CONTROLLER Magazin 5/2015 - page 35

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hört ein Erfassen seiner Grundstruktur (z. B.
Finanzierung; Hauptprozesse), aber auch sei-
ner Umwelt, also der Branche sowie der allge-
meinen Umwelt mitsamt der Abhängigkeiten
(z. B. Single Sourcing) und Restriktionen (z. B.
technologischer oder staatlicher Art) sowie
allen wesentlichen Akteuren und Elementen,
mit denen das betrachtete Unternehmen in-
teragiert. Außerdem sind alle gefährdeten
Potentiale und leistungskritischen Prozesse
sowie deren Zusammenhänge zu erfassen.
Anschließend werden diese in der (2)
Busi-
ness-Impact-Analyse
(BIA) auswirkungsbe-
zogen evaluiert (z. B. welche Auswirkungen
hat ein Verzug in der Beschaffung auf die Pro-
duktion und nachgelagert ggf. auf das Kun-
denverhalten?). Danach wird (3) ursachenbe-
zogen eine
Risiko- bzw. Ursachenanalyse
durchgeführt (Suche nach Störungsursachen
und deren Bewertung). Dann (4) erfolgt die
grundsätzliche Bestimmung der
Kontinui-
tätsstrategie
(z. B. eigene Ersatzkapazitäten
aufbauen, Ausfall durch Kooperationen absi-
chern, proaktiv Störungsursachen entgegen-
wirken, auf starkes Image und schnelle Kom-
munikation setzen), die mit den generellen
Unternehmenszielen übereinstimmen muss.
Anschließend (5) werden konkrete
Maßnah-
men
geplant; beide werden in Schritt (6) um-
gesetzt und die erforderliche Infrastruktur
bereitgestellt. In regelmäßigen
Tests
werden
Strategien, Pläne und Maßnahmen überprüft
und ggf. angepasst (7). Flankierend erfolgt
der
Aufbau
eines BC-Bewusstseins sowie
einer BC-Kultur (8) – beides eine wesentliche
Bedingung, um Störungen schon im Ansatz
erkennen und kostengünstig handhaben zu
können. Angestoßen, konzipiert,
koordiniert
und gesteuert
werden all diese Prozesse
durch eine zentrale BC-Stelle (9), die (auf-
grund ihrer elementaren Bedeutung) der Unter-
nehmensleitung direkt zugeordnet ist.
Grundsätzliches zum Prozess
Tatsächlich gibt es verschiedene Phasen-
modelle: Nicht nur die Anzahl der Phasen diffe-
riert, sondern auch deren Inhalte und Eindeu-
tigkeit. Dies ist vor allem dem zugrundeliegen-
den Verständnis von BCM und damit dem je-
weiligen Entwicklungsstand geschuldet. Hier
wird ein
bewährtes Prozessmodell
vorge-
stellt, das in neun Phasen
alle Schritte des
BCM
abbildet und präzisiert. Es gilt als grund-
sätzlich, pragmatisch und universell anwend-
bar. Jede einzelne Prozessphase hat ganz
unterschiedliche Aufgaben und thematisiert
jeweils spezifische Fragestellungen. Dement-
sprechend unterschiedlich sind auch die
Vorgehensweisen, Instrumente und Ergebnisse
sowie teilweise die beteiligten Personen. Man-
che Phasen sind hoch-kreativ, andere stark
analytisch, andere befassen sich mit der ope-
rativen Umsetzung.
Neben den diversen Standards (z. B. ISO
22301) steht eine Vielzahl von Checklisten
und Templates zur Verfügung. Ein Unterneh-
men kann Standardroutinen zur Orientierung
benutzen, sollte sie aber jedenfalls individuell
anpassen oder aber seine eigene Vorgehens-
weise entwickeln – ggf. mit professioneller
Unterstützung. Schließlich gehorchen unter-
schiedliche Geschäftsmodelle und -prozesse
sowie unternehmensspezifische Verletzbar-
keiten regulativen Normvorgaben nur bedingt.
Im Übrigen spielt die Unternehmensgröße
kaum eine Rolle: Unabhängig von Art und Grö-
ße des Unternehmens (bzw. der Organisation)
ist stets herauszufinden, was den Erfolg nach-
haltig stören könnte, also: welche Großstörun-
gen welche kritischen Prozesse bedrohen und
wie diese abgesichert werden können.
Phase 1: Verstehen des Geschäfts
Störungen können an den verschiedensten
Stellen entstehen und sich im Unternehmen
ausbreiten. Deshalb ist es notwendig, sich über
das Geschäftsmodell, die einzelnen Akteure
(z. B. Kunden, Lieferanten, Abteilungen), über
Prozesse und Strukturen sowie über interne
und externe Restriktionen und Abhängigkeiten
im Klaren zu sein oder zu werden.
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Mit dem Untersuchen des Geschäfts wird drei-
erlei erreicht:
·
Es wird ein
antizipatives Bewusstsein
für scheinbar (!) unmögliche Störungen
aufgebaut – wesentlicher Schritt zum
Aufbau von Stabilität und Resilienz!
·
Es wird ganz konkret die V
erletzbarkeit
des eigenen Systems
, seiner Potenziale
und Prozesse und seiner Beziehungen
innerhalb und außerhalb des Systems
aufgedeckt, was gleichzeitig der
Struktu-
rierung
möglicher Problemfälle dient.
·
Es werden die existenziellen
Störungen
identifiziert
und konkret die erfolgskri-
tischen Schwachstellen erkannt.
Abb. 1: Prozess des BCM
CM September / Oktober 2015
1...,25,26,27,28,29,30,31,32,33,34 36,37,38,39,40,41,42,43,44,45,...116
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