Controller Magazin 3/2017 - page 38

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Die so ermittelte Ausfallwahrscheinlichkeit (In-
solvenzwahrscheinlichkeit) ist ein Risikomaß,
mit dem in der Kreditwirtschaft die Bewertung
des Risikos vorgenommen wird.
Konkret wer-
den pauschale Wertberichtigungen auf
Forderungen so errechnet.
Der Track Record dieses Bilanzratings seit sei-
ner Einführung in 2006 zeigt, dass die Ver-
schlechterung der Bestandfestigkeit von Unter-
nehmen frühzeitig erkannt werden kann. Die
Ratinghistorie der URA Rating Agentur für alle
seit 2010 an deutschen Mittelstandsbörsen
gelisteten Unternehmensanleihen, ausgewer-
tet auf der Basis von Quartals-, Halbjahres-
und Jahresabschlüssen,
belegt, dass der
Verkauf einer Anleihe bei einem ersten
Downgrade der URA-Bewertung deutliche
Vermögensverluste bei den Investoren ver-
hindert hätten
.
Fazit
Die Rechnungslegungssysteme der Unterneh-
men produzieren monatlich, vierteljährlich und
jährlich Bilanzkennzahlen, die der Geschäftslei-
tung helfen sollen, das Unternehmen zu führen.
Controller und Risk Manager bereiten sie hier-
für auf. Steuerberater und Wirtschaftsprüfer
weisen sie in ihren Berichten aus. Was meis-
tens fehlt, ist ein qualifizierter Benchmarkver-
gleich und die Ermittlung von Risikomaßen, die
der Geschäftsleitung sagen, ob sie auf Kurs se-
gelt oder auf eine Krise zusteuert.
Die Integration relevanter und anerkannter
Kennzahlen im Risikomanagement und
beim Controlling des Unternehmens ist des-
halb unverzichtbar.
Da bei einer funktionie-
renden Zusammenarbeit von Controlling und
Risikomanagement die Planabweichungen zu
kommunizieren sind, müssen einheitliche
Kennzahlen Verwendung finden. Die Risiko-
maße müssen ermittelt werden. Das von § 91
Abs. 2 AktG geforderte „Erkennen“ einer be-
standsbedrohenden Entwicklung setzt die
Risikoaggregation für die Bestimmung des
Gesamtrisikoumfangs voraus.
Die große Verbreitung bei betriebswirtschaftlich
ambitionierten Steuerberatern und Wirtschafts-
prüfern in Deutschland, bei den Analysten der
URA Rating Agentur, München, und deren Kun-
den in Deutschland, Österreich und den Nie-
derlanden belegt die Best Practice, die ich im
Folgenden vorstellen will.
Warum sollte das Risiko-Management im Un-
ternehmen ein solches Kennzahlensystem von
5 Rating-Kennzahlen integrieren? Es ist sicher
wichtig, gelegentlich in den Spiegel zu schau-
en, bevor andere ihr Urteil fällen. Erfolgt ein
„Schattenrating“ im Unternehmen mit qualifi-
zierten Daten und dem Sachverstand eines Ri-
sikomanagers, so verschwindet die Blackbox,
die das Rating der Kreditinstitute, Auskunfteien
und Kreditversicherer für viele Manager immer
noch darstellt.
Die Top-Kennzahlen, um insolvente von
solventen Firmen zu unterscheiden
Nachstehende
Rating-Kennzahlen-Definitio-
nen
verwendet die KRILOG-Formel vom Prof.
Leker; diese haben sich als besonders trenn-
scharf erwiesen, um insolvente von solventen
Firmen zu unterscheiden:
·
Anteil des ordentlichen Ergebnisses:
Or-
dentliches Ergebnis / Nettobilanzsumme für
das Rating,
·
Bank- und Lieferantenanteil:
Bank- und
Lieferantenverbindlichkeiten / Nettobilanz-
summe für das Rating,
·
Fremdkapitalzinslast:
Zinsen und ähnliche
Aufwendungen ohne Zinsaufwand aus der
Abzinsung von Rückstellungen / Verbindlich-
keiten,
·
Anteil kurzfristiger Verbindlichkeiten:
Kurzfristige Verbindlichkeiten / Umsatzerlöse,
·
Anteil Eigenmittel:
Ratingorientiertes, wirt-
schaftliches Eigenkapital / ratingorientierte
Bilanzsumme.
Die Funktionsgüte des Bilanzratings ist die Tref-
ferquote, die das Ratingsystem anhand der
Analysestichproben erzielt. Das Ergebnis der
richtig vorhergesagten ausgefallenen Unter-
nehmen beträgt bei der dokumentierten Test-
stichprobe 82,8%, das der nicht ausgefallenen
Unternehmen 78,8%. Die „Area under ROC“-
Kurve beträgt 88,4%.
Eine solche Ampellogik sollte das Risikoma-
nagement bei der Integration von Finanzie-
rungs-Kennzahlen im Unternehmen einfüh-
ren.
Die Grenzwerte können den hier zitierten
Standards entnommen werden. Es ist natürlich
möglich, dass entsprechend den Konzernvor-
gaben eigene oder branchenorientierte Werte
vorgegeben werden.
Rating-Kennzahlen
Cash is King! Isn´t it? Kollabiert der Liquiditäts-
kreislauf des Unternehmens, ist es tot. Gefah-
ren für den Liquiditätskreislauf rechtzeitig zu
erkennen, ist die Aufgabe des Risikomanage-
ments im Unternehmen. Doch wie geht dies?
Welche Best Practice gibt es bereits?
Rating-Kennzahlen dienen zunächst nicht der
Unternehmenssteuerung, sondern ausschließ-
lich der Trennschärfe bei der Bewertung von in-
solvenzbedrohten und gesunden Unternehmen.
Die Deutsche Bundesbank war eine der Ersten,
die mathematisch-statistische Verfahren bei
der Kreditentscheidung im Wechselgeschäft
eingeführt und bis heute weiterentwickelt hat.
Es gibt aktuell für die IT-gestützte Kreditanalyse
v. a. folgende anerkannte Verfahren:
mathe-
matisch-statistische Verfahren
(z. B. Diskri-
minanzanalyse, logistische Regressionsanaly-
se),
Künstliche Intelligenz
(Expertensysteme,
Neuronale Netze, Fuzzy Logik),
Monte-Carlo-
Simulation
. Prof. Dr. Jörg Baetge begründete
an seinem Lehrstuhl in Münster die Methode
des Bilanzratings für bedeutende deutsche Kre-
ditinstitute.
Diese Entwicklungen sind Grundlage für ver-
schiedene bankinterne Ratingsysteme wie auch
für das Ratingsystem Moody´s Risk Calc. Der
Schule von Prof. Dr. Hauschild, Universität Kiel,
sind die Professoren Dr. Jens Leker und Prof.
Dr. Harald Krehl entwachsen. Mit der am Lehr-
stuhl von Prof. Leker an der Universität Münster
entwickelten KRILOG-Formel für die logistische
Regressionsanalyse von Bilanzen zur Ermittlung
der einjährigen Ausfallwahrscheinlichkeit von
Unternehmen wurde ein weiterer Ratingstan-
dard geschaffen. Dank der DATEV steht dieser
den beratenden Berufen in Deutschland und
zwischenzeitlich in ganz Europa für die Analy-
sen und das Rating von Bilanzen zur Verfügung.
Integrierte Kennzahlen im Risikomanagement & Controlling
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