 
          
            38
          
        
        
          die positive Energie für das Vorhaben. Es lohnt,
        
        
          auf die Product Vision hinzuarbeiten, weil da-
        
        
          von das Unternehmen, meine Organisations-
        
        
          einheit und/oder jeder für sich einen Vorteil
        
        
          hat. Sie so
        
        
          („veränderungsfreundlich“) zu
        
        
          formulieren
        
        
          und mit den Stakeholdern abzu-
        
        
          stimmen, dass diese Effekte entstehen kön-
        
        
          nen,
        
        
          ist Aufgabe des sogenannten
        
        
          „Product
        
        
          Owner“
        
        
          . Eine Product Vision ist also in der
        
        
          Regel nicht messbar, oft nicht quantifiziert in
        
        
          ihrem Effekt und überhaupt recht unpräzise.
        
        
          Bereits hier beginnt das Leiden vieler Control-
        
        
          ler, ist es doch beinahe das Gegenteil von dem,
        
        
          was im „klassischen Projekt-Management“
        
        
          gefordert wird, nämlich die Projekt-Ziele vor
        
        
          dem Start des Projektes so genau wie nur
        
        
          irgend machbar zu dokumentieren.
        
        
          Agiles Management-Prinzip: unscharfe
        
        
          Vision statt genauere Ziele
        
        
          Auf Basis der Product Vision werden nun in
        
        
          SCRUM die Bestandteile des Produktes identi-
        
        
          fiziert, die im Rahmen des Projektes entstehen
        
        
          sollen. Diese Produkt-Teile sammelt der Pro-
        
        
          duct Owner im
        
        
          „Product Backlog“
        
        
          .
        
        
          Lassen Sie mich das anhand einer Metapher
        
        
          veranschaulichen:
        
        
          ·
        
        
          ·
        
        
          Product Vision: „Eine schicke, warme und
        
        
          flexibel einsetzbare Jacke, die ich in mehre-
        
        
          ren Jahreszeiten anziehen kann.“
        
        
          ·
        
        
          ·
        
        
          Product Backlog: Wärmende Weste | Wär-
        
        
          mende Ärmel | abnehmbare Kapuze | 2 regen
        
        
          dichte Innentaschen | Wasser- und wind-
        
        
          dichte Außenschicht | kuschliges und wasch-
        
        
          bares Innenfutter | 3 abnehmbare Außen
        
        
          taschen | usw.
        
        
          Diese
        
        
          „Product Backlog Items“
        
        
          werden nun
        
        
          in eine eindeutige Reihenfolge gebracht
        
        
          ,
        
        
          beginnend mit dem wichtigsten Teil, sinnvol-
        
        
          lerweise aber unter Berücksichtigung etwaiger
        
        
          technischer Abhängigkeiten (in unserer Meta-
        
        
          pher wäre es vermutlich ungünstig, die Außen-
        
        
          taschen vor der Außenschicht zu realisieren).
        
        
          Es entsteht somit ein priorisiertes Product
        
        
          Backlog.
        
        
          Spätestens jetzt kommt das
        
        
          „Development
        
        
          Team“
        
        
          (DevTeam) ins Spiel. Im Development-
        
        
          Team sind etwa
        
        
          5 – 9 Personen
        
        
          vertreten, die
        
        
          über
        
        
          die wesentlichen Kompetenzen verfü-
        
        
          gen
        
        
          , um die Product Backlog Items zu realisie-
        
        
          ren. In IT-Projekten wären somit auch Fachbe-
        
        
          reichs-Mitarbeiter im DevTeam zu finden. In un-
        
        
          serem Beispiel bräuchten wir vermutlich Desig-
        
        
          ner, Schneider und Einkäufer. Diese schätzen
        
        
          nun initial das Product Backlog. Üblicherweise
        
        
          erfolgt diese Schätzung in SCRUM in der unde-
        
        
          finierten Einheit
        
        
          „Storypoints“
        
        
          . Auch das wird
        
        
          von vielen klassischen Controllern mit Stirnrun-
        
        
          zeln kommentiert, weil Storypoints in keine
        
        
          gängige monetäre Kennzahl einbezogen wer-
        
        
          den können.
        
        
          Storypoints sind weder Auf-
        
        
          wands-Einheit noch Geld-Menge.
        
        
          Sie sagen
        
        
          nur etwas darüber aus, wie komplex dieses
        
        
          spezielle DevTeam die Product Backlog Items
        
        
          einschätzt. Storypoints sind somit auch nicht
        
        
          projekt- oder teamübergreifend vergleichbar.
        
