CONTROLLER Magazin 4/2015 - page 59

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Eine Tournee durchläuft mehrere Prozess-
schritte, von der Initialisierung bis zum Ab-
schluss (siehe Abbildung 1). Im Projektverlauf
nehmen die Aufgaben und deren Umfang konti-
nuierlich zu, gleiches gilt für die Kosten. Erst mit
Tourneeabschluss sinken die Aufwendungen
wieder.
Am Ende des 1. Prozessschritts (
Initialisie-
rung
) beginnt der Tourneeveranstalter die Ver-
tragsverhandlungen mit Lizenzinhabern hin-
sichtlich des Tourneevertrags (inkl. Lizenz- und
Aufführungsrechte für die Durchführung einer
Tournee). Parallel zur Vertragsverhandlung
wird im nächsten Schritt (
Konzeption und
Planung
) analysiert, an welchen Veranstal-
tungsorten und -stätten (Theater, Konzerthaus)
die Veranstaltung durchgeführt werden soll. In
dieser Phase wird auf Grundlage erstellter
Budgetplanungen der Tourneevertrag verhan-
delt und abgeschlossen. Nach Abschluss des
Vertrags und Verabschiedung der Tourneepla-
nung (Vorkalkulation und techn. Durchfüh-
rungsplanung) beginnt die
Tourneevorberei-
tung
. Es werden u. a. die Spielstätten sowie
die Hotels der Künstler während der Tournee
gebucht und der Kartenvorverkauf gestartet. In
der Periode der
Tourneedurchführung
reist
die Musicalproduktion von Spielstätte zu Spiel-
stätte und führt das Musical auf. Dieser Zeit-
raum kann sich über mehrere Monate erstre-
cken. Nach der letzten Aufführung beginnt der
Tourneeabschluss
. Dieser Schritt endet nicht
mit der letzten Veranstaltung, sondern wenn
alle Anforderungen aus dem Tourneevertrag
erfüllt sind, der Tourneeveranstalter buchhalte-
risch die Tournee abgeschlossen hat und die
Schlusskalkulation erstellt werden kann. Erst
die Gegenüberstellung von Vor- und Nach-/
Schlusskalkulation erlaubt die Feststellung, ob
das Projekt bzw. die Tournee wirtschaftlich ein
Erfolg war.
Das Projektcontrolling
einer Tournee
Um den kaufmännischen Erfolg einer Show
bzw. Tournee sicherzustellen, kommt dem Pro-
jektcontrolling, d. h. der Informationsbeschaf-
fung und Kontrolle des Projektverlaufs zur
Schaffung von Transparenz hinsichtlich Termi-
ne, Kosten/Gewinne und Leistung sowie die
Durchführung von (Gegen-)Steuerungsmaß-
nahmen, eine maßgebliche Rolle zu. Pro Pro-
jekt-/Tourneephase unterscheiden sich die Zie-
le und die Instrumente des Projektcontrollings
(siehe Abbildung 1).
Vorkalkulation
Spätestens bis Ende der Konzeptions- und Pla-
nungsphase sollte eine Vorkalkulation, d. h. ein
geschätztes Ergebnisse einer Tour als „Soll“-
Wert bzw. als geplantes Tourneebudget, vorlie-
gen, um die weiteren Projektphasen adäquat
steuern zu können. Die Vorkalkulation beinhal-
tet neben der Erlösseite, hier v. a. Erlöse aus
dem Ticketverkauf, die tourneespezifischen
Kosten sowie die örtlichen Kosten pro Spiel-
stätte. Zur Erstellung der Vorkalkulation ver-
wendet der Veranstalter bzw. Projektleiter
Er-
fahrungswerte früherer Tourneen
. Sollte es
sich um eine neue Musicalproduktion handeln,
werden Kalkulationen von Projekten in ver-
gleichbaren Genres und Spielstätten herange-
zogen. Die Vorkalkulation dient sowohl als Ent-
scheidungshilfe für das Abschließen eines
Tourneevertrags (Promotion Agreement) als
auch für die Auswahl geeigneter Spielstätten.
