CONTROLLER_MAGAZIN_04/2016 - page 36

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Bord zu bekommen. Unter VUKA-Bedingungen
ergibt das wenig Sinn, kann sich doch unter-
wegs die Richtung des Vorhabens dramatisch
ändern. Man fährt besser damit, sein Vorhaben
gemeinsam mit denen zu entwickeln, die früh
bereit sind, mitzumachen.
Unternehmerisch
handeln nach Effectuation bedeutet also,
andere in ein gemeinsames Vorhaben ein-
zuladen und mit ihnen gemeinsam die Zu-
kunft auszuhandeln.
Dabei kommen neue
Mittel ins Spiel, aber auch neue Informationen
und Restriktionen für das weitere Vorgehen.
Die unternehmerische Methode
Reiht man die hier beschriebenen Prinzipien
aneinander, so erhält man einen Prozess, den
man bewusst einsetzen kann (vgl. Abbildung 2).
Den Auslöser bildet ein unternehmerischer
Handlungsanlass: Beispielsweise die Erkennt-
nis, dass das bestehende Geschäftsmodell im
eigenen Obsthandel nicht mehr funktioniert.
Der Blick richtet sich dann zunächst nach innen
auf die verfügbaren Mittel: Wer bin ich? Was
weiß und kann ich? Und wen kenne ich? Aus
den vorhandenen Mitteln lassen sich Hand-
lungsoptionen ableiten. (Ich möchte mehr über
meine Lieferanten, deren Waren und Prozesse
lernen. Und ich möchte in Übersee handeln). Es
folgt konkretes Handeln mit leistbarem Einsatz.
Andere werden eingeladen, etwas in den Pro-
zess einzubringen. (Beispielsweise interessierte
Lieferanten, Kunden und Mitarbeiter). Diese
bringen ihre Mittel (Wissen, Erfahrungen, ihre
Kultur und Muttersprache …) ein. Sie bringen
aber auch neue Ziele ein und bestimmen so die
Richtung des Vorhabens mit (Konzentration auf
Südamerika, auf Limonen, weitere Gelegenhei-
ten …). Mit den neuen Mitteln und Zielvorstel-
lungen beginnt der nächste Effectuation-Zyk-
lus: Welche neuen Handlungsoptionen sind
entstanden? Über mehrere Effectuation-Zyklen
entstehen neue Lösungen, Produkte, Dienst-
leistungen, Geschäftsmodelle, sogar Märkte.
Weiterbildungs-Tipp für die Praxis:
Fachseminar Effectuation – Management­
prinzipien erfolgreicher Unternehmer:
lassen sich im VUKA-Kontext erwartete Erträge
nicht hinreichend abschätzen, da deren Reali-
sierung eben ungewiss ist. Zu komplex ist das
Umfeld und zu sehr ist man vom zukünftigen
Verhalten anderer Akteure abhängig.
Unter-
nehmerisch handeln orientiert sich daher
am leistbaren Verlust:
Überlegen, was man
für ein Vorhaben aufs Spiel setzen möchte –
ganz egal wie es ausgeht. Anstatt Kopf und
Kragen aufgrund von Vorhersagen zu riskieren,
kann man sich so ins Ungewisse vortasten und
damit mitunter Gelegenheiten kreieren, die an-
fangs gar nicht sichtbar waren.
Prinzip der Umstände und Zufälle
Management versucht, den Zufall möglichst
draußen zu halten.
Man betreibt Risiko-Ma-
nagement, um das Erreichen zuvor festge-
legter Ziele abzusichern.
Nur: Je besser man
geplant hat, desto wirkungsvoller treffen einen
die Zufälle der VUKA-Welt. In unternehmeri-
schen
Vorhaben im Sinne von Effectuation
erhält der Zufall eine neue Rolle
. Er hilft da-
bei zu identifizieren, wo unternehmerische Ge-
legenheiten erzeugt werden können. Zufälle
und Rückschläge tragen meist auch schon In-
formationen darüber im Gepäck, was funktio-
nieren könnte. Es gilt also Zufälle geradezu zu
produzieren und daran zu arbeiten, eine gute
„Zufallsrendite“ zu erzielen.
Prinzip der Vereinbarungen
und Partnerschaften
Betreibt man seine Vorhaben nach Manage-
ment-Methode, so wird schon in der Planung
festgelegt, wer denn nun „die richtigen“ Kun-
den, Partner, Lieferanten und Mitarbeiter sind.
Bei der Implementierung des Plans hängt der
Erfolg davon ab, „die richtigen“ tatsächlich an
nächstes zur Tür hereinkommt. Ist es ein Kore-
aner, kümmern wir uns eben um den koreani-
schen Markt.“ Mehr zur unternehmerischen
Geschichte von Andreas Schindler kann man in
einem Artikel im Wirtschaftsmagazin brand
eins (vgl. Sywottek, 2015) nachlesen, der die
Grundlage dieses Fallbeispiels bildet.
Elemente
der unternehmerischen Methode
Das Beispiel von Andreas Schindler zeigt ein-
drucksvoll, wie man ein durch VUKA zerstörtes
Geschäftsmodell in ein neues Modell transfor-
mieren und seine Zukunft unternehmerisch ge-
stalten kann. Es enthält aber auch Beispiele für
die Prinzipien, die von der globalen Entrepre-
neurship-Forschung als
unternehmerische
Expertise
identifiziert wurden:
Prinzip der Mittelorientierung
Lektion eins im Management-Handbuch: Setze
klare Ziele und suche dann nach Mitteln und
Wegen, die Ziele rasch, günstig und sicher zu
erreichen. Doch wo kommen die richtigen Zie-
le her, wenn die Welt volatil, mehrdeutig und
ungewiss ist?
Unternehmerisch handeln be-
ginnt daher bei den verfügbaren Mitteln.
Erfahrene Unternehmer fragen sich „Wer bin
ich, was weiß ich und wen kenne ich? Und was
kann ich daraus machen?“. Daraus ergeben
sich viele mögliche Ziele, die pragmatisch anvi-
siert werden können.
Prinzip des leistbaren Verlusts
Laut Management-Handbuch werden nur dieje-
nigen Vorhaben gestartet, die bereits am Papier
den besten erwarteten Ertrag versprechen. Nun
Autor
Michael Faschingbauer, MBA
ist Experte für unternehmerische Expertise (Effectuation). Als
Managing Partner von Effectuation Intelligence ist er als Orga-
nisationsberater, Dozent, Speaker und Autor tätig.
E-Mail:
Effectuation
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