CONTROLLER Magazin 2/2016 - page 65

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Eine Ikone der deutschen Industrie, Volkswa-
gen, ist in turbulentes Fahrwasser geraten. Die
Tragweite des Abgasskandals lässt sich noch
immer nicht in Gänze abschätzen, auch nicht,
ob der Skandal nur VW alleine oder den ganzen
Standort Deutschland betrifft. Als Controller
stellen wir in guter Deyhle´scher Tradition keine
Rückspiegelfragen. Uns sollte es darum gehen,
was wir aus dem Fall lernen können, was in
Zukunft besser zu machen ist. Für mich sind
dies die folgenden drei Lektionen.
Lektion 1: Die Kultur zählt!
Viele Kommenta-
re zur Krise bei VW bemühen prominent das
Thema Unternehmenskultur. Wolfsburg wird
danach durch starke Ingenieure geführt, die
ein ausgeprägtes Ego und der Glaube an die
Machbarkeit ihrer Ideen verbindet. Diese „Ma-
cho-Kultur“ sei sowohl sehr ausgeprägt als
auch stark verwurzelt. Wenn das stimmt, passt
das sehr gut in ein von mir an dieser Stelle
schon häufiger angesprochenes Muster: Wer
auf eine offene, transparente Kommunikation
verzichtet, Kritik nicht sucht, sondern im Ge-
genteil ständig signalisiert, dass sie weder nö-
tig noch erwünscht ist, handelt (grob) fahrläs-
sig. Spätestens in den aktuell so unsicheren
und volatilen Zeiten ist die Fähigkeit eines Un-
ternehmens, möglichst viele Informationen
„auf dem Schirm zu haben“, zentral bedeut-
sam, wenn nicht der wichtigste Erfolgsfaktor.
Dies gilt nach außen, in die Märkte und das
Umfeld, ebenso wie nach innen. Die Kultur der
Transparenz und des kritischen Widerspruchs
wird immer mehr zum Engpass für den Erfolg
der Unternehmen.
Lektion 2:
Ziele müssen realistisch blei-
ben.
Hohe Ziele zu setzen, bringt Unterneh-
men voran; zu hohe Ziele können sie aber
auch wieder zurückwerfen. Die Reaktion auf
zu hohe Ziele ist mehrstufig. Zunächst versu-
chen die Manager, die Ziele zumindest im lau-
fenden Jahr zu schaffen. Kurzfristiges Denken
und Handeln, Sparaktionen und ein Verzicht
auf Zukunftsinvestitionen sind die Folge.
Reicht das nicht mehr, folgen Maßnahmen ei-
ner bewussten Gestaltung der Zielerreichung,
sei es z. B. durch das Ausnutzen von Bewer-
tungsspielräumen, sei es durch das Vorziehen
von Aufträgen aus dem nächsten Jahr. Am
Ende stehen Manipulationen. Der VW-Skan-
dal ist nur eines von sehr vielen praktischen
Beispielen dafür. Der Anreiz ist groß: Wenn die
Ziele als unmoralisch hoch angesehen wer-
den, dann darf man doch auch selbst unmo-
ralisch handeln …
Lektion 3: Nicht jedes legale Verhalten ist
auch legitim.
Oder anders formuliert: Nicht al-
les ist richtig, nur weil man es schon längere
Zeit so macht. Im VW-Beispiel gibt es gute
Gründe dafür, warum man den Verbrauch und
die Abgaswerte der Fahrzeuge so misst, wie
man das derzeit tut. Am Ende resultieren aus
dieser Praxis aber praxisferne „Mondwerte“,
die dazu führen, das Vertrauen der Kunden zu
verlieren. Es ist zu hoffen, dass es der Automo-
bilbranche nicht ebenso ergeht wie dem Tep-
pichhandel: Wer glaubt denn den „alles muss
raus-Preisen“ noch, wenn die nicht die Aus-
nahme sind, sondern die Regel?
Lektion 1 spricht quasi den genetischen Code
der Controller an. Controller sollten also stets
daran arbeiten, die Kultur im Unternehmen
entsprechend zu verändern. Kultur mag zwar
ein weicher Faktor sein, hat aber ganz harte
Erfolgskonsequenzen. Die zweite Lektion ist
dagegen zumindest für einige Controller Neu-
land: Sie sitzen beim Thema „zu hohe Ziele“
häufig selbst mit am Tisch, wenn sie versu-
chen, ambitionierte Ziele der Unternehmenslei-
tung passend in die Fläche herunterzubrechen
oder sich zuweilen dabei ertappen, „kreative
Buchführung“ zu betreiben.
Hier ist viel Sen-
sibilität erforderlich, den richtigen An-
spannungsgrad zu finden.
Die dritte Lektion
betrifft Controller und Manager schließlich in
gleichem Maße. „Legalität versus Legitimität“
ist ein generelles Thema mit sehr vielen Facet-
ten. Allgemein kann man nur auffordern,
den
Status Quo ständig in Frage zu stellen – ein
Ratschlag
, der auch auf das eigene Tun der
Controller zutrifft.
Autor
Prof. Dr. Dr. h.c. Jürgen Weber
ist Direktor des Instituts für Management und Controlling (IMC)
der WHU – Otto Beisheim School of Management Campus
Vallendar, Burgplatz 2, D-56179 Vallendar;
controlling. Er ist zudem Vorsitzender des Kuratoriums des
Internationalen Controller Vereins (ICV).
E-Mail:
CM März / April 2016
Welche Lehren können wir
als Controller aus dem
VW-Skandal ziehen?
von Jürgen Weber
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