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gewogen werden können. Genau dies ist wie-
derum eine Anforderung aus § 93 AktG (Busi-
ness Judgement Rule), der
eine angemesse-
ne Informationsgrundlage der Entschei-
dungsvorbereitung fordert
– insbesondere
also Informationen über die aus den Entschei-
dungen entstehenden zusätzlichen Risiken.
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Die Beurteilung der Implikationen von Strate-
gieänderung, Investitionen oder Akquisitionen
für das zukünftige Ertrag-Risiko-Profil ist zu-
dem gerade die Kernaufgabe eines Control-
lings, das sich als Instrument der betriebswirt-
schaftlichen Rationalitätssicherung und Ent-
scheidungsvorbereitungen verstehen sollte.
Risikoaggregation als Pflicht und
wichtigste Implikation des KonTraG
Der Sachverhalt, dass nicht identifizierte Ein-
zelrisiken, sondern der aggregierte Gesamtri-
sikoumfang für die Beurteilung der (freien) Ri-
sikotragfähigkeit und der Grad der Bestands-
bedrohung eines Unternehmens maßgeblich
sind, war schon 1998 mit der Inkraftsetzung
des Kontroll- und Transparenzgesetzes (Kon-
TraG) bekannt.
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Entsprechend findet man
eben in dem auf dem KonTraG aufbauenden
Prüfungsstandard 340 des Instituts der deut-
schen Wirtschaftsprüfer folgende zentrale An-
forderung an ein leistungsfähiges Risikofrüh-
erkennungssystem:
„Die Risikoanalyse beinhaltet eine Beurtei-
lung der Tragweite der erkannten Risiken in
Bezug auf Eintrittswahrscheinlichkeit und
quantitative Auswirkungen. Hierzu gehört
auch die Einschätzung, ob Einzelrisiken, die
isoliert betrachtet von nachrangiger Bedeu-
tung sind, sich in ihrem Zusammenwirken
oder durch Kumulation im Zeitablauf zu ei-
nem bestandsgefährdenden Risiko aggre-
gieren können.“
Gefordert wird also
die Aggregation über alle
Einzelrisiken und auch über die Zeit
. Da nur
quantifizierte Risiken auch aggregiert werden
können, ist das Gebot der Quantifizierung
sämtlicher Risiken nur konsequent. Durch eine
Aggregation der quantifizierten Risiken im Kon-
text der Planung – Chancen und Gefahren ver-
standen als Ursache möglicher Planabweichun-
gen – muss untersucht werden, welche Aus-
wirkungen diese auf den zukünftigen Ertrag, die
wesentlichen Finanzkennzahlen, Kreditverein-
barungen (Covenants) und das Rating haben.
So ist beispielsweise zu untersuchen, mit wel-
cher Wahrscheinlichkeit durch den Eintritt be-
stehender Risiken (z. B. Konjunktureinbruch in
Verbindung mit einem gescheiterten Investiti-
onsprojekt) das durch Finanzkennzahlen ab-
schätzbare zukünftige Rating des Unterneh-
mens unter ein für die Kapitaldienstfähigkeit
notwendiges Niveau (B-Rating) abfallen könnte.
Gerade die aus der Risikoaggregation ableitba-
ren Ratingprognosen
verknüpfen Unterneh-
mensplanung und Risikoanalyse
und stellen
so
den wichtigsten Krisenfrühwarnindika-
tor
dar.
Ohne die gemeinsame Betrachtung der ver-
schiedenen Unternehmensrisiken, also der Ri-
sikoaggregation, sowie die Betrachtung der Im-
plikationen für das zukünftige Rating, ist eine
mögliche Bestandsbedrohung des Unterneh-
mens im Sinne von § 91 Abs. 2 AktG nicht er-
kennbar.
Die Aggregation von Risiken im Kontext der
Unternehmensplanung erfordert zwingend
den Einsatz von Simulationsverfahren
(Monte-Carlo-Simulation)
, weil Risiken – an-
ders als Kosten und Umsätze – nicht addierbar
sind. Diese Simulationsverfahren sind die
Wei-
terentwicklung bekannter Szenario-Analy-
se-Techniken
. Mittels Computersimulation
wird bei der Risikoaggregation eine große re-
Abb. 1: Bandbreiten aus der Simulation mehrerer Jahre
CM Juli / August 2016