39
          
        
        
          Middle Management zu überlegen, welche Bei-
        
        
          träge die eigene Organisationseinheit zur stra-
        
        
          tegischen Zielerreichung wie und bis wann leis-
        
        
          ten muss, d. h. jeder Verantwortliche im Middle
        
        
          Management sollte für seinen Verantwortungs-
        
        
          bereich einen konkreten taktischen Umset-
        
        
          zungsplan (samt Milestones) erstellen.
        
        
          Bevor diese taktischen Pläne kommuniziert
        
        
          werden, sollten sie nochmal mit dem Top-Ma-
        
        
          nagement abgestimmt werden. Hierzu eignen
        
        
          sich i. d. R. dedizierte
        
        
          taktische Workshops
        
        
          (die auch explizit als solche bezeichnet werden)
        
        
          besser als allgemeine und oft inflationär ge-
        
        
          brauchte „Strategiemeetings“. Nach dieser Ab-
        
        
          stimmung können dann die taktischen Ziele an
        
        
          die jeweiligen Teamleiter kommuniziert, und im
        
        
          Rahmen von Zielvereinbarungen in
        
        
          Personal-
        
        
          gesprächen
        
        
          explizit verankert werden.
        
        
          Wichtig dabei ist, dass anschließend regelmä-
        
        
          ßig nicht nur die Erreichung der gesetzten tak-
        
        
          tischen Ziele, sondern auch die sich ggf. än-
        
        
          dernden äußeren Rahmenbedingungen konti-
        
        
          nuierlich überprüft werden müssen. Nur so
        
        
          wird erkenntlich, ob und welche taktischen
        
        
          Planänderungen zur Erreichung der unverän-
        
        
          derten strategischen Ziele notwendig werden.
        
        
          D. h. während die Strategie konsequent weiter
        
        
          verfolgt wird, kann und soll sich die taktische
        
        
          Planung veränderten Rahmenbedingungen
        
        
          und neuen Erkenntnissen anpassen (durch
        
        
          Kommunikation modifizierter und/oder neuer
        
        
          taktischer Ziele). Dabei ist es von Anfang an
        
        
          wichtig, dass alle Beteiligten verstehen, dass
        
        
          solche taktischen Änderungen (im Gegensatz
        
        
          zu Strategieänderungen) öfter vorkommen
        
        
          können, und warum diese im Einzelfall vollzo-
        
        
          gen werden (taktische Adjustierungen).
        
        
          Um
        
        
          Klarheit und Ruhe in die Veränderungspro-
        
        
          zesse zu bringen, sollten strategische Ad-
        
        
          justierungen hingegen sehr viel seltener
        
        
          erfolgen als taktische Adjustierungen.
        
        
          Strukturiertes taktisches Agieren ermöglicht
        
        
          es so, dass langfristig angelegte Strategien
        
        
          auch in einem volatilen Umfeld nachhaltig um-
        
        
          gesetzt werden können.
        
        
          Aber dieser strukturierte taktische Prozess
        
        
          reicht allein oft noch nicht aus, um die ge-
        
        
          wünschten strategischen Ziele zu erreichen,
        
        
          da der Mensch eben keine Maschine ist, son-
        
        
          dern aus Fleisch und Blut, Herz und Seele,
        
        
          Ängsten und Wünschen besteht. Wenden wir
        
        
          uns also nun der zweiten Facette des Tactical
        
        
          Gap zu – den psychosozialen und psychischen
        
        
          Mechanismen.
        
        
          
            Psychosoziale und psychische
          
        
        
          
            Mechanismen im dynamischen
          
        
        
          
            Firmenwandel
          
        
        
          Während von außen das Marktumfeld die Er-
        
        
          folgschancen eines Unternehmens determi-
        
        
          niert, bestimmen von innen die betrieblichen
        
        
          Strukturen und – wenn man den Blick noch
        
        
          weiter ins Innen richtet – die handelnden sowie
        
        
          entscheidenden
        
        
          Individuen
        
        
          die Ergebnisse der
        
        
          gemeinsamen Arbeit. Diese Innenperspektive
        
        
          ruft die Psychologie und aufgrund des Zusam-
        
        
          menhangs von individuellen, zwischenmensch-
        
        
          lichen, organisatorischen und gesellschaftli-
        
        
          chen Prozessen insbesondere die Sozialpsy-
        
        
          chologie auf den Plan. Der von Politikern nicht
        
        
          immer geliebte, aber von Ökonomen doch sehr
        
        
          geschätzte John Maynard
        
        
          Keynes
        
        
          erkannte
        
        
          bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts die
        
        
          Tragweite psychischer Momente für ökonomi-
        
        
          sche Abläufe – und er erkannte dabei ein bis
        
        
          heute bestehendes Problem der Wirtschafts-
        
        
          wissenschaften: die Frage nach einem für kom-
        
        
          plexe ökonomische Abläufe adäquaten Subjekt-
        
        
          begriff. In der Regel arbeiten die Wirtschafts-
        
        
          wissenschaften auf der psychologischen Ebene
        
        
          mit dem Begriff eines
        
        
          ‚Homo Economicus‘
        
        
          ,
        
        
          welcher basierend auf der Rational Choice The-
        
        
          ory ein letztgültig berechenbares Wesen dar-
        
        
          stellt. Die Erfahrung, sowie auch die Human-
        
        
          wissenschaften (wie mittlerweile auch die Neu-
        
        
          robiologie) zeigen jedoch, dass menschliches
        
        
          Erleben und Verhalten – und damit auch Ar-
        
        
          beitsabläufe, Kreativität, Kommunikationswei-
        
        
          sen sowie Entscheidungsprozesse – nur sehr
        
        
          begrenzt berechenbar sind. In erster Linie wer-
        
        
          den alle diese menschlichen Phänomene von
        
        
          Gefühlen, Leidenschaften,
        
        
          Motivationen und
        
        
          Ängsten
        
        
          und erst sekundär von rationalen Er-
        
        
          wägungen bestimmt.
        
        
          
            CM Mai / Juni 2017
          
        
        
          
            Abb. 2: Der taktische Zieltransformationsprozess