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entwicklungen
wie z. B. Änderungen im Mobi-
litätsverhalten oder neue gesetzliche Regelun-
gen
häufig unberücksichtigt
, wodurch die
damit verbundenen Erlöspotenziale ebenfalls
nicht in die Planung einbezogen werden.
Vor diesem Hintergrund stellt sich für viele Un-
ternehmen die Frage, wie die vorhandenen
Marktpotenziale in die jährliche Erlösplanung
einfließen können. Eine
potenzialorientierte
Erlösplanung
ist zu jetzigen Zeit genau der
richtige Ansatz, um dieses Ziel zu erreichen.
Zur Erstellung einer potenzialorientierten Erlös-
planung sind idealtypischer Weise folgende
vier Schritte
erforderlich:
1. Abschätzung des Nachfragepotenzials
des relevanten Marktes
2. Vollständige Zielgruppensegmentierung
3. Ermittlung der aktuellen
Marktausschöpfung in den Zielgruppen
4. Abschätzung des erschließbaren
Nachfragepotenzials je Zielgruppe
Schritt 1: Abschätzung
des Nachfragepotenzials
Für ein Verkehrsunternehmen stellt sich bei der
Bestimmung des Marktpotenzials zunächst die
Frage, wie der relevante Mobilitätsmarkt abzu-
grenzen ist. In der Vergangenheit wurden oft-
mals enge Marktabgrenzungen vorgenommen.
Als Wettbewerber von Verkehrsunternehmen
galten lange Zeit andere Verkehrsunternehmen,
das Fahrrad und Taxiunternehmen. Der Pkw
blieb bei Konkurrenzbetrachtungen hingegen
außen vor. Diese Sichtweise unterliegt jedoch
aktuell einem Wandel, da der Mobilitätsmarkt
auch von den Unternehmen des öffentlichen
Verkehrs zunehmend ganzheitlich betrachtet
wird. Folglich ist das gesamte Nachfragepoten-
zial eines Verkehrsunternehmens festzulegen
als die
Summe aller Wege innerhalb defi-
nierter räumlicher Grenzen, unter Einbezie-
hung aller Verkehrsmittel
, also auch den
Wegen mit dem privaten Pkw.
Schritt 2: Vollständige
Zielgruppensegmentierung
Eine grobe Clusterung ihrer Zielgruppen wurde
von den meisten Verkehrsunternehmen bereits
vorgenommen. Wiederkehrende Zielgruppen
sind beispielsweise Gelegenheitsnutzer, Schü-
ler oder Senioren. Häufig fehlt jedoch eine Ver-
knüpfung des angebotenen Sortiments zu den
definierten Zielgruppen. Dadurch wird deut-
lich, wo Angebotslücken bestehen und wo ggf.
ein Überangebot an Ticketangeboten vorhan-
den ist. Zudem ist eine Zielgruppensegmentie-
rung bezogen auf den gesamten Mobilitäts-
markt hilfreich, um Anhaltspunkte zu mög-
lichen
Verlagerungspotenzialen
vom Pkw zu
erhalten.
Schritt 3: Marktausschöpfung
in den Zielgruppen ermitteln
Sind die Zielgruppen erst bekannt und seg-
mentiert, wird im nächsten Schritt die Markt-
ausschöpfung des Verkehrsunternehmens je
Zielgruppe ermittelt. Hierzu müssen – je nach
Datenlage – Annahmen getroffen werden.
Eine exakte Bestimmung der Marktausschöp-
fung wird in vielen Fällen nicht möglich sein.
Für die Abschätzung des Marktpotenzials ist
jedoch ein
Näherungswert vollkommen
ausreichend
. Je mehr Erfahrungswerte im
Zeitablauf gesammelt werden, desto genauer
kann die Marktausschöpfung Jahr für Jahr be-
stimmt werden.
Schritt 4: Erschließbares Nachfrage-
potenzial je Zielgruppe abschätzen
Aus der Differenz zwischen dem abgeschätzten
Marktpotenzial (vgl.
Schritt 1
) und der ermittel-
ten Marktauschöpfung je Zielgruppe (vgl.
Schritt 3
) resultiert das Potenzial für zusätzliche
ÖPNV-Nachfrage. Davon gilt es, das tatsächlich
erschließbare Potenzial zu bestimmen. Das
er-
schließbare Potenzial
sind die Marktanteile
anderer Verkehrsmittel, die ein Verkehrsunter-
nehmen bei optimaler Angebotsgestaltung und
unter günstigen Rahmenbedingungen durch
Verkehrsverlagerung für sich gewinnen kann.
Eine optimale Angebotsgestaltung setzt voraus,
dass die objektive Verfügbarkeit des ÖPNV sehr
hoch ist. Dies ist laut diverser Marktstudien
nicht flächendeckend erfüllt. Die Zusammen-
hänge zwischen ermittelter Marktauschöpfung,
erschließbarem Potenzial und den Marktantei-
len anderer Verkehrsträger (z. B. Pkw) veran-
schaulicht Abbildung 2.
Das in Abbildung 2 dargestellte
erschließbare
Potenzial
kann nur langfristig vollständig ge-
hoben werden. Daher ist für die kurz- und mit-
Abb. 2: Exemplarische Darstellung von Marktpotenzial und -ausschöpfung aus Sicht eines Verkehrsunternehmens
CM September / Oktober 2015