Erlöse pro Spielstätte und -ort
Erlöse werden i.d.R. wie folgt kalkuliert: Die
zum Verkauf stehenden Tickets pro Veranstal-
tung und Spielstätte (auf Grundlage der verfüg-
baren Kapazitäten) werden mit dem durch-
schnittlichen Grundpreis (Durchschnittspreis
aller Preiskategorien), d. h. ohne Vorverkaufs-
und Systemgebühren, multipliziert. Gegebe-
nenfalls kommen Erlösbeteiligungen an der
Vorverkaufs- oder Systemgebühr hinzu. Hier-
von werden anschließend u. a. Anteile von Ra-
battaktionen Lizenzgebern (Box Office Royalty)
und Partnern abgezogen und sonstige Erlöse,
wie z. B. aus dem Bereichen Merchandising,
hinzu addiert. Die so ermittelten Gesamterlöse
bilden die Grundlage für die Deckungsbeitrags-
rechnung pro Tournee sowie pro Show und
Spielstätte.
Start-up Kosten / Tourneegemeinkosten
Start-up Kosten können in folgende Blöcke un-
tergliedert werden: (1) Produktions- und Pro-
duktionsnebenkosten. Bei einer Fremdproduk-
tion fallen hierunter v.a. die Gagen für die ein-
gekaufte Cast und Crew. Weiterhin berück-
sichtigt werden Nebenkosten wie Spesen,
Steuern, Ausländersteuer (hierunter wird die
beschränkte Steuerpflicht von u. a. im Ausland
lebenden Künstlern verstanden), GEMA Zah-
lungen und Versicherungsprämien. Bei einer
Eigenproduktion kommen die erforderlichen
Investitionen, z. B. für Musik, Bühne, Bühnen-
gestaltung, Kostüme sowie Kosten für die Au-
ditions hinzu. (2) Transport. Hierzu zählen die
Hotelkosten für die Dauer der Tournee für Cast
und Crew, die Transportkosten von Spielstätte
zu Spielstätte sowie die Transportkosten für
das technische Equipment inkl. Bühne. Bei
Eigenproduktionen kommen noch Reise- und
Hotelkosten für die Auditions und den Rehear-
sals (Proben) hinzu. (3) Technikkosten. Kosten
für Ton-, Licht- und Videotechnik, die techni-
sche Crew sowie Techniknebenkosten. (4)
Werbekosten. Diese umfassen Kosten für die
Herstellung von Werbemaßnahmen/-produk-
ten, die vor dem Tourneebeginn ergriffen wer-
den und jeder Spielstätte zugutekommen, wie
z. B. überregionale TV- und Hörfunkspots, Ge-
staltung der Tourneeplakate, der Flyer, Anzei-
gen und des Internetauftritts.
Die aufgeführten Projektkosten entstehen vor
dem Tourbeginn und sind i.d.R. keiner Spiel-
stätte, i.S. eines Kostenträgers, direkt und
eindeutig zu zuordnen. Daher werden sie auch
als sog. Tourneegemeinkosten bezeichnet. In
der Praxis wird dieser Kostenblock durch die
Wochenzahl der Tour und anschließend dieses
Ergebnis durch die Anzahl der Auftritte bzw.
Shows pro Woche dividiert. Auf diese Weise
erhält man die Tourneegemeinkosten pro
Show und Woche. Der so ermittelte Wert kann
anschließend als Umlagewert in die örtlichen
Kosten mit einfließen, um den Erfolg einer
Veranstaltung pro Show und Spielort zu kalku-
lieren.
Örtliche Kosten („Running costs“)
Örtliche Kosten sind variable Kosten, die im di-
rekten Zusammenhang mit der Durchführung
der Show pro Spielstätte stehen. Die größten
Kostenpositionen bilden die Mietkosten pro
Spielstätte, Kosten für den Auf- und Abbau so-
wie die spielortspezifische Werbung. Ergänzt
werden diese Kosten um die auf die Anzahl der
Shows pro Spielstätte umgelegten Tournee-
kosten.
CM Juli / August 2015
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