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Kaum ein mittelständisches Unternehmen, das
nicht auch sein Großprojekt hat, das in massi-
ven Schwierigkeiten steckt und in der Folge zu
scheitern droht. Der Hauptgrund für diese Kri-
sen: Die Unternehmen haben, wenn über-
haupt, Erfahrung mit Projekten normaler Größe
und übertragen diese auf ambitionierte Groß-
projekte. Doch deren Anforderungen sind an-
dere. Gut, wenn Projektmanagement und Con-
trolling von Anfang an gemeinsam für Effizienz
sorgen.
Ein typischer Praxisfall
Im Jahr 2012 machte sich ein mittelständi-
scher Maschinenhersteller an die Modernisie-
rung seiner Produktionssteuerung. Gerade die
Verbindung zwischen den unterschiedlichen
IT-Lösungen und der zentralen Produktions-
steuerung war in Laufe der Jahre immer kom-
plizierter geworden. Abhilfe schaffen sollte
eine ERP-Lösung von SAP. Das Unternehmen
plante, seine komplette Produktion einheitlich
auf ein neues SAP-System umzustellen, das
an allen Produktionsstandorten zum Einsatz
kommen sollte.
Zwar hatte man schon Erfahrungen mit dem
neuen ERP-System gesammelt, allerdings wa-
ren die Einsatzgebiete der Software in Einkauf
und Lagerhaltung eher von überschaubarer
Größe gewesen. Nun galt es, den Kernprozess
des Unternehmens, seine Produktion, umzu-
stellen. Zwei Jahre sollte das Projekt dauern
und nahezu die gesamten IT-Kräfte des Unter-
nehmens einbinden. Ein Budget von 4 Mio.
Euro wurde bereitgestellt. Für den IT-Leiter und
seine Leute eine gewaltige Herausforderung,
betreuten sie doch bisher allenfalls kleinere und
mittlere Projekte. Er vertraute darauf, dass sei-
ne ERP-erfahrenen Leute das schon stemmen
würden.
Knapp zwei Jahre später war das Projekt voll-
ständig im Chaos versunken. Zwischenzeitlich
waren erste Teile der ERP-Lösung in Betrieb
gegangen, brachten aber nicht die gewünsch-
ten Ergebnisse. Ganz im Gegenteil. Es knirsch-
te im Versorgungsgefüge des Unternehmens.
Aus dem Vertrieb und dem Handel hagelte es
Proteste bis hinauf in die Chefetage. Dort
schrillten längst die Alarmglocken. Statt einen
Erfolg einzufahren, drohte das Projekt zu einem
teuren Fiasko zu werden.
So etwas ist kein Einzelfall. Oft verheben sich
Unternehmen ausgerechnet an jenen Groß-
projekten, die für den strategischen Unter-
nehmenserfolg so wichtig wären. Große Kon-
zerne können sich einen solchen Fehlgriff
vielleicht noch leisten – mittelständische Un-
ternehmen kann er in eine bedrohliche Schief-
lage bringen.
Die strategische Relevanz großer IT-Vorhaben
ist unumstritten, gleichzeitig binden sie mas-
sive personelle und finanzielle Ressourcen.
Projektvolumen von mehreren Millionen Euro
und mehr als einem Jahr Projektlaufzeit sind
keine Seltenheit. Umso erstaunlicher, dass
sich die Geschäftsleitungen in den Unterneh-
men immer wieder den gleichen Herausforde-
rungen gegenübersehen, ohne entsprechen-
de Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Ständige
Verzögerungen, explodierende Kosten sowie
Qualitätsmängel und Einschnitte bei der Um-
setzung sind die Folge. Andere Projekte müs-
sen sogar abgebrochen werden, wobei in der
Regel viel Geld in den Sand gesetzt wird. Laut
dem Chaos-Report der Standish Group schei-
tern nach wie vor 18 Prozent der Projekte, bei
weiteren 43 Prozent treten teils massive
Schwierigkeiten auf.
Warum scheitern IT-Großprojekte?
Es stellt sich die Frage, warum gerade Großpro-
jekte im IT-Umfeld besonders anfällig für Pro-
jektkrisen sind. Jörg Todenhöfer wird nach sei-
ner Reise in den Islamischen Staat mit den
Worten zitiert: „Wer seine Feinde besiegen will,
sollte sie kennen.“ Das gilt auch bei größeren
IT-Vorhaben von Unternehmen. Denn diese
Projekte scheitern auffällig oft – und zwar meist
aus denselben Gründen.
Turbo Projektmanagement
Ambitionierte IT-Projekte auf volle
Touren bringen
von Mario Neumann
Abb. 1: Sieben Merkmale für IT-Großprojekte
Turbo Projektmanagement