CONTROLLER Magazin 2/2016 - page 10

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Kognitive Verzerrungen
als Herausforderung
Controller sind von jeher daten- und methoden-
orientiert; sie stehen für zahlenbasiertes Vorge-
hen und analytisches Denken. Entsprechend ist
die Rationalität der Unternehmensführung
Zielsetzung des Controllings
(vgl. etwa We-
ber/Schäffer 2014; Gänßlen et al. 2013). In der
Praxis stehen dieser Zielfunktion aber vielfälti-
ge Barrieren entgegen, die alle mit menschli-
chen Eigenschaften zu tun haben: Mangelndes
Wissen und Können, opportunistisches Verhal-
ten, Emotionen und kognitive Verzerrungen.
Betrachten wir die
vier Barrieren
im Einzelnen:
Mangelndes Wissen und Können:
Managern
fehlt es häufig an einer hinreichenden Expertise
in Fragen des Finanz- und Rechnungswesens.
Denken Sie an den begnadeten Entwickler, den
Leiter der Forschungs- und Entwicklungsabtei-
lung, der noch nichts von wertorientierter Steu-
erung gehört hat; oder den Juristen, der nicht
mit Finanzmodellen rechnen kann (iudex non
calculat). Allerdings ist grundlegendes be-
triebswirtschaftliches Methodenwissen heute
auf einer breiteren Basis vorhanden als noch
vor ein oder zwei Jahrzehnten. In vielen tradi-
tionell von Ingenieuren beherrschten Unterneh-
men hat sich die kaufmännische Perspektive
zunehmend durchgesetzt, entsprechendes
Methodenwissen ist damit für jeden Mana-
ger unabdingbar geworden.
Opportunismus:
Eine zweite Barriere, die ratio-
nalen Entscheidungen entgegensteht, ist im so-
genannten opportunistischen Verhalten von Ma-
nagern zu finden. Diese haben vielfach abwei-
chende Zielfunktionen: Bereichsinteresse geht
vor Unternehmensinteresse, persönliche Eitel-
keiten werden auch dann verfolgt, wenn sie der
Zielsetzung des Unternehmens widersprechen,
Machtstreben, Bequemlichkeit und Trägheit …
die Liste ließe sich fortsetzen. Das Phänomen
des Opportunismus ist denn auch seit Jahrzehn-
ten ein zentraler Fokus der betriebswirtschaft-
lichen Forschung. In der Konsequenz werden
immer neue finanzielle Anreiz- und Kontrollsys-
teme entwickelt, die die Zielkongruenz von Ma-
nagern und Unternehmen sicherstellen sollen.
Dabei sind finanzielle Anreizsysteme durchaus
nicht unproblematisch. Wenn die engen Voraus-
setzungen für den produktiven Einsatz leis-
tungsabhängiger Gehaltsbestandteile (Messbar-
keit, individuelle Zuordenbarkeit) nicht gegeben
sind, dominieren schnell dysfunktionale Neben-
wirkungen. Und wenn Managern bereits im Stu-
dium vermittelt wird, dass sie im Kern opportu-
nistisch sind, ist die Wahrscheinlichkeit hoch,
dass sich diese Prophezeiung auch erfüllt.
Emotionen:
Während mangelndes Fachwissen
und Opportunismus als Herausforderungen für
das Controlling schon lange intensiv diskutiert
werden, wurden Emotionen im Management
bislang stark vernachlässigt; sie sind eher tabu-
isiert. Gefühle zu zeigen, gilt als unprofessio-
nell. Manager sind unbeeinflusst von emotiona-
len Schwankungen und haben auch keine Lau-
nen, die den Weg zu einer ruhigen Analyse ver-
sperren könnten. Natürlich entspricht dies nicht
dem, was man täglich in den Chefetagen (und
nicht nur dort) beobachten kann. Dennoch wird
die Tabuzone nur selten betreten und
die drit-
te Barriere, die einem rationalen Manage-
ment entgegenstehen kann, harrt deshalb
noch einer intensiveren Analyse und prak-
tischen Berücksichtigung.
Wirklich rationale Entscheidungen
Wirklich rationale Entscheidungen
Die nächste Herausforderung für das Controlling
von Utz Schäffer und Jürgen Weber
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