Controller Magazin 3/2017 - page 55

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Blicks in die Glaskugel des Silicon Valleys,
sondern bereits heute in der einen oder ande-
ren Form und an der einen oder anderen Stel-
le Realität. Nimmt man diese Entwicklungen
und das damit verbundene Effizienzpotenzial
zusammen, ist naheliegend, was das für eine
funktionale Serviceeinheit wie den Controller-
bereich heißt: Letztlich wird ein Großteil der
Controllerstellen wegfallen. „Einen Moment!“,
werden Sie an dieser Stelle vielleicht sagen.
Das mag zwar alles sein, aber dann werden
wir uns halt
als
Business Partner höher-
wertigen Aufgaben zuwenden und in Ent-
scheidungsprozessen auf
Augenhöhe mit
dem Management Wert stiften:
Digitalisie-
rung als Chance für die Controllerschaft. Und
ja, ich gebe Ihnen Recht. Das mag und wird
wohl auch für einige Jahre genau so sein – zu-
mindest wenn zwei nicht ganz nebensächliche
Bedingungen wirklich gegeben sind:
Wenn
Fähigkeiten und Mindset der Controller
diesen neuen Herausorderungen auch ge-
recht werden
, und wenn die Unternehmens-
leitung die freiwerdenden Kapazitäten nicht
unmittelbar zur Steigerung der Ebit-Marge
nutzt. Und ohne Zweifel ist der
Bedarf an ra-
tionalitätssichernder Begleitung des Ma-
nagements in Zeiten des Umbruchs im-
mens
; groß die Gefahr, dass Manager der Illu-
sion aufsitzen, immer mehr Daten und wun-
derbare neue technische Möglichkeiten
würden rationale Entscheidungen gewisser-
maßen im Alleingang realisieren.
Controlling
wird also weiter gebraucht!
Controlling ohne Controller
Ich bin aber sehr davon überzeugt, dass am
Ende Effizienzdruck und globale Harmonisie-
rung trotz des tatsächlich vorhandenen Be-
darfs an Rationalitätssicherung dafür sorgen
werden,
dass sich Manager dieser Heraus-
forderung ohne umfangreiche Controller-
begleitung stellen müssen
und den Großteil
der verbleibenden Controller- bzw. Business
Partner-Aufgaben selbst übernehmen werden.
Schließlich ist dann der Zugang zu Daten (Self
Service-BI) und Methoden (Apps) demokrati-
siert und der Controller kann nicht mehr als
Gatekeeper der Daten und betriebswirtschaftli-
chen Methoden Mehrwert stiften. Gleichzeitig
sind Manager zunehmend besser in den Tech-
niken des Finanz- und Rechungswesens aus-
gebildet als noch vor 10 oder 20 Jahren. Ent-
sprechend sind sie auch immer mehr in der
Lage, die
analytische Fundierung von Ent-
scheidungen selbst zu übernehmen
. Ja, der
Weg dahin ist zweifelsohne noch ein weiter,
aber wenn wir die Konsequenzen der techni-
schen Entwicklung zu Ende denken, werden
wir am Ende der Entwicklung aller Voraussicht
nach genau an dieser Stelle landen.
Self-Controlling des
Managements
Das mittlerweile bereits in die Jahre gekom-
mene Postulat aus den 90er Jahren, Control-
ling durch Controller müsse durch ein Self-
Controlling der Manager ersetzt werden, wird
so mit reichlich Verspätung doch noch Reali-
tät. Controlling ist dann eine Management-
Philosopie oder ein Mindset, das Transparenz
und die Notwendigkeit eines offenen Informa-
tionsaustauschs, eine nach vorne denkende,
faktenbasierte und analytische Entschei-
dungskultur, konsequente Zielorientierung und
Verantwortlichkeit sowie eine Kultur der kons-
truktiven Kritik und des gemeinsamen Lernens
in den Mittelpunkt stellt.
Der Controllerbe-
reich hingegen wird zunehmend auf einige
wenige Experten reduziert
, die in einem
Center of Expertise Steuerungskonzepte ent-
wickeln und Controlling Know-how vorhalten,
und technische Enabler, die etwa den Kontext
von Self Service-BI und Treiberbäumen gestal-
ten. Diese können, müssen aber nicht zwin-
gend aus dem Controllerbereich kommen,
sondern können auch Teil der IT-Funktion sein.
Sie werden ergänzt durch Data Science
Teams, die sich der Analyse von Big Data ver-
schrieben haben.
Controlling-Gedanke als Mindset
wichtiger denn je
Während der Controllerbereich also auf ein Mi-
nimum reduziert wird,
ist der Controlling-
Gedanke als Mindset des Managements
wichtiger denn je, um die Herausforderun-
gen von digitaler Veränderung im Ge-
schäftsmodell der Unternehmung und zu-
nehmender Volatilität des Umfelds erfolg-
reich zu bewältigen
. So hat etwa jüngst eine
Studie der WHU gezeigt, dass eine Kultur des
offenen Informationsaustauschs und der kons-
truktiven Kritik zentraler Treiber eines erfolg-
reichen Umgangs mit Volatilität ist. Und viele
ebenfalls unter hoher Unsicherheit operieren-
de Start-Ups oder auch führende Unterneh-
mensberatungen sind im Tagesgeschäft ge-
nau durch einen solchen Mindset von Transpa-
renz, Analytik, Zielorientierung und gemeinsa-
mem Lernen charakterisiert – auch wenn dort
niemand auf die Idee kommen würde, dabei
von Controlling zu sprechen. Warum? Weil wir
Controlling immer noch viel zu sehr mit den
formalen Prozessen der Vergangenheit assozi-
ieren, die aber eben zunehmend automatisi-
sert werden oder sehr verschlankt im globalen
Shared Service verschwinden.
Was bleibt, ist
die hinter dem Controlling stehende Idee.
Und wenn Manager besser als in der Vergan-
genheit in die Lage versetzt werden, diese
selbst zu realisieren, sollten sie das auch tun.
Braucht die Welt also im zwanzig Jahren noch
Controller, wie wir sie heute kennen? Kaum.
Am Ende wird gelten: „Der Controller ist tot, es
lebe das Controlling!“
Autor
Prof. Dr. Utz Schäffer
ist Direktor des Instituts für Management und Controlling (IMC) der
WHU – Otto Beisheim Scholl of Management Campus Valendar,
Burgplatz 2, D-56179 Vallendar;
ist
zudem Mitglied des Kuratoriums des Internationalen Controller
Vereins (ICV).
E-Mail:
CM Mai / Juni 2017
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