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          Working Capital Management gehört heute
        
        
          bei markt- und meinungsführenden Unter-
        
        
          nehmen zu den zentralen Elementen erfolg-
        
        
          reicher Unternehmensführung. Obgleich die
        
        
          hohe Bedeutung guten Working Capital Ma-
        
        
          nagements generell akzeptiert und unbestrit-
        
        
          ten ist, verfügen nur wenige Unternehmen
        
        
          über ein nachhaltig erfolgreiches Working
        
        
          Capital Management. Die Bedeutung von
        
        
          Working Capital Management ist unumstrit-
        
        
          ten: Das Vorhandensein von ausreichend
        
        
          Cash ist die notwendige Voraussetzung für
        
        
          das Überleben eines Unternehmens. Seit sei-
        
        
          ner Einführung bei Toyota ist Lean Manage-
        
        
          ment als Leitlinie für Verbesserungen im Un-
        
        
          ternehmen generell akzeptiert.
        
        
          Lean Ma-
        
        
          nagement unterstützt die Cash-Perfor-
        
        
          mance durch Reduzierung von Working
        
        
          Capital.
        
        
          Erstaunlich ist, dass nur wenige Un-
        
        
          ternehmen konsequent und dauerhaft Lean
        
        
          Management einsetzen, um ihre Cash-Positi-
        
        
          onen zu verbessern.
        
        
          
            Volatilität
          
        
        
          Früher war alles besser, heißt es. Denn früher
        
        
          ging es wirtschaftlich immer bergauf: meint
        
        
          man. Doch schon die Bibel erwähnt mit den
        
        
          sieben fetten und darauffolgenden sieben ma-
        
        
          geren Jahren sowie der plötzlichen Sintflut die
        
        
          flüchtige Unbeständigkeit von wirtschaftlichen
        
        
          Zuständen. Das Hoch und Runter eines Mark-
        
        
          tes wird heute allerdings nicht mehr durch lang-
        
        
          atmige Sieben-Jahres-Rhythmen bestimmt: Im
        
        
          Jahr und zwischen benachbarten Jahren zei-
        
        
          gen sich bei wichtigen Marktindikatoren Aus-
        
        
          schläge von rund plus/minus 30% (Beispiel:
        
        
          Pkw-Neuzulassungen in Deutschland, Abbil-
        
        
          dung 1). Auch haben wir in den vergangenen
        
        
          Jahren mit der Häufung von nicht-einkalkulier-
        
        
          ten Sintfluten oder Vulkanausbrüchen oder an-
        
        
          deren Plagen schmerzliche Erfahrung gemacht.
        
        
          Durch globalisierte Arbeitsteilung und informa-
        
        
          tionsbeschleunigende Digitalisierung wirken
        
        
          sich Veränderungen oder Einschläge ungepuf-
        
        
          fert Just-in-Time und – manchmal sich auf-
        
        
          schaukelnd – globus-weit aus. Allmählich ge-
        
        
          wöhnen wir uns an die Erkenntnis:
        
        
          Volatilität
        
        
          ist die heutige Normalität!
        
        
          
            Cash und Working Capital
          
        
        
          Was bedeutet das für Unternehmen? Cash is
        
        
          King! heißt es. Wer nicht flüssig ist, ist betriebs-
        
        
          wirtschaftlich mausetot. In krisenhaften Zeiten
        
        
          geht Liquidität vor Rendite, schafft man sich
        
        
          notfalls auch Liquidität auf Kosten der Rendite.
        
        
          In guten Zeiten dreht sich der Blickwinkel, doch
        
        
          der Fokus auf das Working Capital bleibt – hier
        
        
          gilt es die (Gesamt-)Kapitalrendite (z. B. Econo-
        
        
          mic Value Added) zu optimieren und/oder aus-
        
        
          reichend Liquidität für das weitere Umsatz-
        
        
          wachstum zu schaffen: Liquidität kann also
        
        
          nicht nur bei drastischem Umsatzschwund,
        
        
          sondern vielmehr
        
        
          auch bei furioser Umsatz-
        
        
          steigerung zum Engpass werden
        
        
          .
        
        
          Abbildung 2 zeigt, wie sich der Geldsaldo eines
        
        
          Unternehmens zusammensetzt. Wenn in einem
        
        
          Unternehmen aufgrund unerwarteter Markt-
        
        
          und/oder Kostenentwicklungen die Position EBIT
        
        
          + Abschreibungen nicht stabil und belastungs-
        
        
          fähig erscheint, gewinnt die Innenfinanzierung
        
        
          durch gezieltes Working Capital Management
        
        
          größte Bedeutung. Dies gilt insbesondere dann,
        
        
          wenn ein Mittelzufluss weder durch Desinvesti-
        
        
          tion noch durch Außenfinanzierung fristgerecht
        
        
          möglich erscheint. Als (rechtzeitig anzusteuern-
        
        
          des!) Ziel ergibt sich:
        
        
          Verbesserung des Geld-
        
        
          saldo durch Working Capital-Management
        
        
          .
        
        
          Was ist Working Capital?
        
        
          Working Capital (WoC) wird im Kern verstan-
        
        
          den als Umlaufvermögen, reduziert um die
        
        
          kurzfristigen Verbindlichkeiten, die in aller Re-
        
        
          gel zinsfrei sind. Working Capital umfasst also
        
        
          im Detail
        
        
          ·
        
        
          das durch die operative Geschäftstätigkeit
        
        
          gebundene Umlaufvermögen
        
        
          ·
        
        
          dessen Positionen nicht zinstragend sind
        
        
          und das
        
        
          ·
        
        
          daher durch verzinsliches Kapital zu finan-
        
        
          zieren ist.
        
        
          Working Capital
        
        
          1
        
        
          = Liquide Mittel
        
        
          + Kurzfristige Forderungen
        
        
          + Vorräte
        
        
          ./.  Verbindlichkeiten aus Lieferungen und
        
        
          Leistungen
        
        
          ./. Sonstige kurzfristige Verbindlichkeiten
        
        
          Working Capital hat zwei Dimensionen:
        
        
          Geld
        
        
          und Zeit.
        
        
          Es ist eine zeitpunktbezogene mo-
        
        
          netäre Größe. Ein entlang der Zeitachse ge-
        
        
          schickt agierendes Unternehmen kann durch-
        
        
          aus ein negatives Working Capital haben. Ein
        
        
          dauerhaft niedriges oder sogar negatives
        
        
          Working Capital ist in aller Regel ein Zeichen
        
        
          besonderer Marktmacht.
        
        
          Für ein einfach-strukturiertes Unternehmen er-
        
        
          geben sich in der Praxis folgende, das Working
        
        
          Capital beeinflussende Abläufe: Rohmaterialien
        
        
          werden direkt gegen Cash gekauft oder es wer-
        
        
          den zugehörige Verbindlichkeiten aufgebaut,
        
        
          die später durch Cash-Zahlung aufgelöst wer-
        
        
          den. Rohmaterialien werden in fertige Güter
        
        
          transformiert, diese dann auf Kredit verkauft
        
        
          und resultierende Forderungen durch Cash-
        
        
          Zahlung des Kunden aufgelöst. Der Prozess
        
        
          lässt sich in der Bilanz verfolgen: Bei Prozess-
        
        
          
            Fat Cash durch Lean Management – der Treiber:
          
        
        
          
            Working Capital
          
        
        
          von Heinz-Jürgen Klepzig und Hendrik Vater
        
        
          
            Working Capital Management