der Wegfall
der Mitarbeit bei einer ERP-System-Implemen-
tierung dem Personal (z. B. Controllern), sich
stärker auf die operativen Aufgaben zu konzen-
trieren (vgl. Elragal/Kommos (2012), S. 9; Gill
(2011), S. 45).
Bei ERPaaS (as a service) werden von den Soft-
wareanbietern standardisierte, branchenspezi-
fische best-practice Geschäftsprozesse vorge-
geben, die
in einem deutlich geringeren
Umfang als bei on-premise ERP-Systemen
individualisierbar sind
und an interne Ablauf-
strukturen angepasst werden können (vgl. Ar-
nesen (2013), S. 49; Johansson/Ruivo (2013),
S. 98). Die Vorgabe dieser standardisierten Ge-
schäftsprozesse wird in der Literatur kontrovers
diskutiert. Einerseits entfällt die Entwicklung
kundenindividueller Geschäftsprozesse und die
geringere Individualisierbarkeit sowie der höhe-
re Grad an Standardisierung können zu einer
beträchtlichen Verkürzung der Implementie-
rungszeit und zu einer Verringerung der Kosten
beitragen (vgl. Johansson/Ruivo (2013), S. 98).
Andererseits wird dies als Nachteil angesehen,
da
kundenspezifische Geschäftsprozesse
nur sehr eingeschränkt im ERPaaS abgebil-
det
werden können und
daher die Geschäfts-
prozesse der Unternehmen oftmals an das
EPRaaS anzupassen sind
. KMU benötigen
verglichen mit Großunternehmen tendenziell
kein hohes Maß an Individualisierung, da deren
Geschäftsprozesse sich zumeist (noch) nicht so
komplex darstellen (vgl. Josefiok/Göring/Rohde
(2014), S. 28). Demnach können sie bei einer
gezielten Auswahl des richtigen ERPaaS-Anbie-
ters durchaus von den vorgegebenen Standard-
prozessen profitieren.
Neben den Kosten- und Zeiteinsparungspoten-
zialen ist eine weitere Chance von ERPaaS in
der
Vereinfachung von Upgrades
zu sehen.
On-premise ERP-Systeme erfordern nicht nur
eine Installation der Software auf jedem einzel-
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