CONTROLLER Magazin 2/2016 - page 20

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Vorhersagen
Menschen machen in der Regel keinen Unter-
schied zwischen einer Vorhersage eines zu-
künftigen Ereignisses und der Bewertung der
ihnen zur Verfügung stehenden Informationen.
Wenn Führungskräfte um eine Vorhersage ge-
beten werden, machen sie den gleichen Fehler,
ohne zu bemerken, dass die Frage, die sie be-
antworten, nicht die gleiche ist, die ihnen ge-
stellt wurde. Wird dieses Procedere wiederholt,
führt es automatisch zu Vorhersagen, die mit
einem systematischen Fehler ausgestattet sind.
Um diesen Prozess einer fehlerhaften Vorher-
sage aufzuhalten, sollte der Controller seine
Führungskräfte anhalten, folgende vier Faust-
regeln zu einer allgemein gültigen Vorhersage-
Methode anzuwenden:
°
Beginne Dein Entscheidungsproblem mit
einer Schätzung eines allgemeinen mittle-
ren Durchschnitts. Mit diesem Durchschnitt
erhält man zunächst einmal einen Referenz-
punkt oder -wert, ohne dass man irgend-
etwas Weiteres oder Konkretes wissen
müsste.
°
Lege Dir einen individuellen Durchschnitt
zurecht, der sich auf den konkreten Einzel-
fall oder den Vorhersage-Gegenstand be-
zieht. Die Festlegung Deines individuellen
Durchschnitts folgt eindeutig Deiner subjek-
tiven Intuition als Schätzer, die den Dir ver-
fügbaren Informationen entspricht.
°
Schätze jetzt eine Wechselbeziehung (in
Form eines Faktors oder einer mathemati-
schen Gleichung) zwischen allen verfügba-
ren Informationen und dem allgemeinen
mittleren Durchschnitt. Damit korrigierst Du
als Schätzer den von Dir selbst angenom-
menen allgemeinen mittleren Durchschnitt
in Richtung auf Deinen intuitiven individuel-
len Durchschnitt. Diese Korrektur hängt
wiederum von der Schätzung der genannten
Wechselbeziehung ab.
°
Wenn die Wechselbeziehung einen Wert von
X annimmt, beträgt die Distanz vom allge-
meinen mittleren Durchschnitt zu Deinem
individuellen analog X Prozent. Somit ge-
langt man zu einer Vorhersage, die man als
„valid“ und „plausibel“ bezeichnen kann, die
aber noch immer von Deiner Intuition als
Schätzer beeinflusst ist – aber dafür von
dem wirklichen Zukunftswert sehr viel mo-
derater abweichen wird!
eine größere Bedeutung oder Gewicht als an-
dere. Diese unterschiedliche Gewichtung ge-
schieht teilweise bewusst, teilweise unbe-
wusst.
Aber diese Gewichte korrelieren
zweifellos mit der Wahrscheinlichkeit ih-
res Zutreffens.
Deshalb sollten sie so ausge-
stattet sein, dass eine höhere Wahrscheinlich-
keit des Zutreffens mit ihrer stärkeren Gewich-
tung einhergeht.
Gegen diesen Grundsatz wird aber oft versto-
ßen: Entscheidungsgewichte, die Führungs-
kräfte Ereignissen zuschreiben, sind – im Wi-
derspruch zu ihren Erwartungen (siehe oben)
– nicht identisch mit den Wahrscheinlich-
keiten dieser Ereignisse: Unwahrscheinliche
Ereignisse werden über- und sehr wahr-
scheinliche Ereignisse untergewichtet. Es ist
ein allgemeiner Grundsatz der Nutzentheorie,
dass eine Gewichtung von unsicheren Ereig-
nissen, die nicht streng proportional zu ihrer
Wahrscheinlichkeitsaussage stehen, zu Wi-
dersprüchen, Fehlern oder gar zu Katastro-
phen führen kann.
Warum passiert das? Wenn Führungskräfte
ihre Aufmerksamkeit auf ein unwahrscheinli-
ches Ereignis konzentrieren, gewichten sie es
viel stärker, als sie es der Wahrscheinlichkeit
nach tun sollten. Wenn man einem Risiko
seine Aufmerksamkeit zuwendet, ist man
beunruhigt. Diese Sorge schlägt sich in der
Gewichtung nieder. Aber diese Sorge ist nicht
proportional zu der Wahrscheinlichkeit des
Risikos. Es genügt daher nicht, das Risiko ab-
zuschwächen.
Um die Sorge zu reduzieren,
muss man die Wahrscheinlichkeit redu-
zieren.
Siebtes Controllerfazit
Der Controller sollte bei der Beurteilung von
Entscheidungsgewichten der Emotion sei-
ner Führungskraft und der Anschaulichkeit
des Entscheidungsprozesses keinen Entfal-
tungsraum überlassen. Die Übergewichtung
unwahrscheinlicher Ereignisse wurzelt in
einem emotionalen und/oder intuitiven Ver-
halten. Emotion und Anschaulichkeit beein-
flussen Wahrscheinlichkeitsaussagen und
erklären somit die überzogene Reaktion von
Führungskräften auf die weniger seltenen
Ereignisse, von denen sie meinen, sie nicht
ignorieren zu dürfen.
Conclusio
Die Eingangsfrage, warum Führungskräfte in
einem Unternehmen fehlerhaft entscheiden
können, kann man nach meiner Analyse der
nicht-rationalen Komponenten in der Entschei-
dungsfindung vermutlich leichter beantworten
als die Frage, wie die aufgetretenen Fehler kor-
rigiert werden könnten. Es wäre eine Illusion zu
glauben, man könne mit simplen Antworten
Fehlerursachen beseitigen. Auch wäre es dem-
agogisch zu behaupten, die Führungskräfte
hätten das Problem und die ihm zugrundelie-
gende Situation zu einseitig wahrgenommen.
Es wird auch nichts helfen, das Führungsperso-
nal, das Fehler zu verantworten hat, einfach
auszutauschen.
Vielmehr wird es eine grundsätzliche Änderung
geben müssen, von der man erwarten darf,
dass mit ihr die Unternehmensführung und da-
mit die Entscheidungsprozesse ganz anders
konstruiert und organisiert werden könnten. Ein
„business as usual“ hat sich selbst diskredi-
tiert. Aus meiner Praxiskenntnis sind daher
zwei radikale Veränderungen aufzugreifen
und vorzubereiten:
°
zum einen sind soziale und /oder gesell-
schaftliche Belange viel stärker als
bisher zu berücksichtigen (Stichworte:
Nachhaltigkeit, Ökologie etc.),
°
zum anderen ist der Kreis der Führungs-
kräfte, der die Letzt-Entscheidung haben
soll, zu vergrößern, so dass der vielzitierte
„Drittblick“ schon so früh wie möglich in-
tegriert werden kann.
Den Anstoß und die Begleitung zu diesem Ver-
änderungsprozess kann nur ein Controller leis-
ten, wie von mir beschrieben.
Fußnoten
1
Daniel Kahneman, Schnelles Denken, langsa-
mes Denken, 3.Aufl., München 2014.
2
Babette Drewniok, Risikokompetenz ist eine
Kernfähigkeit im unsicheren Umfeld, Wie kann
man sie verbessern, in: CM 5/2014, S.32-38.
3
Vgl. G.Römer, Die managerorientierte Ge-
sprächsführung des Controllers, in: CM 4/95,
S. 224-36.
Nicht rationale Komponenten in der Entscheidungsfindung
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