Controller Magazin 3/2017 - page 41

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Middle Management zu überlegen, welche Bei-
träge die eigene Organisationseinheit zur stra-
tegischen Zielerreichung wie und bis wann leis-
ten muss, d. h. jeder Verantwortliche im Middle
Management sollte für seinen Verantwortungs-
bereich einen konkreten taktischen Umset-
zungsplan (samt Milestones) erstellen.
Bevor diese taktischen Pläne kommuniziert
werden, sollten sie nochmal mit dem Top-Ma-
nagement abgestimmt werden. Hierzu eignen
sich i. d. R. dedizierte
taktische Workshops
(die auch explizit als solche bezeichnet werden)
besser als allgemeine und oft inflationär ge-
brauchte „Strategiemeetings“. Nach dieser Ab-
stimmung können dann die taktischen Ziele an
die jeweiligen Teamleiter kommuniziert, und im
Rahmen von Zielvereinbarungen in
Personal-
gesprächen
explizit verankert werden.
Wichtig dabei ist, dass anschließend regelmä-
ßig nicht nur die Erreichung der gesetzten tak-
tischen Ziele, sondern auch die sich ggf. än-
dernden äußeren Rahmenbedingungen konti-
nuierlich überprüft werden müssen. Nur so
wird erkenntlich, ob und welche taktischen
Planänderungen zur Erreichung der unverän-
derten strategischen Ziele notwendig werden.
D. h. während die Strategie konsequent weiter
verfolgt wird, kann und soll sich die taktische
Planung veränderten Rahmenbedingungen
und neuen Erkenntnissen anpassen (durch
Kommunikation modifizierter und/oder neuer
taktischer Ziele). Dabei ist es von Anfang an
wichtig, dass alle Beteiligten verstehen, dass
solche taktischen Änderungen (im Gegensatz
zu Strategieänderungen) öfter vorkommen
können, und warum diese im Einzelfall vollzo-
gen werden (taktische Adjustierungen).
Um
Klarheit und Ruhe in die Veränderungspro-
zesse zu bringen, sollten strategische Ad-
justierungen hingegen sehr viel seltener
erfolgen als taktische Adjustierungen.
Strukturiertes taktisches Agieren ermöglicht
es so, dass langfristig angelegte Strategien
auch in einem volatilen Umfeld nachhaltig um-
gesetzt werden können.
Aber dieser strukturierte taktische Prozess
reicht allein oft noch nicht aus, um die ge-
wünschten strategischen Ziele zu erreichen,
da der Mensch eben keine Maschine ist, son-
dern aus Fleisch und Blut, Herz und Seele,
Ängsten und Wünschen besteht. Wenden wir
uns also nun der zweiten Facette des Tactical
Gap zu – den psychosozialen und psychischen
Mechanismen.
Psychosoziale und psychische
Mechanismen im dynamischen
Firmenwandel
Während von außen das Marktumfeld die Er-
folgschancen eines Unternehmens determi-
niert, bestimmen von innen die betrieblichen
Strukturen und – wenn man den Blick noch
weiter ins Innen richtet – die handelnden sowie
entscheidenden
Individuen
die Ergebnisse der
gemeinsamen Arbeit. Diese Innenperspektive
ruft die Psychologie und aufgrund des Zusam-
menhangs von individuellen, zwischenmensch-
lichen, organisatorischen und gesellschaftli-
chen Prozessen insbesondere die Sozialpsy-
chologie auf den Plan. Der von Politikern nicht
immer geliebte, aber von Ökonomen doch sehr
geschätzte John Maynard
Keynes
erkannte
bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts die
Tragweite psychischer Momente für ökonomi-
sche Abläufe – und er erkannte dabei ein bis
heute bestehendes Problem der Wirtschafts-
wissenschaften: die Frage nach einem für kom-
plexe ökonomische Abläufe adäquaten Subjekt-
begriff. In der Regel arbeiten die Wirtschafts-
wissenschaften auf der psychologischen Ebene
mit dem Begriff eines
‚Homo Economicus‘
,
welcher basierend auf der Rational Choice The-
ory ein letztgültig berechenbares Wesen dar-
stellt. Die Erfahrung, sowie auch die Human-
wissenschaften (wie mittlerweile auch die Neu-
robiologie) zeigen jedoch, dass menschliches
Erleben und Verhalten – und damit auch Ar-
beitsabläufe, Kreativität, Kommunikationswei-
sen sowie Entscheidungsprozesse – nur sehr
begrenzt berechenbar sind. In erster Linie wer-
den alle diese menschlichen Phänomene von
Gefühlen, Leidenschaften,
Motivationen und
Ängsten
und erst sekundär von rationalen Er-
wägungen bestimmt.
CM Mai / Juni 2017
Abb. 2: Der taktische Zieltransformationsprozess
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