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          Anschließend werden Ziele, Phasen und Auf-
        
        
          gaben des Tourneegeschäfts erläutert, da
        
        
          sich das Controlling später an diesen orien-
        
        
          tiert und ausrichtet. Basierend hierauf wird ein
        
        
          Modell für ein zielführendes Projektcontrolling
        
        
          vorgestellt.
        
        
          
            Der Musical-Markt
          
        
        
          
            und seine Player
          
        
        
          Wenn in der betriebswirtschaftlichen Literatur
        
        
          über Musikveranstaltungen berichtet wird, geht
        
        
          es entweder um die Künstler, Bands und Musi-
        
        
          cals oder um das Publikum bzw. die Determi-
        
        
          nanten des Nachfrageverhaltens. Das wesent-
        
        
          liche Bindeglied zwischen Künstler und Publi-
        
        
          kum, der Veranstalter von Konzerten und
        
        
          Shows, findet hingegen kaum Berücksichti-
        
        
          gung. Vor dem Hintergrund der zunehmenden
        
        
          wirtschaftlichen Bedeutung von Konzertveran-
        
        
          staltungen innerhalb der Wertschöpfungskette
        
        
          der populären Musik, soll der Fokus des vorlie-
        
        
          genden Beitrags auf den Tourneeveranstalter
        
        
          bzw. Tour Promotor von Musicalproduktionen
        
        
          liegen.
        
        
          Eine Tournee, auch Tour genannt, bezeichnet
        
        
          eine Reihe von Einzelkonzerten/-veranstaltung
        
        
          einer oder mehrerer Musicals an verschiede-
        
        
          nen Orten oder eine Konzertreise mit mehre-
        
        
          ren Live-Auftritten einer Musicalproduktion
        
        
          (diese Ausführungen gelten auch für Rock/
        
        
          Pop-Veranstaltungen). Verantwortlich für die
        
        
          Durchführung einer Tour ist der Tourneeveran-
        
        
          stalter. Dieser plant, organisiert und führt Mu-
        
        
          sicals und Shows in mehreren Städten auf. Im
        
        
          Musical-Bereich werden Veranstalter auch als
        
        
          Tourneetheater bezeichnet. Hierzu zählen
        
        
          kommerzielle, rein erwerbswirtschaftlich aus-
        
        
          gerichtete Unternehmen, die über keine eige-
        
        
          ne Spielstätte verfügen, sondern mit einer
        
        
          oder mehreren Musicalproduktionen parallel
        
        
          auf Tour sind. Sie verfügen über kein eigenes,
        
        
          festes Ensemble,
        
        
          sondern schließen für
        
        
          jede Produktion und Tournee befristete
        
        
          Verträge ab
        
        
          . Dies gilt auch für die Spielstät-
        
        
          ten. Ihr Absatzrisiko sichern sich Tourneethea-
        
        
          ter durch die Verpflichtung international be-
        
        
          kannter Produktionen ab.
        
        
          Um namhafte Produktionen wie Evita oder West
        
        
          Side Story im deutschsprachigen Raum aufzu-
        
        
          führen, benötigt der Tourneeveranstalter die Li-
        
        
          zenz- und Aufführungsrechte des jeweiligen
        
        
          Stückes. Diese werden entweder von Theater-
        
        
          verlagen oder namhaften Produzenten bzw.
        
        
          Komponisten wie Andrew Lloyd Webber und
        
        
          Cameron Mackintosh (Phantom der Oper) oder
        
        
          ihren Produktionsunternehmen (z. B. Really
        
        
          Useful Group Ltd.) gehalten. Musicals können
        
        
          auf zwei Wegen zur Tourneeaufführung ge-
        
        
          bracht werden. (1) Im Rahmen eines Tournee-
        
        
          vertrags (Promotion Agreement). Hierbei erhält
        
        
          der Tourveranstalter räumlich und zeitlich be-
        
        
          grenzte Aufführungsrechte einer Show, eine
        
        
          tourneefähige Produktion inkl. Rechte, Bühne,
        
        
          Künstler, Tänzer, Musiker und alle weiteren für
        
        
          die Show erforderlichen Rechte. Als Gegenleis-
        
        
          tung erhält der Lizenzgerber
        
        
          Einnahmen aus
        
        
          Lizenzgebühren
        
        
          (Royalties) und aus den
        
        
          Auf-
        
        
          führungsrechten
        
        
          (Fees, als Umsatz- und/oder
        
        
          Gewinnbeteiligung), deren Höhe sich nach der
        
        
          Anzahl der verkauften Tickets richtet. (2) Als
        
        
          (Quasi-)Eigenproduktion. Beteiligt sich der
        
        
          Tourneeveranstalter mit eigenen Mitteln an ei-
        
        
          ner Tourproduktion z. B. für Deutschland,
        
        
          schließt er mit dem ursprünglichen Produzent
        
        
          bzw. dem Lizenzinhaber der Show einen räum-
        
        
          lich und zeitlich begrenzten exklusiven Lizenz-
        
        
          vertrag über die Produktion und Aufführung ei-
        
        
          nes Musicals ab. In diesem Fall verpflichtet sich
        
        
          der Lizenznehmer nicht nur zur genauen Einhal-
        
        
          tung der Originalvorlage des Komponisten, des
        
        
          Regisseurs der Erstaufführung sowie den sons-
        
        
          tigen Mitarbeitern des „creative teams“ wie z. B.
        
