CONTROLLER_MAGAZIN_04/2016 - page 33

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spitzen z. B. bei der Budgetierung, den Ab-
schlüssen, den Forecasts führen zu einer
ho-
hen Arbeitsbelastung
mit der Gefahr, dass
Zeiten der Ruhe und Regeneration immer sel-
tener werden oder gänzlich ausbleiben. Zum
Teil restriktive Handhabungen der Ferienre-
gelungen verstärken diesen Negativeffekt.
Fehlende Freiräume für Freizeitaktivitäten,
wie z. B. Sport, Freunde treffen, Zeiten der
Stille und Besinnung sind fast zwangsläufig
und führen zu einem belastenden Ungleich-
gewicht der Lebensgestaltung. Die
Lifeba-
lance ist nicht mehr gewahrt
. Die Gefahr
der mentalen und körperlichen Erschöpfung
der Controller ist immens. That’s nothing else
than burn-out.
These 3 – Die Controller selbst
stehen vermehrt in der Kritik
Was ist der „Value added“ der Controller? Wozu
braucht’s die Controller überhaupt? Die Con­
troller verstehen zu wenig vom Geschäft! Sie
sind oft
keine wirklichen Gesprächspartner
und agieren als Erbsenzähler und
„Kontrol­
letis“
. In der Folge leiden das eigene Selbstbild
und Rollenverständnis der Controller. Dies gilt
umso mehr, wenn im Unternehmen
kein klares
Controller-Leitbild
mit entsprechender Vision
und Strategie
für den Controller-Service
vor-
handen ist (das ist leider die Regel). Die Posi­
tionierung des Controller-Service im Unterneh-
menssystem ist nicht klar. All dies führt dazu,
dass die Quellen einer intrinsischen Motivation
für die Controller-Arbeit versiegen. Demotiva­
tion, Frust, fehlende Arbeitslust, Resignation
bis hin zur Depression sind eine nahe liegende
Folgeerscheinung.
These 4 – Controller sind Quer-
schnitttypen und befinden sich
im Idealfall im kontinuierlichen
Dialog mit dem Management
So lautet das allseits verbreitete Ideal. Wenn
dem so wäre, wird die Fähigkeit zur Bezie-
hungsgestaltung zur Schlüsselqualifikation
der Controller. Controller ist der Coach des
Managements. „Business Partner“ des Ma-
nagements zu sein, bedeutet auf der Bezie-
hungsebene Coaching-Kompetenzen zu ent-
wickeln, um das Management in seiner Pro­
blemsituation zu begleiten und zu einer Kom-
petenz- und Lösungsorientierung beizutragen.
Ein Blick in die Praxis wirkt ernüchternd. Ent-
wicklungsmaßnahmen mit der Zielrichtung,
die Verhaltenskompetenzen der Controller zu
verbessern, werden nicht ohne weiteres ge-
fördert. „Soft Trainings“ werden eher seltener
budgetiert und durchgeführt. Zudem werden
Controller häufig als introvertiert und IT-orien-
tiert wahrgenommen. Das Nerd-Phänomen
der Controller wird zum alltäglich Erlebten. Es
entsteht ein innerer Zielkonflikt zwischen
dem, was Controller können sollten und dem,
was man glaubt zu können. Rückzug, Power-
Point-Onanie, Excel-Ekstase sind die Folgen.
Controller verlieren sich im Dschungel der
Zahlen und Grafiken. Dann doch lieber die
Grafik optimieren als sich selbst. Sinnkrise,
fehlende gleiche Augenhöhe zum Manage-
ment, Orientierungs- und Hilflosigkeit sind
nicht selten. Controller erleben sich zuneh-
mend in der Opferrolle. Eine aktive und auto-
nome Gestaltung der Arbeitswelt des Control-
lers wird unwahrscheinlich.
These 5 – Controller überhöhen
sich selbst
Eine besondere Form des Narzissmus zeigt
sich in dem immer noch vorherrschenden
Glauben an den homo oeconomicus, oder in
unserem Kontext an den
homo controllicus
.
Die Welt wird als planbar, steuerbar und vor-
hersehbar beschrieben. Entscheidungsmodel-
le, die primär kognitiv geprägt sind, werden
von Beratern als Allheilmittel angepriesen und
teuer verkauft. Unbewusstes und Unwillkürli-
ches wird ausgeblendet, so als ob der Mensch
nur aus einem Großhirnlappen bestünde. Busi-
ness Intelligence, Data Mining etc. suggerie-
ren die Vorstellung vollständiger Information.
Digitalisierung und Industrie 4.0 werden
zu den Superlativen einer „controllable
world“.
So entscheiden die Controller oder die
als nahezu perfekt wahrgenommenen Syste-
me, ob eine Investition getätigt wird oder nicht,
ob Menschen entlassen werden oder nicht.
Die allwissenden Controller verlieren den Kon-
takt zu den Menschen. Fremdbild und Selbst-
bild klaffen weit auseinander. Hochmut kommt
vor dem Fall. Die Sinnkrise ist programmiert.
Ein Dieselskandal bringt das Weltbild einer
ganzen Nation ins Wanken. Wie konnte das
passieren? Wo waren die Controller? Arroganz
und Überheblichkeit, Isolation und Einsamkeit
stehen dicht nebeneinander. Die Krise wird zur
Lösung, Wandel unausweichlich. Plötzlich ist
von Werten die Rede, von den ethischen, nicht
den monetären. Letztere sind schon längst
den Bach hinunter.
Der Autor freut sich auf Antithesen zu seiner
Wahrnehmung, wohl wissend, dass es die
Realität nicht gibt, sondern nur unterschiedli-
che Wahrnehmungen der Wirklichkeit. Die ei-
gentliche Bereicherung besteht nunmehr dar-
in, die individuellen Sichtweisen auf das
scheinbar ein- und dasselbe Phänomen aus-
zutauschen.
Autor
Dipl.-Volkswirt Prof. Dr. Martin Hauser
ist Trainer der CA Akademie. Seine Schwerpunktthemen sind
wertorientierte Unternehmensführung, Performance-Manage-
ment, Center-Steuerung und Strategie-Controlling.
E-Mail:
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