CONTROLLER_MAGAZIN_04/2016 - page 26

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Bei der Suche nach Themen, die „im Trend lie-
gen“ und worauf man sich einstellen sollte, ist
es häufig hilfreich, einen Blick auf die Themen
zu werfen, die mit dem ControllerPreis des ICV
bedacht oder von der Ideenwerkstatt aufgegrif-
fen wurden. So wurde z. B. der ControllerPreis
2015 für vorbildhaftes „verhaltensorientiertes
Controlling-Projekt“ vergeben. „Behavioral Con-
trolling“ war Themenschwerpunkt der Ideen-
werkstatt im Jahr 2011 und 2012: „Was macht
Controller erfolgreich(er)? Auf das Verhalten
kommt es an!“ – Gute Gründe, Aspekte der Ver-
haltensorientierung im Rechnungswesen und
im Controlling im Rahmen eines Interviews
nachzufragen.
Biel:
Vielen Dank, Frau Prof. Dr. Weißenberger,
dass Sie für diesen Dialog zur Verfügung ste-
hen. Sie sind bekannt geworden als „Accoun-
ting-Expertin“. Beispielsweise erläutert Ihr
Buch „IFRS für Controller“ Controlling unter
IFRS. In neuerer Zeit widmen Sie sich verstärkt
verhaltensbezogenen Fragen. Bedeutet dies,
dass es für die Verfolgung von Rechnungs- und
Steuerungszielen nicht nur auf „richtige Zah-
len“ ankommt?
Weißenberger:
Genau – wobei die Basisaus-
sage lauten muss: Das eine tun, aber dafür das
andere nicht lassen.
Im Controlling wurden
über viele Jahre hinweg Instrumente ent-
wickelt, die bei den ökonomischen Akteu-
ren Rationalität voraussetzen.
Viele dieser
Instrumente haben sich in der Unternehmens­
praxis bewährt: Denken Sie beispielsweise an
die Deckungsbeitragsrechnung, das Target
Costing oder die Break-Even-Analyse. In all die-
sen Fällen wird bezogen auf bestimmte Frage-
stellungen ein logisch richtiges Ergebnis ermit-
telt, zum Beispiel eine Preisuntergrenze, ein
Zielpreis oder eine Mindestabsatzmenge, und
es wird unterstellt, dass der Entscheider dieses
Ergebnis dann auch in dieser Form umsetzt.
Das gilt auch heute noch.
Biel:
Und mit welchen Erfahrungen ist der Ein-
satz dieser Instrumente verbunden?
Weißenberger:
Ja, wir stellen eben auch fest,
dass es gerade in komplexeren Entscheidungs-
und Steuerungssituationen immer wieder
sys-
tematische Entscheidungsfehler
gibt. Bei-
spielsweise gibt es inzwischen viele Belege da-
für, dass es bei langfristigen Infrastruktur- oder
IT-Projekten regelmäßig zu deutlichen Kosten-
überschreitungen kommt. Man denke plakativ
(aber nicht nur!) an den Flughafen Berlin-Bran-
denburg oder die Hamburger Elb-Philharmonie.
Biel:
Liegen Erkenntnisse auch darüber vor, wa-
rum es zu diesen Entscheidungsfehlern kommt?
Weißenberger:
Nun, man kann sich im Prinzip
drei mögliche Gründe vorstellen, warum solche
Entscheidungsfehler wiederholt und scheinbar
eben nicht zufällig auftreten.
1. Erstens könnte es sein, dass die bestehen-
den
Planungs- und Kontrollinstrumente
nicht hinreichend ausgereift sind
– an
dieser Stelle hat man aber schon in den
1970er bis 1990er Jahren angesetzt.
2. Zweitens ist denkbar, dass die
Projektma-
nager eigene Ziele
zulasten des Projekts
verfolgen: Das war das große Thema der
anreizbasierten Controllingforschung zwi-
schen 1990 und 2010 unter dem Stichwort
„Shareholder Value“ bzw. „wertorientierte
Steuerung“.
3. Ein dritter Grund könnte nun sein, dass es
im
menschlichen Entscheidungsverhalten
Brüche, Verzerrungen oder auch „gedank­
liche Abkürzungen“ gibt, die eben zu Ent-
scheidungsfehlern führen. Hier hat die Ver-
haltenspsychologie in den letzten Jahren
enorme Fortschritte gemacht und im Cont-
rolling müssen wir dies aufgreifen, um zu
hinterfragen: Kann es sein, dass bestimmte
Instrumente möglicherweise deshalb nicht
funktionieren, weil sie dazu verleiten, in
Entscheidungs“fallen“
, die man auch als
Biases
bezeichnet, zu tappen? Denn wenn
diese Diagnose stimmt, dann müssen wir als
Wissenschaftler solide Vorschläge für die
Gestaltung und Verwendung von Controlling-
instrumenten machen, mit denen solche
Entscheidungsfehler vermieden werden. Das
ist unter dem aktuellen Stichwort
„Debia-
sing“
in der Literatur zu verstehen.
Biel:
Gibt es also Situationen und Konstellationen,
in denen die Emotion die Information schlägt?
Weißenberger:
Ich würde nicht von Emotion
versus Information sprechen, obwohl es natür-
lich inzwischen auch spannende Arbeiten gibt,
wie bestimmte emotionale Zustände Entschei-
dungsverhalten beeinflussen.
Biel:
Bitte lassen Sie uns dazu einen anderen
Aspekt aufgreifen. In den Wirtschaftswissen-
schaften wird vielfach mit Modellen gearbeitet,
um Sachverhalte oder Lösungsprozesse ab­
strakt abzubilden. Gibt es auch zu unserem
Thema bereits Modelle?
Verhaltensorientiertes Rechnungswesen und
Controlling – haben wir Nachholbedarf?
Interview mit Univ.-Prof. Dr. Barbara E. Weißenberger, Lehrstuhl für
BWL, insbes. Accounting, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
von Alfred Biel
Interview zum Thema: Verhaltensorientiertes RW und Controlling – haben wir Nachholbedarf?
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