18
          
        
        
          
            Vorhersagen
          
        
        
          Menschen machen in der Regel keinen Unter-
        
        
          schied zwischen einer Vorhersage eines zu-
        
        
          künftigen Ereignisses und der Bewertung der
        
        
          ihnen zur Verfügung stehenden Informationen.
        
        
          Wenn Führungskräfte um eine Vorhersage ge-
        
        
          beten werden, machen sie den gleichen Fehler,
        
        
          ohne zu bemerken, dass die Frage, die sie be-
        
        
          antworten, nicht die gleiche ist, die ihnen ge-
        
        
          stellt wurde. Wird dieses Procedere wiederholt,
        
        
          führt es automatisch zu Vorhersagen, die mit
        
        
          einem systematischen Fehler ausgestattet sind.
        
        
          Um diesen Prozess einer fehlerhaften Vorher-
        
        
          sage aufzuhalten, sollte der Controller seine
        
        
          Führungskräfte anhalten, folgende vier Faust-
        
        
          regeln zu einer allgemein gültigen Vorhersage-
        
        
          Methode anzuwenden:
        
        
          °
        
        
          Beginne Dein Entscheidungsproblem mit
        
        
          einer Schätzung eines allgemeinen mittle-
        
        
          ren Durchschnitts. Mit diesem Durchschnitt
        
        
          erhält man zunächst einmal einen Referenz-
        
        
          punkt oder -wert, ohne dass man irgend-
        
        
          etwas Weiteres oder Konkretes wissen
        
        
          müsste.
        
        
          °
        
        
          Lege Dir einen individuellen Durchschnitt
        
        
          zurecht, der sich auf den konkreten Einzel-
        
        
          fall oder den Vorhersage-Gegenstand be-
        
        
          zieht. Die Festlegung Deines individuellen
        
        
          Durchschnitts folgt eindeutig Deiner subjek-
        
        
          tiven Intuition als Schätzer, die den Dir ver-
        
        
          fügbaren Informationen entspricht.
        
        
          °
        
        
          Schätze jetzt eine Wechselbeziehung (in
        
        
          Form eines Faktors oder einer mathemati-
        
        
          schen Gleichung) zwischen allen verfügba-
        
        
          ren Informationen und dem allgemeinen
        
        
          mittleren Durchschnitt. Damit korrigierst Du
        
        
          als Schätzer den von Dir selbst angenom-
        
        
          menen allgemeinen mittleren Durchschnitt
        
        
          in Richtung auf Deinen intuitiven individuel-
        
        
          len Durchschnitt. Diese Korrektur hängt
        
        
          wiederum von der Schätzung der genannten
        
        
          Wechselbeziehung ab.
        
        
          °
        
        
          Wenn die Wechselbeziehung einen Wert von
        
        
          X annimmt, beträgt die Distanz vom allge-
        
        
          meinen mittleren Durchschnitt zu Deinem
        
        
          individuellen analog X Prozent. Somit ge-
        
        
          langt man zu einer Vorhersage, die man als
        
        
          „valid“ und „plausibel“ bezeichnen kann, die
        
        
          aber noch immer von Deiner Intuition als
        
        
          Schätzer beeinflusst ist – aber dafür von
        
        
          dem wirklichen Zukunftswert sehr viel mo-
        
        
          derater abweichen wird!
        
        
          eine größere Bedeutung oder Gewicht als an-
        
        
          dere. Diese unterschiedliche Gewichtung ge-
        
        
          schieht teilweise bewusst, teilweise unbe-
        
        
          wusst.
        
        
          Aber diese Gewichte korrelieren
        
        
          zweifellos mit der Wahrscheinlichkeit ih-
        
        
          res Zutreffens.
        
        
          Deshalb sollten sie so ausge-
        
        
          stattet sein, dass eine höhere Wahrscheinlich-
        
        
          keit des Zutreffens mit ihrer stärkeren Gewich-
        
        
          tung einhergeht.
        
        
          Gegen diesen Grundsatz wird aber oft versto-
        
        
          ßen: Entscheidungsgewichte, die Führungs-
        
        
          kräfte Ereignissen zuschreiben, sind – im Wi-
        
        
          derspruch zu ihren Erwartungen (siehe oben)
        
        
          – nicht identisch mit den Wahrscheinlich-
        
        
          keiten dieser Ereignisse: Unwahrscheinliche
        
        
          Ereignisse werden über- und sehr wahr-
        
        
          scheinliche Ereignisse untergewichtet. Es ist
        
        
          ein allgemeiner Grundsatz der Nutzentheorie,
        
        
          dass eine Gewichtung von unsicheren Ereig-
        
        
          nissen, die nicht streng proportional zu ihrer
        
        
          Wahrscheinlichkeitsaussage stehen, zu Wi-
        
        
          dersprüchen, Fehlern oder gar zu Katastro-
        
        
          phen führen kann.
        