        
          Trotzdem sind sie sehr
        
        
          hilfreich bei der Ter-
        
        
          min-, Aufwands- oder Kostenschätzung
        
        
          für
        
        
          das Projekt sowie die wesentliche Basis für
        
        
          das, was man klassisch „Projektsteuerung“
        
        
          nennen würde.
        
        
          Agiles Management-Prinzip: Selbstorgani-
        
        
          sation vor Management-Entscheidungen
        
        
          Nun entscheidet das DevTeam, wie viele
        
        
          Back-
        
        
          log Items
        
        
          es sich
        
        
          für eine erste Zeitperiode
        
        
          zutraut fertigzustellen. Diese
        
        
          Zeitperiode
        
        
          ist
        
        
          normalerweise zwischen einer und vier Wochen
        
        
          kurz und wird
        
        
          „Sprint“
        
        
          genannt. Durch die
        
        
          Priorisierung der Backlog Items befasst sich
        
        
          das DevTeam zunächst mit den allerwichtigs-
        
        
          ten Produkt-Teilen. In unserer Metapher könnte
        
        
          das z. B. die Außenschicht sein. Nun diskutie-
        
        
          ren DevTeam und Product Owner ausführlicher,
        
        
          wie diese Außenschicht genau aussehen und
        
        
          beschaffen sein sollte. Anschließend plant das
        
        
          DevTeam, welche
        
        
          Tasks
        
        
          nun nötig sind, um die
        
        
          für den ersten Sprint versprochenen Product
        
        
          Backlog Items liefern zu können. Tasks sind
        
        
          Tä-
        
        
          tigkeiten
        
        
          , die von einem DevTeam-Mitglied
        
        
          in-
        
        
          nerhalb eines Tages durchgeführt
        
        
          werden
        
        
          können. Dieser
        
        
          Prozess des
        
        
          „Sprint Plan-
        
        
          ning“
        
        
          wird vom sogenannten
        
        
          „Scrum Mas-
        
        
          ter“ moderiert
        
        
          . In unserer Metapher könnten
        
        
          also z. B. der Entwurf eines Schnittmusters für
        
        
          die Ärmel ebenso wie das Herausfinden von
        
        
          Lieferanten für den Stoff oder auch eine Be-
        
        
          standsaufnahme im eigenen Stofflager bis hin
        
        
          zum eigentlichen Zusammennähen der Teile
        
        
          sinnvolle Tasks sein.
        
        
          Agiles Management-Prinzip: Priorisierung =
        
        
          Fokussierung = Speed + Lernen = Effizienz
        
        
          Da hierbei nur der nächste Sprint, also ein
        
        
          überschaubarer Zeitraum betrachtet wird, ist es
        
        
          leistbar, so fein zu planen, ohne den Überblick
        
        
          zu verlieren. Spätestens am Ende eines Sprints
        
        
          werden die bis dahin fertigen Product Backlog
        
        
          Items an den Product Owner übergeben. Ziel ist
        
        
          es, in jedem Sprint mehrere Product Backlog
        
        
          Items fertigzustellen.
        
        
          Wenn alles perfekt läuft, liefert das DevTeam
        
        
          genau die Backlog Items, die es vorher verspro-
        
        
          chen hat. Erfahrungsgemäß wird das in den
        
        
          ersten drei bis fünf Sprints aber eher nicht der
        
        
          Fall sein. Das DevTeam wird sich zu viel (oder
        
        
          vielleicht auch zu wenig) zutrauen. Es wird
        
        
          Missverständnisse zwischen DevTeam und Pro-
        
        
          duct Owner, technische Probleme oder unvor-
        
        
          hergesehene Schwierigkeiten innerhalb des
        
        
          DevTeams geben.
        
        
          In SCRUM wird mit Unvorhersehbarem ge-
        
        
          rechnet. Aber ebenso damit,
        
        
          dass ein Team
        
        
          sich schnell selbst verbessern wird, wenn
        
        
          Räume für Feedback und Lernen vorgese-
        
        
          hen werden.
        
        
          Konkret bedeutet das in SCRUM,
        
        
          dass am Ende jedes Sprints bewusst danach
        
        
          
            Autor
          
        
        
          Dipl.-Wirtschaftsing. (FH) Dieter Eschlbeck
        
        
          ist Inhaber der Firma MoveYourProjekt, München. Er berät,
        
        
          trainiert und coacht, um Projekte und Projekt-Management in
        
        
          Unternehmen zu optimieren. Er hat branchenübergreifend Er-
        
        
          fahrung sowohl in klassisch als auch agil aufgesetzten Projek-
        
        
          ten und leitet seit mehr als zwanzig Jahren die Fachseminare
        
        
          für Projekt-Management der CA Akademie.
        
        
          E-Mail:
        
        
        
          
            Agiles Management: Chance oder Bedrohung für Controller?