CONTROLLER Magazin 2/2016 - page 14

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tier, das für solche „Spielchen“ keine Zeit hat,
ist das Schicksal aller Veränderungsbemühun-
gen vorgezeichnet.
Neben dem Vorbild der Führungsspitze spielt
schließlich die Organisation
eine zentrale
Rolle; sie stellt die
vierte Voraussetzung
für
ein erfolgreiches Debiasing dar:
Wie steht es
um die „Diversity“ im Management-Team?
Wie intensiv sind Jobrotation, wie flache Hierar-
chien ausgeprägt? Alle drei genannten Fakto-
ren können wesentlich dazu beitragen, eine of-
fene Kultur zu entwickeln, die den produktiven
Einsatz von Debiasing-Techniken ermöglicht.
Auf eindrucksvolle Weise illustriert Steven
Mandis die Bedeutung von flachen Hierarchien,
Jobrotation und anderen organisatorischen As-
pekten. Er beschreibt das alte Bankhaus Gold-
man Sachs vor seinem beeindruckenden welt-
weiten Wachstum als ein
„small-world net-
work“
(Mandis 2013, S.83), das durch flache
Hierarchien und Gehaltsstrukturen (sic!), inten-
sive Jobrotation, eine auf gegenseitiger Abhän-
gigkeit beruhenden Partnerschaft und gegen-
seitiges Vertrauen charakterisiert war. Dieses
Netzwerk von Individuen prägte eine legendäre
Kultur des offenen internen Informationsaus-
tauschs und eine Kultur der Debatte, die in die-
ser Form nur bei wenigen anderen Wallstreet-
Adressen anzutreffen war: „bouncing things off
each other is fun, and you encourage that at
every turn“ (Mandis 2013, S.85). In dem Maße,
wie das globale Wachstum und der IPO Hierar-
chie und Gehaltsunterschiede gleichermaßen
vertieften, ging auch die damit verbundene Kul-
tur der Dissonanz zunehmend verloren.
Die Voraussetzungen für einen erfolgreichen
Kulturwandel sind hiermit natürlich nicht ab-
schließend beschrieben. Dennoch sollte deut-
lich geworden sein, dass die nachhaltige Veran-
kerung des Debiasing-Gedankens in Organisa-
tionen nicht auf die Einführung einzelner Tech-
niken reduziert werden darf und eine nicht zu
unterschätzende Herausforderung darstellt.
Fazit
In einer zunehmend volatilen und digitalen Welt
reicht der traditionelle Fokus des Controllings
auf die Sicherstellung von Transparenz und for-
male Prozesse der Unternehmenssteuerung
dass eine durch Transparenz, offenen Informa-
tionsaustausch und ein Klima der konstruktiven
Kritik geprägte Kultur in einer immer schnellle-
biger werdenden und zunehmend digitalisierten
Welt immer wichtiger, ja unverzichtbar wird.
Wie aber kann man nun einen solchen Kul-
turwandel erreichen?
Im ersten Schritt gilt
es, überhaupt ein Bewusstsein für kognitive
Verzerrungen und für die Möglichkeiten des
Umgangs mit ihnen zu schaffen. Dies kann mit
Hilfe von Broschüren, Schulungen und Work-
shops erfolgen. Wenn das Unternehmen in den
letzten Jahren ganz offensichtliche Investiti-
onsruinen geschaffen hat und an den Folgen
interner Fehlentscheidungen leidet, wird der
Prozess der Sensibilisierung für das Thema
eher leicht fallen. In einem Umfeld, wo schein-
bar alles gelingt, wird die Überzeugungsarbeit
im Regelfall deutlich schwerer sein. In diesem
Zusammenhang stellt sich auch die Frage, ob
Debiasing-Techniken wegen des damit verbun-
denen Aufwands nur bei großen Entscheidun-
gen zum Einsatz kommen sollen oder ob das
Management-Team ermuntert wird, einzelne
Techniken auch bei kleineren Entscheidungen
auszuprobieren und das Thema damit stärker
im Bewusstsein aller Führungskräfte zu veran-
kern. Wir glauben, dass nur auf dem letzteren
Weg die einzelnen Verzerrungen und die Tech-
niken zu ihrer Beherrschung Eingang in die Un-
ternehmenssprache finden können; nur auf
diesem Weg lässt sich das Thema im Alltag im-
mer wieder adressieren und kann so kulturver-
ändernd wirken.
