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sind inzwischen zahlenmäßig den Journalisten
weit überlegen, zudem sind sie in aller Regel
auch sehr gut ausgestattet. Daher kann oft eine
massive Gegenwehr einsetzen. Ein Risiko von
beachtlicher Dimension liegt im Rechtlichen.
Wir haben die Pressefreiheit als Grundrecht
gemäß Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes. Sie
betrifft die Freiheit, Tatsachen und Meinungen,
Stellungnahmen und Wertungen zu verbreiten.
Die grundgesetzlich garantierte
Presse- und
Meinungsfreiheit gilt nicht schrankenlos
,
sie steht in einem natürlichen Spannungs-
verhältnis zu anderen Rechten, etwa mit dem
Urheberrecht und ganz besonders mit dem
Persönlichkeitsrecht. Das Persönlichkeitsrecht
ist das aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art
1 GG (Grundgesetz) abgeleitete Recht des Ein-
zelnen auf Achtung und freie Entfaltung seiner
Persönlichkeit gegenüber dem Staat und im
privaten Rechtsverkehr, auch allgemeines Per-
sönlichkeitsrecht genannt. Roland Tichy, ehe-
maliger Chefredakteur der Wirtschaftswoche,
veröffentlichte am 03.05.2015 eine viel be-
achtete Wirtschaftskolumne
„Ohne Geld kei-
ne Freiheit“
, die sich betont kritisch mit der
möglichen Nachrangigkeit der Pressefreiheit
befasst. Seine zentralen Aussagen: „Guter
Journalismus wird immer teurer, weil das
Recht auf „Privatsphäre“ heute über allem
steht. Leider auch für Schufte.“
Und wer ge-
gen „die Mächtigen“ anschreibe, sollte
sich warm anziehen, wie Tichy befindet.
„Guter Journalismus ist teuer und Pressefrei-
heit ohne „Cash in der Täsch“ so wirkungslos
wie eine Kopfschmerztablette aus Mehl“ fasst
Tichy eine Vielzahl eigener, z. T. dramatischer
Erfahrungen zusammen. Solche Erfahrungen
und Sachverhalte können einschüchtern – und
damit Wirkung und Möglichkeiten aufkläreri-
scher wirtschaftsjournalistischer Arbeit deut-
lich begrenzen, vielleicht sogar infrage stellen.
Insofern ist Tichy voll und ganz zuzustimmen,
dass diese Thematik im Interesse einer frei-
heitlichen Kultur in die Debatte gehört. Für
mich stellt sich die Frage, ob in der Praxis
die Persönlichkeitsrechte vom berechtigten
Schutzrecht zum Korrekturrecht der Presse-
freiheit mutieren.
Viele Journalisten bewegt an dieser Stelle der
Begriff
„ökonomische Umklammerung“
.
Daher ist für einen Wirtschaftsjournalisten und
auch für einen Rezensenten und Interviewer
eine gute, aber teuere Rechtsschutz- und
Berufshaftpflichtversicherung Pflicht. Die
Diskussion dieser Kolumne ergab u. a. diese
Einordnung: „Ja, es ist schade, dass man als
Meinungsmacher so aufpassen muss. Auch
ich würde gerne anders, vor allem tiefer
schreiben …“.
Empfehlung
Unternehmen ist zu empfehlen, auf kriti-
sche Berichte überlegt und umsichtig, ru-
hig und abwägend zu reagieren.
Sofern die
Kritik fundiert ist, stößt sie zunächst „nur“ eine
Debatte an und stellt Fragen in den Raum. Der
Bericht sollte intern sorgfältig und unvoreinge-
nommen geprüft werden. Dann kann es sinn-
voll sein, das Gespräch mit den Verfassern und
der Redaktion zu suchen. Qualitätsmedien las-
sen sich meistens auf ein
Streitgespräch
ein,
um das Thema weiterzudrehen. Wenn es gute
Gründe gibt, sollte man verlangen, dass eine
Stellungnahme und die Gegenargumente in der
nächsten Ausgabe gebracht werden. Die Mög-
lichkeit zur Replik sollte gesucht und genutzt
werden. Erst danach kann über weitergehende
Maßnahmen, etwa Boykott und rechtliche
Schritte, nachgedacht werden. Es ist zu hoffen,
dass es möglichst oft gelingt, Unternehmens-
und Journalisteninteressen sachgerecht und
angemessen auszubalancieren.
Anmerkung
Ich danke herzlich allen, die diesen Beitrag er-
möglicht und gefördert haben, insbesondere
Herrn Chefredakteur Dr. Kottbauer, dem Presse-
Service vom Ernst-Schneider-Preis der deut-
schen Industrie- und Handelskammern e. V.,
Herrn Kommunikationsberater und Publizisten
Manfred Piwinger und dem Deutschen Fach-
journalisten Verband (DFJV).
Literatur- und Quellenachweise
Literatur
Bentele, G./Brosius. H.-B./Jarren, O. (2013):
Lexikon der Kommunikations- und Medienwis-
senschaft, 2. Auflage, Wiesbaden 2013
Duden (2015): Recht A-Z: Fachlexikon für
Studium, Ausbildung und Beruf. Berlin 2015
Fechner, Frank (2014): Medienrecht, 15. Aufl.,
Tübingen 2014.
Hufnagel, Ariane (2014): Der Einfluss der
Medien auf Unternehmensentscheidungen:
Wie Unternehmen die Medieberichterstattung
beobachten, beurteilen und berücksichtigen.
Baden-Baden 2014
Pörksen, Bernhard/Narr, Andreas (2015): Die
Idee des Mediums: Reden zur Zukunft des
Journalismus. Köln 2015
Mast, Claudia (2015): Neuorientierung im
Wirtschaftsjournalismus: Redaktionelle Strate-
gien und Publikumserwartungen. Wiesbaden
2012
Internetquellen
Deutscher Fachjournalisten Verband (DFJV):
letzt 11.07.15 abgefragt)
Ernst-Schneider-Preis – Journalistenpreis der
fragt)
Piwinger, Manfred, Kommunikations- und
Unternehmensberatung
(zuletzt 11.07.15 abgefragt)
Wirtschaftskolumne von Roland Tichy vom
uletzt 11.07.15 abge-
fragt)
CM November / Dezember 2015