CONTROLLER Magazin 2/2015 - page 88

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men- als auch auf der Ausgabenseite zu be-
rücksichtigen.
·
Durch die hohe Kapitalintensität insbesondere
in der Exploration, aber auch im Weitertrans-
port und in der Weiterverarbeitung, spielt die
Finanzierung der Investitionen, die häufig
über Projektfinanzierungen erfolgt, eine maß-
gebliche Rolle. Daher ist es methodisch not-
wendig, Freie Cash Flows, d. h. nach Investi-
tionen verfügbare frei für Eigen- und Fremd-
kapitalgeber verwendbare Cash Flows zu be-
trachten und risikoangepasste Kapitalkosten
in Entscheidungsrechnungen einzubeziehen.
Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass eu-
ropäische Mineralölunternehmen sich intensiv
sowohl mit der wertorientierten Steuerung (z. B.
Denk, 2002) als auch mit dem Risikomanage-
ment (z. B. Gleißner et al, 2009, S. 93 ff.) be-
schäftigen, wobei Letzteres als Teilmodul von
Ersterem betrachtet werden kann. Aus dem
Blickwinkel der wertorientierten Steuerung
stellen sich damit folgende Fragen:
·
Wie sind Bewertungsmodelle aufzubauen,
damit für Entscheidungsträger ersichtlich ist,
ob geplante Projekte letztlich Werte für das
Unternehmen schaffen?
·
Welche wertorientierten Kennzahlen sind ge-
eignet, Wertschaffung adäquat abzubilden?
·
Wie können Werttreiber vor der finalen
Investitionsentscheidung gestaltet werden,
damit eine langfristige, nachhaltige Wert-
schaffung gesichert ist?
Angesichts der Kapitalintensität, des erheblichen
zeitlichen Vorlaufes und der langen Laufzeit der
Projekte dominiert bei Mineralölunternehmen die
strategische wertorientierte Steuerung im Ver-
gleich zur operativen wertorientierten Steuerung,
da nach erfolgter Investition die Projekte kaum
mehr maßgeblich gestaltet werden können.
Daher kommt der Projektauswahl und der
Gestaltung des Portfolios unterschiedlicher
Projekte bei Mineralölunternehmen eine her-
ausragende Bedeutung zu.
Projektphasenunterteilung
und Schema eines allgemeinen
Arbeitsablaufes
Projekte in der Mineralölindustrie werden i. d. R.
in unterschiedliche Phasen unterteilt und pha-
senspezifisch entwickelt. Der finalen Investiti-
onsentscheidung gehen dabei die
Phasen
„Identify/Assess“
(Identifikation und grobe
Bewertung möglicher Projektideen),
„Select“
(Auswahl des am besten geeigneten Zugangs
für die Projektumsetzung aus einer Vielzahl von
Möglichkeiten) und
„Define“
(Konkrete Detail-
planung der finalen und schlussendlich umset-
zungsbereiten Variante) voraus.
Da die Kapitalintensität in den Phasen vor der
finalen Investitionsentscheidung signifikant ge-
ringer als danach ist, werden den vorbereiten-
den Projektentwicklungsphasen oftmals zu we-
nige Planungsressourcen (Zeit, Geldmittel und
vor allem Personalressourcen) zugestanden.
Hinsichtlich der späteren, über den Gesamtbe-
trachtungszeitraum des Projekts gesehenen
Wertgenerierung sollte jedoch genau auf diese
Phasen vor finaler Investitionsentscheidung be-
sonderes Augenmerk gelegt werden. Werden
vorab z. B. keine, mangelhafte oder unsystema-
tische Risikobeurteilungen vorgenommen oder
ist das Projekt unzureichend strukturiert (z. B.
nicht ausreichend verfügbare Absatz- und Dis-
tributionskanäle oder nicht zeitgerechte Materi-
albeschaffung), so sind aufgrund des langfristi-
gen und kapitalintensiven Charakters von Inves-
titionen in die Energiegewinnung
nach der fina-
len Investitionsentscheidung kaum mehr
Änderungen möglich,
und ein womöglich ge-
ringerer oder negativer Wertbeitrag wird festge-
schrieben. Der einmal verlorene Wert kann in
der Regel in der Bauphase bzw. nachfolgenden
Betriebsphase (Phase „Execute“) nicht mehr für
die Gesamtprojektverzinsung zurückgewonnen
werden. Abbildung 3 vergleicht die Steuerbar-
keit von Entwicklungsprojekten mit der Bestei-
gung eines Achttausender:
Eine falscher Vor-
bereitung und Planung oder falsches Mate-
Abb. 2: Kritik an gewinnorientierten Performance-Maßen und Lösungsansätze der unternehmenswert-
orientierten Steuerung (Quelle: Günther, 2014, S. 3)
Autoren
Prof. Dr. Thomas Günther
lehrt und forscht an der TU Dresden. Seine Arbeitsgebiete sind
die Gestaltung von Controllingsystemen und die Steuerung von
immateriellen Ressourcen. Er arbeitet als Dozent in der Weiter-
bildung von Führungskräften und berät mittelständische Un-
ternehmen und Non-Profit-Organisationen.
E-Mail:
Dr. Martin Schwarbichler
leitet die Abteilung Finance & Projects im Erdgas- und Strom-
bereich der OMV-Gruppe. Seine Arbeitsgebiete sind u. a. die
Evaluierung von Projekten, Unternehmen und Geschäftsvor-
haben sowie die Betreuung von Finanzangelegenheiten des
Erdgas- und Strombereichs. Er arbeitet als Lektor an der Wirt-
schaftsuniversität Wien sowie an der FH Kufstein und in der
Weiterbildung von Führungskräften.
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