Eine dritte Voraussetzung
für ein erfolgrei-
ches Debiasing mit Hilfe entsprechender Tech-
niken und zugleich eine zentrale Voraussetzung
für den angestrebten Kulturwandel ist das
akti-
ve Vorbild der zentralen Akteure im Unter-
nehmen
, insbesondere des Vorstandsvorsit-
zenden bzw. Geschäftsführers. In allen uns be-
kannten positiven Fallbeispielen ist die Sensibi-
lisierung für das Schadenspotenzial kognitiver
Verzerrungen ganz zentral auf die proaktive
Rolle „des Chefs“ zurückzuführen – etwa da-
durch, dass dieser selbst immer wieder nach
der Meinung des jüngsten Managers im Raum
fragt, geheime Abstimmungen vorschlägt, zu
Kritik auffordert und sicherstellt, dass diese
dann auch ernst genommen wird. Erscheint der
Chef im Alltag hingegen doch eher als Alpha-
und zudem das Commitment zur gefundenen
Lösung zu erhöhen.
Die
zweite Voraussetzung
betrifft die bereits
erwähnte
Kultur des Unternehmens.
Ist diese
durch Transparenz, offenen Informationsaus-
tausch und ein Klima der konstruktiven Kritik
geprägt, wird der Einsatz von Debiasing-Tech-
niken in aller Regel gut funktionieren. Ist die
Unternehmenskultur hingegen eher durch Poli-
tik und Hierarchie bestimmt, wird aus dem Pos-
tulat nach kultureller Veränderung auch schnell
ein Totschlag-Argument: „Die Kultur des Hau-
ses kann man ja eh nicht beeinflussen, und aus
dem Controlling heraus schon gar nicht.“ Die
mit der Intention eines kulturellen Wandels ein-
hergehenden Herausforderungen sind in sol-
chen Fällen immens und eine nachhaltige Ver-
änderung wird im Regelfall nur gelingen, wenn
das Unternehmen hinreichend unter Druck
steht und der Einsatz von Debiasing-Techniken
als Teil eines umfassenden kulturellen Verände-
rungsprozesses begriffen wird.
Trotz der damit verbundenen Schwierigkeiten
plädieren wir
mit Nachdruck dafür, sich als
Controllerbereich der kulturellen Heraus-
forderung zu stellen.
Warum? Immer wieder
machen wir die Erfahrung, dass der eigentliche
Hebel für ein erfolgreiches Controlling zuneh-
mend weniger in neuen Prozessen oder Instru-
menten, als vielmehr in einer Veränderung der
Kultur liegt. Zwei Beispiele mögen dies verdeut-
lichen. In einer jüngst veröffentlichten Studie
haben wir analysiert, was die Erfolgsfaktoren
im Umgang mit Volatilität sind. Der intensivere
Einsatz geeigneter Instrumente weist zwar –
wie erwartet – einen positiven Zusammenhang
mit einem erfolgreichen Umgang mit Volatilität
auf; der ungleich stärkere Hebel liegt aber in ei-
ner Kultur des offenen Informationsaustauschs
und der konstruktiven Kritik (vgl. Schäffer et al.
2014). Auch in der Nutzung innovativer digitaler
Plattformen für Entscheider – wie etwa dem
„Boardroom Redefined“ von SAP – stellt sich
neben technischen Aspekten die Frage nach
der kulturellen Kompatibilität eines Konzepts,
das keine abschließend abgestimmten Sit-
zungsunterlagen mehr kennt, sondern durch in-
tuitiv bedienbare Bildschirme an der Wand auch
spontane Analysen mit Echtzeitdaten und damit
nur bedingt planbare Interaktion in der Runde
der Entscheider ermöglicht. Kurz: Wir glauben,
Wirklich rationale Entscheidungen
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