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möchte ich zumindest modellhaft auf drei Ebe-
nen antworten:
Auf
erster Ebene
– nennen wir sie
inhaltliche
oder sachliche Ebene
– gehe ich mal davon
aus, dass Berichte der Entscheidung dienen.
Dabei sollte zunächst zwischen
Informations-
bedarf
, Informationsnachfrage und Informati-
onsangebot unterschieden werden. Als Infor-
mationsbedarf sollen die entscheidungsrele-
vanten, wirtschaftlich sinnvollen Informationen
gelten. Die Wünsche der Adressaten bzw. die
ggf. relevanten gesetzlichen Vorschriften stel-
len die
Informationsnachfrage
dar. Als
Infor-
mationsangebot
soll das gelten, was der Be-
richtersteller in diesen integriert. Stellt man die-
se drei Bereiche als Kreise dar, dann sollte die
Schnittmenge der drei Kreise, der den relevan-
ten Informationsstand des Entscheidungsträ-
gers darstellt, möglichst groß sein. Für eine
zielorientierte Informationswirtschaft im Unter-
nehmen bedeutet das, dass bekannt ist, wel-
che Informationen entscheidungsrelevant sind,
dieser Informationsbedarf auch von der Unter-
nehmensleitung als solcher akzeptiert wird und
der Controller das entsprechende Informations-
angebot erstellt. Es gibt allerdings kein Unter-
nehmen, in dem diese drei Kreise übereinan-
derliegen. Im Hinblick auf den Versuch, die
Schnittmenge zu vergrößern, sollte beachtet
werden: Der stabilste der Kreise sollte der des
Informationsbedarfs sein, sofern dessen Er-
mittlung sachgerecht erfolgte.
Bei jedem Bericht spielt auch eine
zweite Ebe-
ne
– nennen wir sie mal
Beziehungsebene
–
eine Rolle:
Die Erstellung und die Interpreta-
tion der Informationen werden beeinflusst
durch die Situation, das Erfahrungswissen
und die Wortwahl.
Wenn Ersteller und Emp-
fänger „andere Sprachen sprechen“ bzw. un-
terschiedliches Hintergrundwissen oder unter-
schiedliche Erwartungen haben, dann verste-
hen sie auch noch so sachgerecht erstellte Be-
richtsinhalte unterschiedlich bzw. nicht. Die
Empfänger von Berichten aus dem Controlling
sollten also nicht nur wissen, was Kapitalwerte,
interne Zinsfüße und Deckungsbeiträge sind,
sondern auch, wie diese berechnet werden und
was deren Vor- und Nachteile bzw. Aussage-
grenzen sind.
Als
dritte Ebene
kommt noch die
Beeinflus-
sungsebene
hinzu: Der Ersteller sammelt,
filtert und gestaltet die Informationen. Selbst
„harte“ Informationen kann er z. B. durch be-
wusste oder unbewusste Verwässerung be-
einflussen. Mit zielgerichteter Semantik lassen
sich zudem, wie in vielen anderen Lebensbe-
reichen auch, Sachverhalte so beschreiben,
dass zwar eine richtige Aussage getroffen
wird, jedoch die Formulierung eine ande-
re Wahrnehmung beim Empfänger bewir-
ken kann.
Die Adressaten von Berichten soll-
ten sich dessen bewusst sein. Sie sollten sen-
sibilisiert sein.
Biel:
Das war eine beeindruckende Darstel-
lung, vor allem auch für Controllerinnen und
Controller. Können Sie die genannten Ebenen
auf den Lagebericht übertragen?
Freichel:
Der Gesetzgeber gibt in der Tat –
und damit ist die
erste Ebene
angesprochen
– zahlreiche Informationsaspekte teilweise
recht abstrakt regulatorisch vor. Der Unter-
nehmer, also der Informationsanbieter,
hat
oftmals ein Interesse daran, nicht allzu
viele Informationen preiszugeben
, die der
Informationsnachfrager sich erwünscht – teil-
weise wünscht sich dieser vielleicht sogar In-
formationen, die nicht reguliert sind. Somit
kann davon ausgegangen werden, dass die
Schnittmenge in der Rechnungslegungspraxis
und vor allem beim Lagebericht nicht allzu
groß sein wird.
Im Hinblick auf den Aspekt der angesproche-
nen
Beziehungsebene
, also hinsichtlich der
zweiten Ebene
, ist bzgl. der Fachkompetenz
der Adressaten zu fragen, ob für die Beurtei-
lung der Lageberichterstattung unterstellt
wird, dass diese sachverständige Dritte sind
oder nicht. Die Rechnungslegung richtet sich
nämlich im Unterschied zu den Anforderun-
gen, die an ein System – wie das der Buchfüh-
rung – zu stellen sind bzw. Teile des Aufsichts-
rats betreffen,
an jedermann und eben nicht
an sachverständige Dritte.
Allerdings kann
der Eindruck nicht zerstreut werden, dass die
Komplexität der Lageberichterstattung in praxi
von dem Abschlussadressaten ein wirtschafts-
wissenschaftliches Studium erfordert.
Die
dritte Ebene
, die Beeinflussungsebene,
hatten wir ja in Teil 1 (CM 1/2016) schon the-
matisiert.
Biel:
Mit dem Lagebericht erhält die
Unterneh-
mensleitung die Gelegenheit, aus ihrer
Sicht und mit ihrer Einschätzung das Un-
ternehmen darzustellen. Lassen Sie uns
das Thema bitte etwas drehen. Wieweit
kann ein Unternehmen
die Erstellung eines
Lageberichts auch für „PR-Zwecke“ nutzen,
um bestimmte Effekte in der Öffentlichkeit zu
erzielen, vielleicht irreführende Verhältnisse
vermitteln, zumal die Möglichkeiten des Ab-
schlussprüfers insbesondere bei qualitativen
Prüfungen begrenzt sind.
Brösel:
Vor allem beim Lagebericht, der zahl-
reiche Freiräume inhaltlicher und gestalteri-
scher Art gewährt, sollten die Unternehmen
im
eigenen Interesse über die Qualität der Be-
Abb. 1: Eine große Schnittmenge von Informationsnachfragen, -bedarf und -angebot wird angestrebt
CM März / April 2016