        
          Sound- und Lichtdesigner, sondern auch zur
        
        
          Einhaltung der Vorgaben zur Reproduktion des
        
        
          Bühnenbilds und der Kostüme der Originalauf-
        
        
          führung (vgl. Schäfer, 1998, S. 89ff.). In diesem
        
        
          Fall erstellt der Tourneeveranstalter auf eigene
        
        
          Rechnung eine tourfähige Show. Für die Einräu-
        
        
          mung der Rechte, hierzu zählen auch die origi-
        
        
          nal Vermarktungs- und Werbelogos, zahlt der
        
        
          Lizenznehmer
        
        
          zusätzliche Lizenzgebühren
        
        
          ,
        
        
          wie z. B. Creative Team Royalties und Merchan-
        
        
          dise Royalties.
        
        
          Unabhängig, ob Fremd- oder Eigenproduktion,
        
        
          schaltet der Tourneeveranstalter zwecks
        
        
          Durchführung einer Tournee i.d.R. örtliche
        
        
          Partner bzw. Konzertveranstalter ein. Dies er-
        
        
          folgt aus Gründen der Risikoteilung oder, weil
        
        
          der örtliche Partner exklusiven Zugang (auch
        
        
          i.S.v. besseren Konditionen) zu attraktiven Ver-
        
        
          anstaltungsstätten oder örtlichen Werbepart-
        
        
          nern (z. B. Tageszeitung) hat. Im örtlichen
        
        
          Durchführungsvertrag werden die Leistungs-
        
        
          strukturen zwischen Tournee- und örtlichem
        
        
          Veranstalter geregelt. Zu den Aufgaben des
        
        
          örtlichen Veranstalters gehören z. B. die Anmie-
        
        
          tung der Spielstätten, die lokale Werbung (Ra-
        
        
          dio, Plakate, Anzeigen, Flyer) und der Bühnen-
        
        
          auf- und -abbau. Der Tourneeveranstalter lie-
        
        
          fert die Show und erhält hierfür z. B. eine Mini-
        
        
          mumgarantie. Ein möglicher Gewinn aus der
        
        
          Veranstaltung, nach Deckung der Garantie und
        
        
          örtlichen Kosten, wird gemäß den vertraglichen
        
        
          Vereinbarungen zwischen Tournee- und ört-
        
        
          lichem Veranstalter aufgeteilt.
        
        
          Je erfolgreicher Musicalshows sind, d. h. je
        
        
          größer die Erwartungen über verkaufte Ein-
        
        
          trittskarten und damit Umsatz bzw. Gewinn
        
        
          sind, desto höher werden die geforderten Li-
        
        
          zenz- und Garantiezahlungen sowie Beteili-
        
        
          gungsquoten des Lizenzgebers an den Tour-
        
        
          neeveranstalter und damit wiederum die For-
        
        
          derungen an den örtlichen Veranstalter ausfal-
        
        
          len. Gleichzeitig werden die Tourneeveranstalter
        
        
          und örtlichen Partner bereit sein, ein höheres
        
        
          Risiko in Form der geforderten finanziellen
        
        
          Leistungen einzugehen, um sich die Lizenz-
        
        
          und Aufführungsrechte für die Tournee bzw.
        
        
          Stadt zu sichern.
        
        
          Zusammenfassend lässt sich sagen, dass
        
        
          neben der Show und den Akteuren vor allem
        
        
          die Tournee-, Aufführungs- und Lizenzrechte
        
        
          wichtige Bestandteile des Live-Entertainment
        
        
          Marktes sind.
        
        
          
            Das Musical als Projekt
          
        
        
          Projekte zeichnen sich durch eindeutige Ziel-
        
        
          vorgaben, zeitliche Begrenzungen, durch Pro-
        
        
          jektanfang und -ende, eine einmalige und zu-
        
        
          meist komplexe Aufgabenstellung, begrenzte
        
        
          Ressourcen, eine eigene Organisationsform
        
        
          und die Zusammenarbeit über mehrere inter-
        
        
          ne Organisationseinheiten sowie mit externen
        
        
          Partnern aus. Mit Blick auf Musicals, dies gilt
        
        
          auch für Rock/Pop-Veranstaltungen, können
        
        
          sowohl einzelne Aufführungen als auch eine
        
        
          ganze Tournee als Projekt bezeichnet werden.
        
        
          In diesem Sinne ist der Tourneeveranstalter
        
        
          als Projektmanager für die Gesamtheit der
        
        
          Aufgaben, Organisation, Techniken und Mit-
        
        
          
            CM Juli / August 2015