39
          
        
        
          Der adäquate Umgang mit Unsicherheiten ist
        
        
          inhärenter Bestandteil jeder unternehmeri-
        
        
          schen Aktivität. Dass die Risikolandschaft, der
        
        
          sich Unternehmen ausgesetzt sehen, dyna-
        
        
          mischer geworden ist, wird durch eine Vielzahl
        
        
          aktueller Entwicklungen mit z. T. gravierenden
        
        
          Auswirkungen verdeutlicht. Dazu zählen neben
        
        
          den unübersichtlichen sozialen und geopoli-
        
        
          tischen Spannungen im Osten Europas, in der
        
        
          MENA-Region sowie in Teilen Asiens auch zu-
        
        
          nehmend zerstörerische Naturkatastrophen,
        
        
          ein intensiver Verdrängungswettbewerb in ge-
        
        
          sättigten Märkten, volatile Konjunkturentwick-
        
        
          lungen sowie grundsätzlich schlankere Organi-
        
        
          sationsstrukturen.
        
        
          Über die letzten zwei Jahrzehnte wurden dar-
        
        
          über hinaus nicht nur die externen Anforde-
        
        
          rungen an die Risikomanagementsysteme
        
        
          durch das KonTraG und BilMoG angehoben,
        
        
          sondern ab 2013 auch die Vorgaben für die
        
        
          Konzernlageberichterstattung
        
        
          und mithin
        
        
          für den
        
        
          externen Risikobericht (DRS 20)
        
        
          verstärkt.
        
        
          1
        
        
          Dies könnte u. a. Ausdruck eines
        
        
          wachsenden Bedürfnisses nach Transparenz
        
        
          und Nachhaltigkeit von Seiten verschiedener
        
        
          Stakeholder sein. Das Schlagwort
        
        
          Sustain-
        
        
          ability
        
        
          manifestiert sich mittlerweile in sehr
        
        
          konkreten Richtlinien wie die der
        
        
          Global Re-
        
        
          porting Initiative (GRI)
        
        
          oder in speziellen Ak-
        
        
          tienindizes, die neben ökonomischen auch
        
        
          ökologische und soziale Kriterien berücksich-
        
        
          tigen (z. B.
        
        
          Dow Jones Sustainability Indi-
        
        
          zes
        
        
          ). Die Aspekte, die in all diesen Initiativen
        
        
          im Fokus stehen, behandeln über weite Stre-
        
        
          cken auch den verantwortungsbewussten
        
        
          Umgang mit Risiken.
        
        
          
            Risiken der Textil- und Modebranche
          
        
        
          Die
        
        
          erfolgreichsten Geschäftsmodelle in der
        
        
          Textil- und Modebranche
        
        
          weisen indes zwei
        
        
          Gemeinsamkeiten auf. Erstens, das Ausmaß der
        
        
          Internationalisierung
        
        
          und zweitens, den Grad
        
        
          der Vertikalisierung, d. h. die nahezu
        
        
          vollstän-
        
        
          dige Abdeckung der gesamten Wertschöp-
        
        
          fungskette
        
        
          von der Beschaffung der Rohstoffe
        
        
          bis zur direkten Interaktion mit Endverbrauchern
        
        
          in eigenbewirtschafteten Verkaufspunkten. Die
        
        
          Folgen dieser Entwicklungen sind komplexere
        
        
          Unternehmensprozesse, sowohl technisch wie
        
        
          administrativ sowie die steigende Bedeutung
        
        
          eines effizienten und effektiven Risikomana-
        
        
          gements, was seinerseits gleichzeitig vor neue
        
        
          Herausforderungen gestellt wird.
        
        
          2
        
        
          Wie in nahezu allen Branchen haben die Kos-
        
        
          tensenkungen in der Informations- und Kom-
        
        
          munikationstechnologie sowie in der Logistik
        
        
          die Möglichkeiten zur weltweiten Arbeitstei-
        
        
          lung erheblich vergrößert. Dies erklärt den in
        
        
          der Textilbranche bereits seit langem erkenn-
        
        
          baren Trend hin zu weit verzweigten internati-
        
        
          onalen Lieferketten. Durch eine globale Distri-
        
        
          bution können etablierte Marken gleichzeitig
        
        
          ein hohes Wachstum generieren. Diese Ent-
        
        
          wicklungen sind dabei in nahezu allen Preis-
        
        
          segmenten zu beobachten. Unter Risikoge-
        
        
          sichtspunkten sind solch global aufgestellte
        
        
          Wertschöpfungssysteme jedoch überaus kom-
        
        
          plex und müssen nicht nur organisationsseitig
        
        
          entsprechend abgebildet werden. Insbeson-
        
        
          dere die dezentrale Steuerung der Risiken an-
        
        
          hand konkreter Maßnahmen erlangt eine be-
        
        
          sondere Bedeutung.
        
        
          Die Verbreitung vertikaler Geschäftsmodelle
        
        
          wird besonders deutlich, wenn man sich die
        
        
          Einkaufsstraßen deutscher Innenstädte genau-
        
        
          er ansieht. Omnipräsenten und weltweit nahe-
        
        
          zu identisch anmutenden Monomarken-Filial-
        
        
          formaten stehen nur noch wenige Multilabel-
        
        
          Fachhändler mit einem breiten Sortiment
        
        
          gegenüber. Obschon eine solche vertikale
        
        
          Strategie das Risiko einer uneinheitlichen Mar-
        
        
          kenpositionierung durch Handelspartner mini-
        
        
          miert, da sie die Warenpräsentation und Mar-
        
        
          kenkommunikation zu einem Gutteil in die ei-
        
        
          genen Hände legt, wird der Risikokatalog
        
        
          nichtsdestotrotz erheblich erweitert:
        
        
          Nen-
        
        
          nenswerte Einzelrisiken sind u. a. Be-
        
        
          standsrisiken, Umsatzverluste aufgrund
        
        
          einer suboptimalen Warenbewirtschaf-
        
        
          tung
        
        
          3
        
        
          , Investitionsrisiken
        
        
          sowie eine Vielzahl
        
        
          operativer Gefahren, wie z. B. im Bereich
        
        
          Loss
        
        
          Prevention
        
        
          . Zu einem vertikalen Geschäfts-
        
        
          modell gehört somit zwangsläufig die Berück-
        
        
          sichtigung dieser zusätzlichen Risiken im Risi-
        
        
          komanagementsystem.
        
        
          Der hier vorliegende Beitrag soll vor dem Hin-
        
        
          tergrund dieser Entwicklungen wesentliche
        
        
          Teilaspekte eines maßnahmenorientierten und
        
        
          somit leistungsstarken Risikomanagements am
        
        
          Beispiel der Textil- und Modebranche beleuch-
        
        
          ten und Anregungen für die Weiterentwicklung
        
        
          bestehender Systeme, auch in anderen Bran-
        
        
          chen, geben. Besondere Berücksichtigung fin-
        
        
          den dabei die folgenden Themen: Risikoidentifi-
        
        
          kation und -bewertung, Analyse und Reporting,
        
        
          Maßnahmenmanagement, Risikokultur sowie
        
        
          Reputationsrisikomanagement.
        
        
          
            CM September / Oktober 2015
          
        
        
          
            Ansätze für ein maßnahmenorientiertes
          
        
        
          
            Risikomanagement
          
        
        
          
            Aktuelle Entwicklungen und Implikationen aus der Textilbranche
          
        
        
          von Kay H. Hofmann