        
          Warum passiert das? Wenn Führungskräfte
        
        
          ihre Aufmerksamkeit auf ein unwahrscheinli-
        
        
          ches Ereignis konzentrieren, gewichten sie es
        
        
          viel stärker, als sie es der Wahrscheinlichkeit
        
        
          nach tun sollten. Wenn man einem Risiko
        
        
          seine Aufmerksamkeit zuwendet, ist man
        
        
          beunruhigt. Diese Sorge schlägt sich in der
        
        
          Gewichtung nieder. Aber diese Sorge ist nicht
        
        
          proportional zu der Wahrscheinlichkeit des
        
        
          Risikos. Es genügt daher nicht, das Risiko ab-
        
        
          zuschwächen.
        
        
          Um die Sorge zu reduzieren,
        
        
          muss man die Wahrscheinlichkeit redu-
        
        
          zieren.
        
        
          Siebtes Controllerfazit
        
        
          Der Controller sollte bei der Beurteilung von
        
        
          Entscheidungsgewichten der Emotion sei-
        
        
          ner Führungskraft und der Anschaulichkeit
        
        
          des Entscheidungsprozesses keinen Entfal-
        
        
          tungsraum überlassen. Die Übergewichtung
        
        
          unwahrscheinlicher Ereignisse wurzelt in
        
        
          einem emotionalen und/oder intuitiven Ver-
        
        
          halten. Emotion und Anschaulichkeit beein-
        
        
          flussen Wahrscheinlichkeitsaussagen und
        
        
          erklären somit die überzogene Reaktion von
        
        
          Führungskräften auf die weniger seltenen
        
        
          Ereignisse, von denen sie meinen, sie nicht
        
        
          ignorieren zu dürfen.
        
        
          
            Conclusio
          
        
        
          Die Eingangsfrage, warum Führungskräfte in
        
        
          einem Unternehmen fehlerhaft entscheiden
        
        
          können, kann man nach meiner Analyse der
        
        
          nicht-rationalen Komponenten in der Entschei-
        
        
          dungsfindung vermutlich leichter beantworten
        
        
          als die Frage, wie die aufgetretenen Fehler kor-
        
        
          rigiert werden könnten. Es wäre eine Illusion zu
        
        
          glauben, man könne mit simplen Antworten
        
        
          Fehlerursachen beseitigen. Auch wäre es dem-
        
        
          agogisch zu behaupten, die Führungskräfte
        
        
          hätten das Problem und die ihm zugrundelie-
        
        
          gende Situation zu einseitig wahrgenommen.
        
        
          Es wird auch nichts helfen, das Führungsperso-
        
        
          nal, das Fehler zu verantworten hat, einfach
        
        
          auszutauschen.
        
        
          Vielmehr wird es eine grundsätzliche Änderung
        
        
          geben müssen, von der man erwarten darf,
        
        
          dass mit ihr die Unternehmensführung und da-
        
        
          mit die Entscheidungsprozesse ganz anders
        
        
          konstruiert und organisiert werden könnten. Ein
        
        
          „business as usual“ hat sich selbst diskredi-
        
        
          tiert. Aus meiner Praxiskenntnis sind daher
        
        
          zwei radikale Veränderungen aufzugreifen
        
        
          und vorzubereiten:
        
        
          °
        
        
          zum einen sind soziale und /oder gesell-
        
        
          schaftliche Belange viel stärker als
        
        
          bisher zu berücksichtigen (Stichworte:
        
        
          Nachhaltigkeit, Ökologie etc.),
        
        
          °
        
        
          zum anderen ist der Kreis der Führungs-
        
        
          kräfte, der die Letzt-Entscheidung haben
        
        
          soll, zu vergrößern, so dass der vielzitierte
        
        
          „Drittblick“ schon so früh wie möglich in-
        
        
          tegriert werden kann.
        
        
          Den Anstoß und die Begleitung zu diesem Ver-
        
        
          änderungsprozess kann nur ein Controller leis-
        
        
          ten, wie von mir beschrieben.
        
        
          
            Fußnoten
          
        
        
          1
        
        
          Daniel Kahneman, Schnelles Denken, langsa-
        
        
          mes Denken, 3.Aufl., München 2014.
        
        
          2
        
        
          Babette Drewniok, Risikokompetenz ist eine
        
        
          Kernfähigkeit im unsicheren Umfeld, Wie kann
        
        
          man sie verbessern, in: CM 5/2014, S.32-38.
        
        
          3
        
        
          Vgl. G.Römer, Die managerorientierte Ge-
        
        
          sprächsführung des Controllers, in: CM 4/95,
        
        
          S. 224-36.
        
        
          
            Nicht rationale Komponenten in der Entscheidungsfindung